Die weitläufige Hotelanlage, in der wir gerade residieren, verfügt über mehrere Pools. Dort stehen Liegen mit dicken Auflagepolstern, und es gibt auch diverse Sonnenschirme. Manche der Liegen stehen direkt am Beckenrand, andere bieten einen unverstellten Blick auf Strand und Meer. Wieder andere stehen so herum, dass man den auf der Terrasse flanierenden Menschen zusehen kann, falls man Freude daran findet. Man findet immer einen Platz.
Dennoch: Bereits am frühen Morgen geht die Reservierungswelle los. Viele der Männer, ob nun auf eigene Veranlassung hin oder von ihren Frauen losgeschickt, müssen die vermeintlich besten Plätze mit Handtüchern oder sonstigen Utensilien belegen. Danach ist es ganz lange still am Pool. Nur vereinzelt drehen schwimmbegeisterte Menschen schon ihre frühen Runden.
Ein paar unserer Urlaubstage verbringen Gitti und ich tatsächlich mal vorwiegend am Pool. Immer spontan, meistens erst ab dem späteren Vormittag und selbstverständlich ohne Reservierung. Wir liegen herum. Zeitweise einfach so, zwischendurch auch lesend, rätselnd oder spielend. Immer mal wieder gilt es, den Sonnenschirm oder die Liegen zu verschieben, um unsere Körper ausreichend gut beschatten zu lassen. Ab und zu gibt es eine kleine Erfrischung. Die meiste Zeit über sind maximal ein Drittel der Liegen tatsächlich mit Menschen belegt. Der Rest wird von den Reservierern für durchschnittlich eine einzige Stunde am Tag aufgesucht. Aber in dieser Stunde muss es genau dieser Platz sein! Ich seufze leise vor mich hin. Zum Glück weiß ich, dass wir es hier nicht mit einem rein deutschen Phänomen zu tun haben, in dem Fall würde ich mich noch mehr fremdschämen!
Im Restaurant beobachten wir, dass die Leute sich gerne einen Platz aussuchen, an dem sie dann möglichst immer sitzen. Morgens und abends. Mittags sind wir nicht dabei, über den zu dieser Zeit geltenden Sitzplan kann ich nur Vermutungen anstellen. Eine ältere Dame mit kunstvoll toupiertem weißem Haar sitzt Tag für Tag mit ihrem Mann am gleichen Tisch – und ist am Pool natürlich auf der immer gleichen Liege zu finden. Gitti findet, dass die Frisur der Dame so aussieht, als trüge sie eine weiße Fellmütze. Bereits aus weiter Entfernung ist sie gut zu erkennen, und ich flüstere Gitti ab dem dritten Tag stets zu: „Guck mal Gitti, das Mützchen sitzt schon da.“ Gitti und ich tauschen dann ein Grinsen aus, um im Vorbeilaufen grüßen wir selbstverständlich freundlich. Mützchen und ihr Mann erwidern unseren Gruß bald regelmäßig.
Eines Abends fehlen Mützchen und ihr Mann. Der Tisch bleibt verwaist. Sind die Herrschaften abgereist? Offensichtlich haben wir uns an deren Gewohnheiten und Bewegungsmuster auch schon gewöhnt. Dabei ist gerade mal eine knappe Woche um!
Am nächsten Morgen entdecke ich Mützchen wieder. Gitti freut sich auch darüber, sie zu sehen. Und so grüßen alle einander, sprechen aber wie gewohnt kein weiteres Wort miteinander. Vielleicht, so mutmaßen wir beim Frühstück, haben Mützchen und ihr Mann ja gestern im japanischen Restaurant diniert, das dem Hotel angegliedert ist.
Im japanischen Restaurant haben auch wir einen Platz ergattert, allerdings erst ein paar Tage darauf. Dort winkt ein Teppanyaki-Erlebnis. Mit anderen Worten: Wir Gäste sitzen um den Koch herum. Er steht in der Mitte. Zwischen ihm und uns sind Edelstahlplatten in den Tisch eingelassen. Auf diesen heißen Platten bereitet er nun so allerlei Gerichte zu. Natürlich sorgt er auch für ein paar Show-Effekte. Riesen-Garnelen und auch andere Dinge werden hier direkt vor unseren Augen gegrillt und mit großer Geste flambiert. Selbst das Aufschlagen von Eiern wird zur spannenden Jonglage-Nummer, bei der die Eier durch die Luft fliegen, bevor sie auf dem Rücken eines breiten Messers landen und dann dort sitzen, als handle es sich um kleine Vögel, die auf einer Hochspannungsleitung schaukeln. Der Koch versteht es, uns gut zu unterhalten, aber vor allem versteht er es, uns mit leckeren Speisen zu verwöhnen.
Noch Tage später schwärmen Gitti und ich uns gegenseitig von diesem Erlebnis vor. Und auch jetzt sorgt die Erinnerung daran dafür, dass mir das Wasser im Munde zusammenläuft.
Gitti und ich entwickeln natürlich ebenfalls Muster, an die wir uns sehr schnell gewöhnen. In einigermaßen regelmäßigen Abständen von jeweils zwei oder drei Tagen wandern wir am Strand entlang zur etwa fünf Kilometer vom Hotel entfernt gelegenen Eisdiele. Gitti liebt den Erdbeerbecher, den sie dort servieren, und ich komme nicht um die Sorten Haselnuss und Zitrone herum. Binnen weniger Besuche bin ich in der Lage, meine Bestellung in der Landessprache aufzugeben. Mir ist das wichtig, denn so kann ich meinen Respekt zum Ausdruck bringen, den ich vor den Menschen habe, die hier leben und arbeiten. Sie scheinen sich darüber zu freuen, und das wiederum bereitet mir selbst auch Freude. Win-win!
Manchmal macht Gitti dann ein Foto von ihrem schönen Eisbecher. Dahinter bin meistens ich zu sehen. Jedes Mal wirkt es so, als wäre ihr Erdbeertraum mein Eis. Durch die Perspektive wirkt der Becher zudem viel größer, als er ist. Und ich damit viel verfressener, als ich bin! An einem Tag verschickt Gitti ein paar dieser Fotos an Freunde. Den aufmerksamen Empfängern entgeht nicht, dass ich unterschiedliche Shirts trage. Sie fragen nach, ob ich mich schnell umgezogen habe, oder ob wir etwa jeden Tag zum Eistempel pilgern.
Nur kein Neid, ich werde Euch Euren Urlaub demnächst auch von Herzen gönnen!!!
So schön, die Erinnerungen an die Urlaubstage, an eine schöne entspannte und genussvolle Zeit 🥰.
Die Feststellung, dass die Menschen ihre Gewohnheiten pflegen, erinnert einen selbst an die eigenen gewohnten Handlungen! Wenn sich etwas so schön und sicher anfühlt, will man es festhalten oder immer wieder tun.
Schön, dass es Urlaubstage gibt, die wir auch gerne wiederholen!
Danke für das Teilen!