You are currently viewing Delegieren an die Delegation

Delegieren an die Delegation

Muss ich das alles selbst erledigen? Ich mag nicht!!! Aber gemacht werden müsste es schon. Und jetzt? Reflexartig ploppt die Frage auf: Kann ich das delegieren?

Gitti sagt an solch einer Stelle ja gerne: „Da müsste mal jemand …“ Und dann hofft sie darauf, dass jemand sich erbarmt, ohne direkt angesprochen und ausdrücklich gebeten werden zu müssen. Manchmal klappt es. Gitti weiß aber auch, dass es besser ist, wichtige Anliegen nicht so zu verbrämen, weil der „Jemand“ sich ja auch nicht angesprochen fühlen könnte. Oder zumindest lieber so tut, als ginge ihn ihr Anliegen nichts an. Das hat Frust-Potential. Gitti mag keinen Frust, also geht sie mit dieser Methode so sparsam um, wie nötig.

Wie läuft das jetzt mit dem Delegieren? Ein Delegierter ist ein Abgesandter. Nein, nicht mit Briefmarke auf dem Po! Sondern beauftragt und mit gewissen Vollmachten ausgestattet. Man kann auch mehrere Leute gleichzeitig beauftragen und absenden. Zusammen bilden sie dann eine Delegation, manchmal auch Abordnung genannt, die aus Delegierten besteht.

Zu Hause kann ich zum Beispiel Müll-Delegierte sein. Dann habe ich den Auftrag, diesen runterzubringen, yeah, pfff. Und ich bin bevollmächtigt, dann auch die Tonne rauszustellen, falls die Müllabfuhr am folgenden Tag erwartet wird. Super, ich bin ganz aus dem Häuschen, kann mein Glück kaum fassen …

Ironie ist übrigens eine Vortäuschung. In diesem Fall die Vortäuschung meiner ungezügelt ausgelebten Freude über diesen tollen Job! Im Fernsehen funktioniert Ironie nicht. Damit ist gemeint, dass zu viele Zuschauer eine ironisch gemeinte Aussage als ernst gemeint missverstehen. Übel und Shitstorm nehmen dann ihren Lauf, aber erst nach der Sendung. Also zu spät für Erklärungen und Richtigstellungen. Im richtigen Leben geht das auch recht häufig schief, geht also bitte sparsam und vor allem bedacht mit diesem Stilmittel um!

Gitti und ich teilen uns die Müll-Aufgaben natürlich. So kümmert sich jede mal darum, und keine von uns ist per se zuständig. Warum macht das eigentlich niemand so richtig gerne?

Kennst Du jemanden, der von sich sagt, er sei ein passionierter Müllrausträger? Der andauernd wie eine Katze um die im Haus verteilten Behälter streift und der schon beim ersten darin aufgenommenen Unrat am liebsten beschwingt loslegen würde? Jemanden, der weiß, dass niemand ihn je in diesem Job toppen kann und wird? Nicht? Sollten wir dann mal das Image des Müllrausträgers aufpolieren? Ihn im ersten Schritt zum Müllbeauftragten befördern? Oder Müllmanager? Ihn feiern, weil er das so unnachahmlich ausführt? Na, ich weiß nicht. Also ich würde mir komisch vorkommen, eher veräppelt als ernsthaft gewürdigt! Dabei keimt in mir gerade ein Verdacht, den ich kaum auszusprechen wage: Machen viele Frauen das in Wahrheit längst mit ihren Männern? Ups. Und was tun diese Männer dann im Gegenzug? Autsch!

In Firmen kann man bestimmte Arbeiten auch delegieren. Wer das gut kann, verfügt über ein begehrtes Soft Skill. Wer sich damit aber immer nur vor der Arbeit drückt, hat etwas anderes, nämlich bald ein Problem! Ausnahmen sind möglich und werden angeblich von schlechten Chefs für sich beansprucht. Aber Vorsicht! Auch solch ein Chef muss irgendwann ein Arbeitsergebnis liefern, sonst ist er selbst geliefert. Manchmal schätzt der Untergebene die Leistung seines Chefs ganz anders ein, als dessen Chef es tut – und nicht immer ist klar, wessen Einschätzung eher zutrifft! Manch ein Delegieren gehört nämlich einfach zu seinem Job. Ob Chef oder nicht, wer lange damit durchkommt, dass er sich stets um unliebsame Arbeit drückt, der muss irgendetwas haben, was ihn schützt. Und wenn ich den Drückeberger nicht leiden kann, werden meine Vermutungen, was oder wer ihn schützt, schnell biestiger. Die berühmte Leiche im Keller ist es in Wahrheit aber selten.

In der Politik kümmern sich Delegierte unter anderem darum, für uns Regeln zu ersinnen. Ich meine hier die Delegierten des Volkes, also unsere Politiker. Diese Leute haben wir selbst delegiert, auch wenn der, den ich gewählt habe, vielleicht gar nicht zum Zuge kam, sondern der, den die blöden Nachbarn gewählt haben. Oder irgendwelche Gremien, die jemand zusammengestellt hat, wer auch immer dieser „Jemand“ ist. So funktioniert Demokratie. Zum Glück!! Gut, diese Leute formulieren also in unserem gemeinsamen Auftrag die Regeln. Nicht vergessen: Keiner von denen bringt ein Gesetz nur auf den Weg, weil ihm langweilig ist. Auch wenn es so hier und da danach aussehen mag!

Meistens läuft es so: Jemand oder eine Gruppe von Leuten beschwert sich vehement darüber, dass etwas nicht oder nicht gut geregelt ist. Irgendwann landet das Anliegen bei den Delegierten. Und deren Job ist es, eine Lösung zu finden. Und zwar eine Lösung, die immer noch gut ist, wenn man sie anschließend über allen auskippt, sie also für alle gültig wird. Das ist nicht leicht, schließlich gelten ja schon ganz viele Regeln. Ich habe übrigens höchsten Respekt vor denen, die solche Lösungen dann in gerichtsfeste Texte, also in Verordnungen oder Gesetze gießen. Klar geht das auch mal schief, und dann lachen alle darüber, was die vermeintlichen Idioten jetzt schon wieder verbrochen haben. Ich bin selbstverständlich auch eine von denen, die die Finger ungläubig an die Stirn legen und sich über manche Regeln wundern.

Ganz ohne Regeln wären wir alle nicht zufrieden. Da würde ja jeder machen, was er will. Also nicht nur ich, sondern andere auch. So geht das natürlich nicht! Unverschämt! Da müsste mal einer kommen und sich darum kümmern, dass der andere nicht einfach tut, was er will!! Für mich gilt das alles natürlich nicht so konsequent. Bei mir ist das selbstverständlich etwas anderes, ich weiß ja schließlich, was ich da mache und gehe super verantwortungsvoll vor. Immer! Oder? Wo kommen wir denn hin, wenn ich zu allem Überfluss auch noch ständig prüfen soll, ob ich das überhaupt darf!?! Davon ist noch nie etwas erledigt worden!! Es ist wie bei Paaren, bei denen man sich fragt, wieso die eigentlich noch zusammen sind. Miteinander läuft es nicht, und ohneeinander läuft es erst recht nicht.

Im Laufe der Zeit haben sich leider recht viele Regeln angesammelt. Ich kann sie gar nicht alle kennen, aber im Groben weiß ich schon, was ich darf. Manchmal wundere ich mich darüber, was andere so dürfen – oder zu dürfen scheinen? Der gesunde Menschenverstand hilft: Je mehr Leute über so etwas wie diesen gesunden Menschenverstand verfügen, desto weniger Klagen kommen auf und desto friedlicher geht es zu.

Neulich habe ich herausgefunden, dass es einen Normenkontrollrat gibt. Schon seit vielen Jahren! Was ist das denn? Mit DIN, EN und ISO hat er nichts zu tun. Dafür aber mit Bürokratie. Er prüft zum Beispiel die Schätzungen der Ministerien, welche Kosten durch Regelungen und Gesetze verursacht werden und welchen Nutzen sie haben. Dieser Rat hat wohl tatsächlich signifikant zum Bürokratieabbau beigetragen. Ich bin erstaunt. In meiner kleinen Welt nehme ich nämlich deutlicher wahr, wenn etwas hinzukommt und wenn etwas komplizierter wird, als wenn sich etwas verbessert. Wird etwas plötzlich schnell und einfach, nehme ich es auch schnell und einfach gar nicht erst wahr.

Ich konzentriere mich lieber wieder aufs Delegieren. Und dann finde ich heraus, dass es eine Interpassivität gibt. Und ich grusele mich! Interpassivität bedeutet nämlich, eigene Handlungen und Empfindungen an äußere Objekte zu delegieren. Solch ein äußeres Objekt kann auch ein anderer Mensch sein. Und solch eine Empfindung kann ja auch ein Genuss sein. Wenn das so ist, kann Interpassivität bedeuten, einen Genuss zu delegieren.

Ja, soweit kommt’s gerade noch! Teilen, okay, aber Genuss delegieren? Was soll das denn? Ich muss in die Küche! Dringend. Sofort! Persönlich!!

Schreibe einen Kommentar