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Der Esel hilft da gerne

Bei uns in der Nähe gibt es eine Mühle und dort leben ein paar Esel. Ich könnte stundenlang zugucken, wie sie ihre großen Ohren so lustig in alle Richtungen drehen. Manchmal auch jedes für sich in eine andere Richtung! So stehe ich da, glotze die Tiere an und fühle mich in ihr Leben ein.

Zuerst bin ich ein bisschen neidisch, denn sie müssen scheinbar nichts, als sein. Da kümmert sich irgendjemand um ihr Futter, diese hier bei der Mühle müssen noch nicht mal arbeiten, und doch: Ich möchte auf keinen Fall mit ihnen tauschen. Ich liebe mein Leben! So, wie es ist!!

Als bekennende Warmduscherin mag ich ein warmes, gemütliches Heim, abwechslungsreiche Kost für Körper und Geist, Bequemlichkeiten überall. Darin habe ich mich gut eingerichtet, das möchte ich eher noch ausbauen. Dafür gehe ich auch gerne arbeiten. Zum Glück mag ich meinen Beruf und muss mich nicht quälen, um ihn auszuüben.

Zurück zum Esel. In unserer Sprache muss er immer wieder für alles Mögliche herhalten. Die plüschigen, großen Ohren werden zum Beispiel schnell zu vorwurfsvollen Eselsohren. Sobald jemand mit seinen Büchern nicht pfleglich umgeht und die Buchseiten an den Ecken umknicken, sich gar ein Falz ausbildet, der das aktuell in meinen Händen liegende Buch unwiederbringlich verschandelt, kriege ich die Krise! Und wenn es um mein Buch geht, das jemand anders mit Knicken an den Seiten verschandelt hat, dann läuft er auch Gefahr, dass ich ihm keines meiner Bücher mehr aushändigen werde. Mein Respekt vor dem Inhalt drückt sich auch in meinem Umgang mit der Form aus, unabhängig davon, ob ich den Inhalt nun toll finde, oder nicht – und ich bin so eine Pedantin, die das auch von anderen erwartet. Allein die Erwartung birgt sogleich auch die Enttäuschung, ich weiß. Muss ich da jetzt an mir arbeiten?

Eselsohr? Für mich sieht der Knick in der Buchseite so gar nicht aus, wie das lange Ohr eines Esels. Vielleicht rührt der Name eher vom Gebrauch des Wortes Esel als Schimpfwort. Und jetzt guck Dir doch mal diese Ohren an, dieses hübsche Tier! Wie kann man bloß jemanden einen Esel schimpfen?

Angeblich ist der Esel an sich dumm, ein Tor, auf jeden Fall stur, mindestens störrisch. Hat er das wirklich verdient? Ist die eigentliche Eselei nicht unsere Fehleinschätzung des gemeinen Esels?

Während ein Pferd unter Stress flüchtet, hält der Esel inne. Die Starre, in die er verfällt, verstärkt sich mit zunehmendem Stress. Anschreien oder Schlagen hilft also nicht, wenn man einen Esel zum Weiterlaufen bewegen möchte. Und das ist gut so! In steinigem Gelände oder gar auf steilen Pfaden bietet der aufmerksame Esel viel mehr Schutz. Sowohl für sich als auch für seinen Begleiter oder seine Last. Während das Pferd davonrennt, womöglich stürzt und sich verletzt, prüft er in Ruhe seinen nächsten Schritt. Ihm ist es egal, ob wir ihn für dumm halten. Bei den Bremer Stadtmusikanten ist es der Esel, der klar erkennt: „Etwas Besseres als den Tod findest Du überall“. Die anderen Tiere folgen seiner Idee und gemeinsam ziehen sie los, um in Bremen Stadtmusikanten zu werden. Und wer ist da am Ende jetzt eigentlich dumm?

Mal taucht der Esel als Goldesel, mal als Packesel auf, und über so manche Brücke hat er mich auch schon gebracht. Zwischen dem Wissen klafft eine Lücke, und was mir dann hilft, ist die Eselsbrücke!

Bei Wikipedia lerne ich, dass Esel sehr wasserscheu sind. Sie können durch die spiegelnde Wasseroberfläche nicht erkennen, wie tief zum Beispiel der Bach ist, der ihnen da gerade den Weg versperrt, und so weigern sie sich, hindurchzuwaten. Eine kleine Brücke, und schon ist das Problem gelöst. Und so ähnlich verhält es sich mit Dingen, die wir uns schlecht merken können.

„Drei, drei, drei bei Issos Keilerei“ ist allerdings ein Beispiel für eine völlig sinnentleerte Eselsbrücke. Dieser Merkspruch liegt seit meiner Schulzeit nutzlos in meinem Hirn herum. Er funktioniert zuverlässig, auch wenn ich aus dem Tiefschlaf hochschrecke und mir jemand einfach nur die Zahl 333 an den Kopf wirft. Leider habe ich mir aber auch damals schon nicht gemerkt, wer sich da im Jahre 333 v. Chr. in der Nähe von Issos die Köpfe eingeschlagen hat, und schon gar nicht, worum es dabei eigentlich ging.

Ich gucke also nach, vielleicht gelingt es mir ja heute, mir etwas mehr darüber zu merken. Alexander der Große hat sich damals mit den Persern gekloppt. Das offizielle Motiv: 150 Jahre davor hatten die Perser vor allem in Athen große Zerstörungen angerichtet, und jetzt sannen die Makedonier unter Alexander auf Rache. Ich denke, Alexander brauchte vor allem eine Rechtfertigung für weitere Eroberungen, schließlich träumte er von der Weltherrschaft. Am Ende hat er die Keilerei gewonnen und ist weiter in Richtung Ägypten gezogen. Es muss ein fürchterliches Gemetzel gewesen sein. Die Schlacht läutete den Untergang des ersten persischen Großreichs ein. Der noch recht junge Alexander starb dann zehn Jahre später und für einen Feldherren eher unspektakulär, wahrscheinlich an Malaria.

Andere Eselsbrücken funktionieren bei mir besser, vor allem vollständiger. Und diese hier ist in mir so fest verankert, dass es schon nicht mehr schön ist: Immer, wenn ich einen Wasserhahn auf- oder zudrehe, male ich mit dem Zeigefinger ein kleines a oder ein kleines z in die Luft. Und zwar, nachdem ich es schon ausgeführt habe, also nachdem ich den realen Wasserhahn schon bedient habe. Wirklich immer!! Wie blöd ist das denn?!? Klar weiß ich, in welcher Richtung ich drehen muss, ich habe es ja auch gerade wieder gemacht! Das ist komplett automatisiert, da denke ich eigentlich nie aktiv drüber nach. Aber es hilft mir nicht, ich muss es einfach tun. Und wenn mich einer beobachten kann, dann male ich es eben unauffällig auf die Hose, in die Hosentasche oder hinters Ohr.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Mauro und Gianna

    Danke 🙏🏻🙏🏻
    Wieder mal eine sehr spannende Geschichte, und
    Esel sind übrigens wirklich sehr schöne Tiere!

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