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Der Schlag ist fertig

Alle wussten es, außer mir! Man sagt mir nach, schlagfertig zu sein. Aber das ist natürlich Quatsch – finde ich jedenfalls. Ja, ich habe ein loses Mundwerk. Gut, mir fallen manchmal auch Antworten ein, die andere Menschen verblüffen. Nicht, weil diese Antworten so toll sind, sondern eher, weil sie eben überraschend kommen, sich nicht immer nur streng auf eine soeben gestellte Frage beziehen und dieser mit aller gebotenen Ernsthaftigkeit eine erhellende Entgegnung bieten.

Schlagfertigkeit. Was soll das? Kann man das essen? Wozu ist das gut? Ist das immer gut? Welchen Preis muss ich dafür zahlen?

Schnell, treffend, oft witzig, kommt die Schlagfertigkeit zum Einsatz, manchmal auch als Reaktion auf einen sprachlichen Angriff. Und dann ist zugleich Vorsicht geboten, denn ich will ja niemanden beleidigen. Aber genau das kann mit einer schlagfertigen Antwort schnell passieren. Sie wirkt dann tatsächlich wie ein Schlag. Mitten ins Kontor. Und sie macht fertig: zuerst den anderen, dann mich selbst.

Otto von Bismarck, Franz-Josef Strauß, Herbert Wehner, Winston Churchill – die waren als schlagfertig regelrecht berüchtigt. Keiner von denen möchte ich sein, und zwar aus – Gründen!

Ich finde mich total harmlos, will nur spielen und niemandem etwas zuleide tun. Mir dient die Schlagfertigkeit eher zur Unterhaltung. Viele Witze leben von ihr. Sie hilft mir, wenn es um ein souveränes Herunterspielen peinlicher Zwischenfälle oder provokanter Fragen geht. Und ich nutze meine Schlagfertigkeit als Mittel zur Fortsetzung einer Kommunikation, die sonst an diesem Punkt wohl abgerissen wäre.

Kopf auf, Satz raus – Autsch! Diese Kette will ich vermeiden! Aber natürlich gelingt das nicht immer, und dann muss ich zurückrudern, meinen Spruch relativieren und mich entschuldigen. Wer mich kennt, vertraut zu meinem großen Glück bald darauf, dass ich sowieso nichts Böses im Schilde führe. Und deshalb darf ich auch mal einen flotten Spruch raushauen, den man sonst besser runterschlucken sollte. Da verzeihen mir die Menschen sogar eine ordentliche Portion Ironie. Danke!

Wie so oft in letzter Zeit, gibt es heute mal wieder einen Spaziergang in kleinstem Kreis. Wir laufen also draußen rum und unterhalten uns. Heute findet das an einem kleinen See statt. Bei solchen Spaziergängen entstehen manchmal auch ein paar Fotos, und die schicken wir uns dann im Nachgang gegenseitig zu.

„Mein Mann fotografiert mich immer, wenn ich hässlich aussehe!“, dringt es plötzlich laut und glockenhell an mein Ohr. Der Mann der Beschwerdeführerin guckt ungläubig überrascht und steckt das Smartphone mit dem soeben aufgenommenen Bild flugs wieder ein. Automatisch öffnet sich mein Mund, ich höre mich sagen: „Da muss er sich schon anstrengen und ein großer Künstler sein, denn das kommt ja nicht so oft vor!“

Hui, das war knapp … Natürlich weiß ich, dass hier nicht gleich die ganze Ehe auf dem Spiel steht, aber die Anschuldigung war mit großer Vehemenz und so überzeugend vorgetragen worden, dass meine eigene Harmoniesucht jetzt nichts anderes zulässt, als den armen Fotografen sofort in Schutz zu nehmen. Das folgende, allgemeine Gelächter ist mein Lohn. Alle sind immer noch fröhlich und ich weiß genau: Das wären sie jetzt auch ohne meinen Spruch noch. In Wahrheit hätte ich niemanden verteidigen müssen. Vielleicht haben sie mich auch nur ausgelacht, weil klar war, dass hier niemand in die Bresche springen muss. Egal, ich kann nicht anders!

Wir laufen weiter um den See herum, an dessen Ufer ein kleines Schloss steht. Entzückt entdecken wir, dass es dort geöffnete Toiletten gibt. Das ist zu diesen Zeiten echt eine Attraktion! Seit Lockdown Nr. 1 sind nämlich die meisten öffentlichen Toiletten im Umkreis geschlossen. Schon aus der Ferne kann ich anhand der Länge der Schlangen erkennen, welche der beiden Türen zur Damentoilette führt. Gitti sagt sogleich: „Da ist aber eine Schlange. Ich will da nicht anstehen.“ Die Beschwerdeführerin von gerade eben antwortet: „Du kannst ja auch warten.“ „Bis die Schlange weg ist?“, frage ich.

Gitti guckt not amused und möchte lieber weiterlaufen. Wir finden bald noch etwas, das geöffnet ist, und zwar einen kleinen Kiosk. Dort erstehen wir Eis und lassen uns damit auf einer der umstehenden Bänke nieder. Äußerlich versinke ich ganz in den kühlen Genuss. In mir läuft ein anderes Programm. Ich denke an Situationen, in denen mir schlagfertige Sprüche entglitten sind. Wie zum Beispiel die Mittagspause vor ein paar Jahren, als ich einträchtig mit den Kolleginnen zusammensaß. Jede mümmelte ihr Brot und wir redeten dummes Zeug. Die jüngste und zugleich dünnste Kollegin im Bunde griff plötzlich energisch in die straffe Haut über ihrem Hosenbund und versuchte, die vermeintliche Fettrolle kräftig nach außen zu ziehen. Dazu garnierte sie ein kaum hörbares „Autsch!“ und ein frustriertes, leicht angewidertes Gesicht – und mir entfuhr ein: „Um Himmels Willen, lass es endlich sein! Das ist kein Fett, das sind Organe!!“

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Mauro und Gianna

    🙈🙈😂😂 Du bist einfach genial so wie du bist,
    darum lieben wir dich und deine Schlagfertigkeit,
    aber auch die Zeit mit dir und mit Gitti!
    Danke dafür, und für das viele gemeinsame
    Lachen 🙏🏻🙏🏻

  2. Biggi

    Dank Dir auch für die tolle Story, die mich sofort schmunzeln lässt und einem auch zu denken gibt… Birgit

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