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Beim Namen nennen

Führte ich einen frei gewählten Adelstitel, bei dessen Wahl ich mich nicht um geltende Regeln scheren müsste, so hieße der: „von und zu auf und davon“. Und zwar nur, weil es cool klingt, überrascht und in kein Formular passt! Und ich wäre sicher schon längst davon abgekommen, diesen Titel überhaupt führen zu wollen! Das hätte bestimmt nur Scherereien zur Folge. Zum Glück nehme ich mich selbst zwar ernst, aber auch nicht so wichtig, und ich brauche keinen Titel, um mich aufzuwerten! Hätte ich promoviert, wäre er da und ich bestimmt auch stolz auf ihn, aber ich würde vermutlich die Menschen dazu ermuntern, den Titel bei der Anrede wegzulassen.

Anlässlich meiner Geburt mussten meine Eltern sich mögliche Vornamen überlegen, mit deren Hilfe sie der Notwendigkeit nachzukommen trachteten, das neue Kind auch mal beim Namen nennen zu können. Bei welchem auch immer. Ich hatte Glück und bekam sogar gleich zwei, und die hießen weder „Lassdas“ noch „Fingerweg“. Meine Eltern legten jedoch großen Wert darauf, dass ich artig war, möglichst nichts kaputtmachte, niemanden verletzte und auch ansonsten nicht unangenehm auffiel. Das passte gut in die Zeit und vor allem gut zu meinen Eltern. Tja, ich tat, was ich konnte. Unter dieser Erwartung gedieh ich und beschwerte mich auch nur selten darüber, dass mein erster Vorname gefühlte hundert Jahre lang nicht gerade der Hit war, scheinbar mehr Schreibweisen zuließ, als er eigentlich Buchstaben hatte und man ihn auch recht unterschiedlich aussprechen konnte. Damit hatte niemand gerechnet. Ich buchstabierte mich durch. Sowas stärkt die Persönlichkeit. Bestimmt!

Es gab also Zeiten, da hätte ich lieber einen anderen Namen getragen. Diese Zeiten sind längst vorbei. Heute bin ich froh über die Wahl meiner Eltern und finde meinen Namen auch nicht mehr zu außergewöhnlich oder gar problematisch, sondern ich mag ihn! Wie gesagt, ich gedieh und tat, was ich konnte, meine Eltern zu erfreuen. Natürlich längst nicht immer!! Das hier wäre eine super Stelle, um abzuschweifen und von Geschichten aus Kindertagen zu berichten, ich weiß. Tut mir leid, aber daraus wird heute nichts …

Bei fast allen Menschen läuft es nach der initialen Namensgebung so: Mit der Zeit gesellen sich zu den Taufnamen irgendwelche Kose- oder Spitznamen. In direkter Folge eigener biologischer Vermehrung werden frischgebackene Eltern häufig umgetauft und heißen fortan nur noch Mama und Papa oder so. Ich kenne sogar einige Menschen, die heißen jetzt plötzlich nur noch Oma oder Opa, und niemand weiß mehr, wie man sie sonst noch ansprechen könnte! Noch nicht einmal die Partnerin oder der Partner scheint das noch zu wissen. Aber nach unzähligen Jahren „Schatzi“, dieser unsäglichen Unisex-Kreuzung aus Schaf und Ziege, die einst einem respektvollen „Schatz“ entsprang, sind „Oma“ und „Opa“ doch erfrischend und wertschätzend, oder?

Wenn noch eine Generation hinzukommt, gibt es im besten Fall eine Ergänzung in Richtung „Oma-Tick-Tack“, weil das „Ur“ der Urgroßmutter so ähnlich klingt, wie eine Uhr und die in grauer Vorzeit eben zu ticken pflegte. Ich mag gar nicht darüber nachdenken, wohin sich das noch so entwickelt. Da tickt ja heute nur noch selten eine Uhr. Wenn es blöd läuft, tickt heute nur jemand aus. Autsch!

Ein stolzer, frisch gebackener Vater aus dem Kreis der Kollegen zeigte gestern das Bild seiner kleinen Emma herum. Süßes Kind. Am Nachmittag unterhielt ich mich mit der freundlichen Dame aus unserer Autowerkstatt. Stolz erzählte sie mir vom aktuellen Wurf ihrer Hündin. Eines der kleinen Tiere wird sie behalten, und zwar die Emma, die so lustige Schlappohren hat. Ich musste grinsen. Heute kommt es, wie es kommen muss: Als ich dem Kollegen einen guten Morgen wünsche, verselbstständigen sich meine Assoziationen und ich sehe ihn mit lustigen Schlappohren vor mir, ein schlappohriges, frisch gewickeltes Bündel im Arm. Ich murmle etwas von: „Sorry, keine Zeit“ und stürme zu meinem Platz, wo ich mich nur mit Mühe auf den vor mir liegenden Tag einstellen kann. Bei „Bello“ und „Köti“ wusste man immer gleich, was das ist! Und fast alle Kanarienvögel hießen früher „Hansi“.

Übrigens, wenn Gitti fragt, ob Emma schon fertig ist, meint sie damit unsere Spülmaschine! Bei uns arbeitet Emma also klaglos in der Küche, wenn wir unser Tagewerk schon verrichtet haben. Bei der Dame aus der Werkstatt lernt die kleine Emma bald das Bellen sowie die Kommandos „Sitz“ und „Platz“, und im Haus des Kollegen wird Emma bald laufen oder sprechen und vermutlich viel zu früh erwachsen. Und dann zieht sie aus! Der Kollege fürchtet sich jetzt schon vor diesem Tag. Merke: Die Namensgebung von Hunden, Kindern und Haushaltsgeräten folgt denselben Trends, sichere Hinweise auf die Spezies gibt es nicht mehr.

Richtige Namen fand ich immer schon schön, wenn es um die treuen Begleiter meiner Mitmenschen ging.

Die einen hatten Hunde: Ich erinnere mich noch lebhaft und gerne an die Hundedame Heinrich, die man nicht mehr umtaufen konnte, als die Erkenntnis reifte, dass sie eine Hündin ist. Hermann, ein träger Hund mit beachtlichen 60 cm Stockmaß, guckte seine Besitzerin immer mit großen Kulleraugen an, wenn sie wieder einmal versprach, dass er ein Leberwurstbutterbrot bekommt, wenn er „Leberwurstbutterbrot“ sagt. Und dann verzog er sich, ergab sich seinem Schicksal und träumte vermutlich von Leberwurst. Ohne Brot! Wenn ich Hund Theo darum bat, sich zu setzen, wedelte er mit dem Schwanz und fand meinen Vorschlag interessant, aber nicht bedenkenswert. Gitti folgte er aufs Wort, obwohl sie ihm eigentlich auch nichts zu sagen hatte. Das lag an der natürlichen Autorität, die sie ausstrahlt. Hündin Kleopatra war süchtig nach Streicheleinheiten.

Andere Menschen besaßen Katzen oder Kater. Eigentlich glaube ich ja, dass diese Menschen in Wahrheit den Tieren gehörten. Kater Cäsar zum Beispiel – unvergesslich! Neben seiner Vorliebe für Knoblauch lag er gerne auf Menschen herum. Wenn er dann aufwachte, sich streckte, auf dem Bauch des Menschen einen Katzenbuckel machte und diesem Menschen dann sein Hinterteil entgegenreckte, war es an der Zeit, ihn loszuwerden. Sonst folgte häufig eine beachtliche Flatulenz, die einem machtvoll ins Gesicht wehte. Pff! Und Katze Mathilde, kurz Tilly, trug den Namen meiner Großmutter. Das hatte vermutlich damit zu tun, dass sie auf Krüllkuchen stand, eine Gebäck-Spezialität meiner Großmutter.

Ich könnte stundenlang so weitermachen! Keines dieser Tiere gehörte mir, aber ich mochte sie alle.

Gerade jetzt fällt mir noch die kleine Minou ein, von der mein Kollege Hans gerne erzählte. Die kleine Minou ist echt aufgeweckt, und sie will immerzu nach draußen, dann schnell wieder ins Haus und so geht es hin und her in einem fort. An die Klingel kommt sie nicht ran, dazu ist sie zu klein. Also hat Hans an der Tür einen Bewegungssensor installiert und mit dem Smartphone verbunden. So weiß er, wann Minou vor der Tür steht und kann sie reinlassen. Minou findet das prima, sie hat das Prinzip mit dem Bewegungsmelder nämlich inzwischen verstanden. Deshalb spielt Minou auch seit einiger Zeit gerne mit Hans Verstecken. Sie löst den Bewegungssensor aus und duckt sich hinter der kleinen Hecke neben dem Eingang. Hans öffnet die Tür und tut so, als würde er Minou nicht sehen. Dann geht er wieder rein, und kurz darauf geht es von vorne los.

Hans‘ Schwiegertochter ist Französin. Alle Kollegen glauben, dass die aufgeweckte Enkelin hier mit ihrem Opa spielt – bis auf die paar Leute, die schon wissen, dass Minou die kleine Katze ist, die seine Frau und er sogar jedes Jahr mit in Urlaub nehmen. Dann nämlich fahren sie zu dritt im Auto an die Côte d’Azur. Minou hinten im Katzenkorb oder vorne auf dem Schoß von Hans‘ Frau, die auf dem Beifahrersitz Platz genommen hat, und er am Steuer. Bon voyage!

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Mauro und Gianna

    Danke für die zauberhafte Entführung in die Welt der Namen und zu den vierbeinigen Namensvettern.
    Und prompt fällt uns doch die Meerschweinchen-Dame Emma ein!
    Herzlich geschmunzelt in unserer Mittagspause 😀😀

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