Nachdem Gitti vorletzte Woche meinen liebevoll gestalteten Kryptokeks einfach aufgegessen hat, widme ich mich nochmal dem werten Herrn Leibniz, der mich so fasziniert hat, also diesem Vordenker der Aufklärung.
Zuerst folge ich meiner Intuition und statte der Webseite eines in Hannover ansässigen Keksherstellers einen Besuch ab. Dort finde ich Unglaubliches: Der Keks wurde tatsächlich nach dem berühmten Herrn Leibniz benannt! Das wusste ich bis eben gar nicht. Ich bin entzückt. Ende des 19. Jahrhunderts, so erfahre ich dort, war es durchaus üblich, Nahrungsmittel nach bekannten Persönlichkeiten zu benennen – und so haben sie es auch mit ihrem Erfolgskeks gemacht.
Jetzt aber schnell zurück zum Namensgeber! Nein! Stopp, Vollbremsung! Ohne ein paar Begleitkekse, mit denen ich meinen Schreibtisch vollkrümeln kann, geht es einfach nicht weiter!!
So. Mit vollen Backen lässt es sich viel besser schreiben, vor allem viel besser, als deutlich sprechen … ‘tschuldigung …
Ich stöbere noch ein wenig in meinen verstaubten Erinnerungen und Büchern, aber natürlich auch im Internet herum. Der Herr Leibniz wuchs mit unzähligen Büchern auf und war gerade eben noch ein Teenager, als er sein erstes eigenes Buch veröffentlicht hat, das von der Kunst der Kombinatorik erzählt. Er hat sich für alle möglichen Themen interessiert, und so wurde aus ihm ein international anerkannter Universalgelehrter. Neben seiner Arbeit als Bibliothekar beim Herzog in Hannover beschäftigte sich Leibniz beispielsweise auch mit technischen Lösungen für den Bergbau, fertigte juristische Gutachten an und entwickelte seine Monadentheorie, mit der er versuchte, die Welt zu erklären. Leibniz hat auf so vielen verschiedenen Gebieten deutliche Spuren hinterlassen, dass ich mir gar nicht alles merken kann. Ich werde ihm hier auf keinen Fall gerecht, dazu gibt es einfach viel zu viel, was sich über ihn zu erzählen lohnte.
Beim Stöbern fällt mir besonders auf, dass Leibniz die Wissenschaft als Einheit betrachtet hat. Er trennte die Wissenschaft nicht von der Philosophie. Ganz entschieden hat er auf die Vernunft gesetzt und sich sogar gewünscht, die Vernunft in Zahlen ausdrücken zu können. Dann wäre belegbar, was vernünftig und wahr ist. Darauf noch einen Keks!
Zu der Zeit, als Leibniz über die Welt, die Menschen und auch den Glauben nachdachte, war es noch ungeheuerlich, die Vernunft in den Mittelpunkt des Denkens zu stellen. Überhaupt, jedem Menschen die Fähigkeit zuzusprechen, sein Leben vernünftig zu führen, war zu der Zeit echt eine steile These. Es ging um die Idee, durch rationales Denken neues Wissen zu erlangen, und zwar ohne sich von Ideologien, Traditionen und Vorurteilen bremsen zu lassen. Die Vernunft sollte die einzige Instanz sein, auf deren Basis ein Urteil zu fällen war. Ich stelle mir vor, dass hohe Kirchenvertreter und andere Obrigkeiten so ihre liebe Not damit hatten. Diese Art des Denkens stellte schließlich den blinden Gehorsam der Menschen infrage. Sie fürchteten vermutlich, dass die gesamte Welt auseinanderzufallen droht. Mit diesen Gedanken im Kopf schiebe ich mir noch einen Keks rein und finde das ausgesprochen vernünftig!
Leibniz korrespondierte mit unglaublich vielen Menschen und die UNESCO hat diese zahlreichen Briefwechsel mittlerweile als Bestandteil des Weltgedächtnisses anerkannt und sie in das Weltdokumentenerbe aufgenommen. Briefe verschicken war zu der Zeit echt eine langwierige Angelegenheit. Lief das Leben damals insgesamt langsamer? Wenn ich heute etwas mitteilen möchte, kann ich zwischen schnellen, schnelleren und noch viel schnelleren Möglichkeiten wählen. Ich werfe noch einen Keks ein. Kauend überlege ich, ob die Verbindlichkeit meiner Nachricht sinkt, wenn ich sie quasi in Echtzeit schon wieder korrigieren, ergänzen oder gar zurücknehmen kann. Wenn ich von Hand einen Brief schreibe und ihn dann ganz analog auf den Weg bringe, so sollte sein Inhalt noch gelten, wenn er endlich ankommt, oder?
Mitten im Kauen friert all meine Bewegung ein. Zu oft schon habe ich Nachrichten bekommen, wie diese: „Vergiss den Quatsch von eben!“ Und dann folgt neuer Quatsch. Zu oft schon habe ich dann meinen Entwurf einer passenden Antwort wieder weggeworfen. Wann lohnt es sich also, den neuen Text zu lesen? Ab wann lohnt es sich, über eine Antwort überhaupt nachzudenken? Mühe und Sorgfalt schaffen Verlässlichkeit, aber das ist irgendwie out und auf die Schnelle viel zu langsam. Deshalb gibt es auch immer mehr Nachrichten, die eigentlich gar nichts aussagen, außer vielleicht, dass man den „Quatsch von eben“ bekommen hat, sich damit irgendwann beschäftigen wird und pfeilschnell beteuert, alles im Blick zu haben. Bei WhatsApp erledigen das die blauen Häkchen und manchmal eine schnelle Antwort per Emoji. Aber so richtig schnell ist das alles in Summe nicht, oder?!?
Was würde Leibniz wohl von der Welt halten, wie sie sich gerade jetzt zeigt? Wie sähe sein WhatsApp-Verlauf aus? Vor meinem geistigen Auge sitzt er da, die Perücke mit den vielen Locken hängt vor lauter Stress schon ein wenig schief auf seinem Kopf. Er schreibt an Newton, an Sophie von der Pfalz und an ganz viele andere Leute. Und er kämpft mit der Autokorrektur, die aus seinen Monaden immer Nomaden macht. Ständig ploppen neue Nachrichten aus aller Welt auf, wer kann sich da noch ordentlich konzentrieren? Ich versuche, ein Gespür für die Situation zu entwickeln. Mein Gespür folgt allerdings seinen ganz eigenen Regeln, und es meldet: Mein Ranzen spannt. Da waren wohl doch ein paar Kekse dabei, die ich im Unverstand eingeworfen habe.
Ich lasse das Spekulieren lieber sein. Spekulieren? Spekulatius! Nein, Hilfe, nicht noch mehr Kekse, bitte!!!
Und gerade jetzt meldet Gitti sich. Sie hat Hunger! Ja, jetzt. Und sie hat auch schon etwas Leckeres zubereitet. Mir entfährt ein „Pfffff“. Aber ich darf es nicht verschmähen, sondern möchte die Mühe würdigen, die sie sich gemacht hat. Vielleicht können wir danach ja noch ein paar Schritte aus dem Haus gehen?!?
Hallo Miri,
das passiert, wenn man beim Arbeiten Kekse neben sic sehen hat.
Aber wieder eine sehr interessante Geschichte, danke dafür.
Danke für die tolle Unterhaltung mit deiner sehr spannenden Geschichte liebe Miri, und wieder einiges dabei gelernt! Vor allem steigen nun so seltsame Gelüste auf……
Auf süßes…….
Auf KEKSE!!!!