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Feiner Staub im Hirn

Gitti raschelt laut vernehmlich mit der Zeitung, räuspert sich und erzählt mir von erstaunlichen Erkenntnissen. Da hat sie doch gerade in dem raschelnden Papier eine Geschichte entdeckt, die uns beide nun eine ganze Weile lang beschäftigen wird.

Es geht um Staub. Nicht um den, den wir mitunter verbal aufwirbeln, sondern um feinen Staub. Ganz feinen Staub. Wir wissen ja schon, dass sieben Mal Sieben nicht nur 49 ergibt, sondern mitunter auch feinen Sand. Ganz feiner Sand ist Staub, ganz feinen Staub nennen wir Feinstaub. Der belastet bekanntlich unsere Umwelt, aber auch uns. Schon lange haben wir anerkannt, dass Feinstaub unserer Gesundheit eher abträglich ist.

In dem Artikel, den Gitti eben gelesen hat, geht es vor allem um erstaunliche Zusammenhänge. Wirtschaftsforscher haben nämlich nun Wetter- und Emissionsdaten mit Kriminalitätsdaten verglichen. Wahrscheinlich aus Gründen. Vielleicht haben sie auch nur bei schlechtem Wetter oder schlecht gekleidet zu viel getrunken und überlegt, was man noch so alles untersuchen könnte. Einfach mal so, weil die Luft so trocken und das Glas schon wieder leer ist. Denkbar sind auch ganz andere Szenarien und Motivationen. Gitti und ich sind sofort versucht, abzuschweifen und uns genüsslich vorzustellen, wie die Forscher auf die Idee kamen, genau diese Daten miteinander in Beziehung zu setzen. Wie gerne würden wir uns jetzt ganz tief in den Ablauf des Forschungsprojekts einfühlen und uns ausmalen, was alles vor diesem Artikel passiert ist!

Wir reißen uns jedoch zusammen und widmen uns zunächst den Kernaussagen des Artikels. Mit steigendem Feinstaubniveau steigt die Kriminalitätsrate. Der Effekt lässt sich wohl bereits bei relativ geringen Konzentrationen feststellen. Das gilt also für Stadt und Land gleichermaßen. Schon ein geringer Anstieg des Feinstaubanteils in der Luft zieht einen signifikanten Anstieg an Straftaten nach sich. Wir erfahren, dass die Forscher eine Reihe anderer Einflussfaktoren herausrechnen konnten. Mit anderen Worten: Sie konnten andere Einflüsse vom möglichen Einfluss des Feinstaubs sauber unterscheiden.

Gitti und ich gucken uns zweifelnd in die Augen. Warum eigentlich kommt uns das alles auf den ersten Blick so abwegig vor? Wir beschließen, uns mit einer gewissen Offenheit zu rüsten, bevor wir alles spontan in der Luft zerreißen. Wie belastet diese Luft gerade auch sein mag …

Die kriminellen Machenschaften der Menschen sollen also etwas mit der Qualität der Luft zu tun haben, die diese Menschen umgibt. Ui!

Schlechte Luft macht die Lungen dicht. Um sich quasi wieder Luft zu verschaffen, unternehmen die Leute die abenteuerlichsten Dinge. So einfach? Wir zweifeln immer noch.

Nächster Ansatz: Feinstaub beeinflusst den Hormonspiegel. Das lesen wir hier nicht zum ersten Mal, also schenken wir diesem Zusammenhang schon einmal Glauben. Der Rest erschließt sich dann auch schon viel leichter. Hormone wirken aufs Gehirn. Unser Verhalten ist mitunter hormongesteuert. Nicht immer finden Gitti und ich das blöd. Aber in diesem Fall finden wir das sogar „ganz arg sehr blöd“, wie wir uns gegenseitig schnell versichern.

Ein leiser Zweifel bleibt Gitti und mir allerdings erhalten. Uns kommt der Effekt so groß vor – für ein bisschen Staub. Dann fällt Gitti ein, dass es im richtigen Leben manchmal nicht wirklich viel braucht, um Leute zum Ausrasten zu bringen. Jetzt sitzen wir ratlos und schweigend da.

Nach einer Weile beginnen wir, mit dem Zusammenhang zu spielen. Wir lassen unserer Fantasie freien Lauf.

Gittis Mundwinkel verziehen sich schließlich ein wenig spöttisch nach oben. Und dann bohrt sie ihren Blick in den meinen, plustert sich ordentlich auf und legt los: „Ich war im Stuttgarter Talkessel und habe geatmet!“, wirft sie mir entgegen. Dann legt Gitti eine kleine Kunstpause ein. Ich verkneife mir derweil ein Lachen. Gitti fährt fort: „Jedenfalls habe ich es versucht. Und dann war ich wie benebelt. Postmenstruell und voll des feinen Staubes war ich all meiner Sinne beraubt. Und dann habe ich der Frau einfach die schöne Handtasche entrissen und bin mit schmerzenden Lungen dem tosenden Inferno des Talkessels entronnen. Glaube mir, ich bin unschuldig!!“

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