Nachbar Hubsi hegt schon lange einen großen Wunsch. Als erfolgreicher Heimwerker kennt er sich mit Technik aus. Selbstsicher würde er seinen Umgang mit Werkzeugen aller Art sicher selbst als in höchstem Maße virtuos bezeichnen. Geräuschvoll darf es gerne zugehen, denn das sichert ihm die ungeteilte Aufmerksamkeit seiner hoffentlich zahllosen Bewunderer. Seine Frau Henni übernimmt es klaglos, die Beschwerden der Nachbarschaft entgegenzunehmen und mit ihrer verbindlichen Art irgendwie wegzulächeln.
Hubsi baut und schraubt derweil fleißig in und an seinem Haus herum. Reparaturen nimmt er stets selbst vor. Gas ist das einzige Medium, welches unserem Hubsi so viel Respekt abnötigt, dass er zertifizierte Handwerker Hand anlegen lässt. Wenn solch ein Gasspezialist einmal sein Haus zu betreten trachtet, leidet Hubsi Höllenqualen. Diese Art von Hausbesuch kommt für Hubsi einer großen Demütigung gleich. Um sein unendlich großes Leid zu lindern, nutzt Hubsi die Situation wenigstens dazu, sich kritisch fachsimpelnd in das Werk des fremden Handwerkers einzubringen. Ein längerer Vortrag über seine eigenen Fähigkeiten und Erfahrungen darf dabei nicht fehlen. Hubsi muss sich unbedingt Respekt verschaffen und Herr der Situation bleiben.
Wenn Nachbar Hubsi werkend wirken kann, fühlt er sich gut. Niemand darf unbedacht flapsig behaupten, er würde herumwerkeln. Das käme einer großen Beleidigung gleich. Hubsi kann vieles, und Henni hofft insgeheim darauf, dass er seine Grenzen kennt und respektiert – nicht nur in Bezug auf Gas.
Gas? Da war doch was! Genau! Hubsi hegt einen großen Wunsch, und über diesen Wunsch habe ich noch gar nichts berichtet.
Hubsis Wunsch hat etwas mit Gas zu tun. Nicht mit Erdgas, sondern mit Gas geben. Hubsi möchte sich nämlich auch auf der Straße beweisen. Autofahren mag er, gerne auch schnell. Am liebsten bringt er den Wagen und sich selbst an Grenzen, also sowohl an die Grenzen des Wagens als auch an seine eigenen. Aber da gibt es noch etwas Besseres. Etwas, das ihn mehr Fahrtwind spüren lässt, sein Gefühl für die Straße, seine Fahrkünste und zugleich seine handwerklichen Fähigkeiten noch mehr herausfordert, als jede nur vorstellbare Baustelle rund ums Haus es vermag.
Hubsi möchte so gerne ein Motorrad erwerben.
Henni ist alarmiert. Sie gönnt ihm ja seinen Spaß, aber jetzt geht er wirklich zu weit. Henni sorgt sich um ihren Hubsi.
Es folgen mehrere Jahre, in deren Verlauf das Paar immer wieder kontrovers über den Erwerb eines Motorrades diskutiert. In schöner Regelmäßigkeit keimt das Thema spätestens im Frühling auf, steigert sich bis in den Frühsommer, ebbt im Herbst deutlich ab und ruht im Winter.
Vielleicht wäre ja ausgerechnet der diskussionslose Winter die beste Jahreszeit, um ein Motorrad für den guten Hubsi zu kaufen. Sicherheitshalber würde er es nämlich zunächst komplett zerlegen. Er würde alle Teile einer gründlichen Wartung unterziehen, und bis zum Start der von ihm heiß ersehnten Motorradsaison würde Hubsi die Maschine wieder vollständig zusammensetzen, auf Hochglanz polieren und zum Laufen bringen. In seinen Träumen hört Hubsi schon, wie sein metallenes Baby surrt, wie der Auspuff satt blubbert und wie Henni ihn für sein Wunderwerk lobt.
Henni dagegen graust es jetzt schon vor dem Tag, an dem Hubsi aufsitzt und sich ins Unglück stürzt.
Kürzlich hat Hubsi einen neuen taktischen Schachzug ausprobiert, und den erlebt sie so: Henni und Hubsi gehen Shoppen, und wie zufällig schauen sie zum Abschluss noch bei einem „Kollegen“ vorbei, den Henni noch gar nicht kennt. Der Kollege zeigt ihnen sein Motorrad. Zu dritt bilden sie ein geschlossenes Dreieck um die Maschine herum. Hubsis Augen leuchten so hell, dass Henni das Motorrad im Gegenlicht kaum noch erkennen kann.
Henni riecht den Braten sofort.
Der potentielle Verkäufer bombardiert Henni mit Komplimenten und preist nun ausgerechnet ihr das Motorrad an – in den höchsten Tönen, versteht sich.
Das haben Hubsi und der „Kollege“ sich ja fein ausgedacht. Aber nicht mit ihr!!
Henni sucht nach einem guten Ausweg. Und dann fällt ihr ein: Letztes Jahr ist Hubsi ein schwerer Fehler unterlaufen. Da hat er volltrunken eine despektierliche Bemerkung fallen lassen, die sie ihm niemals verzeihen wird. Die Bemerkung bezog sich auf ihr wohlgeformtes Hinterteil. Das wird er ihr büßen! Heute!! Jetzt!!!
Mit zuckersüßer Stimme und einem gewinnenden Lächeln wendet Henni sich an den „Kollegen“. Sie wählt ihre Worte bewusst so, wie der volltrunkene Hubsi es einst tat, und sie legt all ihre Autorität in die nun folgende Aussage:
„Mein Arsch ist zu fett für das Ding!“
Wenig später verlassen ein bedripster Hubsi und eine überaus fröhliche Henni den unbekannten „Kollegen“, der verlegen sein Motorrad streichelt und es nun anderweitig zu veräußern gedenkt.
Insgeheim klopft Henni sich auf die eigene Schulter. Diese Runde ging eindeutig an sie. Diesen Kauf konnte sie erfolgreich vereiteln. Hubsi schraubt seither wieder geräuschvoll am Haus herum – zumindest bis zur nächsten Runde.
Herrlich erzählt. ja so geht Beziehung 🙂 LG
Den Spruch muss ich mir merken! 😉 😉