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Das wunderbare Lachen

Heute darf ich ausschlafen. Gitti findet leise heraus, wann ich damit so gut wie fertig sein müsste. Auf leisen Sohlen verlässt sie den Raum.

Unterbewusst habe ich es vielleicht bemerkt, denn mein Schlaf ist jetzt nicht mehr ganz so tief. Ich kuschle mich wohlig in die warme, weiche Decke und genieße jede Sekunde, in der ich einfach so hier herumliegen kann. Immer wieder nicke ich ein und tauche ohne jedes Zeitgefühl wieder auf, umarmt von Bett und Decke. Ich fühle mich erholt und beginne, mich zu strecken. Nach einer Weile, ich muss wohl gerade wieder eingenickt sein, weckt Gitti mich mit duftendem Cappuccino und dem kleinen Gesang, den ich an den Arbeitstagen vorzutragen pflege. Das ist eine schöne Tradition, die wir uns da geschaffen haben!

Als nächstes schaltet Gitti den Fernseher ein. Zufällig läuft dort gerade das Märchen von der Gänseprinzessin. Mit dicken Kissen im Rücken widmen wir uns unserem Cappuccino und dem Film. Weitere Pläne für den Tag stellen wir hinten an, denn die Geschichte zieht Gitti und mich sofort in ihren Bann.

Der Film greift Figuren aus „Die Gänsehirtin am Brunnen“ auf, eines der Grimm‘schen Märchen. Die Geschichte wurde kräftig entstaubt und sehr frei interpretiert. Sie verzichtet auf die traditionelle Einteilung in gute und böse Charaktere, alle Figuren sind außergewöhnlich glaubhaft. Gitti und ich schauen gebannt zu. Der Film läuft schon eine Weile, wir landen vermutlich mitten in der Geschichte.

Schnell ist klar: Der König gibt sich einer tiefen Depression hin, weil sein Sohn schon seit Jahren weg ist. Am Hof scheint man zu glauben, der Prinz sei tot. Blöderweise befiehlt der König eine allgemeine Trauer, aus der er selbst nicht mehr herausfindet. Die Königin versucht derweil, den Laden auf dem Laufenden zu halten. Des Königs Depression treibt arge Blüten: Er untersagt allen Untertanen das Lachen! Welch ein Idiot!!

Es gibt auch eine Prinzessin namens Polly. Natürlich ist sie unglaublich schön, aber das ist in diesem Märchen gar nicht so wichtig. Polly hat viel mehr zu bieten. Sie verfügt über einen unabhängigen Geist, folgt ihrem Herzen, und sie hat das Talent, andere Menschen zum Lachen zu bringen. Nachdem der König nun auch fröhliche Kinder inhaftieren lässt, weil sie sich natürlich nicht an die angeordnete Trauer halten, gelingt es Polly, sie in Sicherheit zu bringen. Eine alte Frau mit magischen Kräften hilft ihr dabei. Die Kinder werden kurzerhand in Gänse verwandelt. So können sie Polly unbehelligt in den Wald folgen. Prinzessin und Gänsekinder finden Unterschlupf bei der alten Magierin.

Der Prinz, um den alle so trauern müssen, ist immer noch in der Gegend. Eigentlich will er zum nördlichsten Punkt der Erde, aber zwischendurch muss er jetzt noch einen armen Mann aus den Fängen der Häscher retten, die auf Geheiß des depressiven Königs alle verfolgen und festsetzen, die sich des Lachens schuldig machen. Es handelt sich dabei um einen regelrechten Widerstandskämpfer, der im Land sogar Lachgruppen anführt. Ein richtig dicker Fisch also. Die alte Frau mit den magischen Kräften hilft auch hier. Beide Männer finden ebenfalls bei ihr Unterschlupf.

Die Prinzessin erkennt ihren Bruder nicht sofort, schließlich sind bereits ein paar Jahre vergangen, seit er den Hof verließ. Auch er hat keine Ahnung, wer die schöne Gänsehirtin ist. Doch irgendwann stimmen beide ein altes Kinderlied aus Kindertagen an, und sie erkennen einander endlich doch.

Wieder ist es Zeit für ein kleines Wunder. Der König tut kund, alles geben zu wollen, könnte er seinen Sohn nur noch einmal lebend sehen – und im tiefen Wald entscheidet jemand, dass der Prinz doch noch einmal bei Hofe auftaucht. Die idiotischen Gesetze werden aufgehoben. Auch die Prinzessin kann nun zurückkehren. Sie führt die Gänse nach Hause, und die verwandeln sich endlich wieder in die fröhlichen Kinder, die sie waren.

Wie es sich im Märchen gehört, gibt es ein rauschendes Fest. Der König akzeptiert, dass sein Sohn zum Nordpol will, statt die Geschicke des Landes zu führen. Dennoch dankt er ab, und verfügt, dass seine Tochter jetzt sein Erbe als Königin antreten soll – und die führt ab sofort mit viel Freude das Königreich in eine Zeit, in der das wunderbare Lachen ein elementares Element sein wird.

Beschwingt stehen Gitti und ich auf. Durchs Fenster lacht die Sonne, drinnen lachen wir.

Nach Konsultation der Wetter-App beschließen Gitti und ich, unsere sonstigen Pläne noch ein wenig weiter nach hinten zu schieben, weil in ein paar Stunden deutlich trübere Aussichten am Himmel sichtbar werden sollen. Wir müssen dringend raus, uns ein bisschen bewegen und dem Wald ums nahe gelegene Schlösschen einen Besuch abstatten!

So drehen wir eine kleine Runde durchs Bad, und dann geht es raus in die Natur. Die Sonne scheint, die Bewegung tut uns gut. Gitti grüßt alle, die uns entgegen kommen, sie lächelt sie an, und sie erntet vielfach ebenfalls ein Lächeln und einen Gruß. So geht Glück!

Unterwegs beleuchtet Gitti noch die körperlichen Folgen des Lachens. Sie trägt vor, welche Prozesse durch hemmungsloses Lachen im Körper in Gang gesetzt werden. Ich wundere mich nicht mehr darüber, dass wir so dankbar jede Gelegenheit wahrnehmen, unserer Fröhlichkeit durch Lachen Ausdruck zu verleihen. Mein Körper weiß, was er braucht. Lachen ist gesund! Vor allem: Ich mache es gerne!!

Aber mich interessiert noch viel mehr dies: Lachen birgt eine unglaubliche Kraft. Es befeuert meine Kreativität, sorgt sogar dafür, dass ich die Harmonie zwischen mir und anderen herstellen oder festigen kann. Lachen ist unglaublich und wunderbar! Es vermag, Herzen zu öffnen, als wären es Blumenkelche. Die einzige Aufgabe, die mir bleibt, ist: Halte die Häme strikt fern vom Lachen – dann geht es am Ende allen gut!

p.S.: Vorgestern haben Gitti und die Schwägerin sich über Falten aller Art unterhalten. Plissee- und Kellerfalten zum Beispiel. Bei den Plisseefalten meinten sie ausdrücklich nicht die Dinger, die sich bei manchen Menschen zwischen Oberlippe und Nase senkrecht zu den Lippen legen, sondern die vom klassischen Faltenrock. Kellerfalten, so lernte ich dabei, liegen sich gegenüber und sind einander zugewandt. Man findet sie zum Beispiel auf dem Rücken von Trachtenjacken. Sie springen meist gleich unter der Schulter des Trägers zu beiden Seiten ein wenig auf und geben ihm den benötigten Raum. Zum Atmen wahrscheinlich. Und genau in dem Moment dachte ich so bei mir: Die liebsten Falten sind mir doch die Lachfalten! Und keine davon gebe ich je wieder her!!

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Mauro und Gianna

    Ja, da müssen wir dir, liebe Miri, zu 100% zustimmen!
    Es gibt keine Falte, die schöner und die kostbarer ist als eine Falte, die durch ein aus dem Herzen kommendes Lachen entsteht!
    Danke für die fröhliche Story!

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