Draußen ist es kalt, drinnen dagegen muckelig warm. Tina wird uns heute besuchen, sie hat die S-Bahn schon bestellt und scheut weder Wind noch Schnee. Der bloße Blick nach draußen lässt mich frösteln. Zurzeit sitze ich noch im Arbeitszimmer, kümmere mich um meine Homeoffice-Sachen und freue mich schon auf den Abend. Gitti werkelt bereits in der Küche. Über die Hauptspeise weiß ich schon Bescheid, über den Rest hat Gitti sich nicht ausgelassen. Ich bin schon gespannt.
Am Ende meines Tagewerkes geselle ich mich zu Gitti in die Küche. Durch das ganze Haus zieht bereits ein herrlicher Duft. Gitti freut sich, dass ich endlich da bin, um ihr zur Hand zu gehen. Zum Steak soll es einen leckeren Salat geben. Gitti wünscht sich von mir ein passendes Dressing. Es gibt Kopfsalatherzen. Also vermenge ich kurzerhand einen gut gefüllten Teelöffel Dijonsenf mit Blutorangensaft und Öl, würze mit Salz und Pfeffer und schneide anschließend noch eine Frühlingszwiebel klein, die mein Dressing abrundet.
In dem großen Topf, der hinten auf dem Herd steht, versteckt sich eine geheimnisvolle Vorspeise. Gitti lüftet den Deckel. Der herrliche Duft, der meinen Weg in die Küche schon begleitete, holt nochmal Schwung und umwabert meine Sinne. Ah, Suppe, lecker! Das passt prima zum Wetter. „Was ist da alles drin?“, möchte ich wissen. Gitti reicht mir zufrieden einen Löffel und lässt mich probieren. Ich soll selbst herausfinden, was sie da gemacht hat.
Die Suppe hat die Konsistenz von Eintopf, sie ist pikant. Ich schmecke Paprika heraus und frage mich, ob das etwas mit dem Ratatouille zu tun hat, das wir gestern auf dem Tisch hatten. Kokossahne und Ingwer runden den feinen Geschmack ab. Woher aber kommt das erdige Element? Was gab es bei uns in den letzten Tagen noch zu essen? War da noch ein Rest von Kartoffelpüree? Gitti bestätigt meine Vermutungen. Ich könnte jetzt schon kopfüber in den Topf eintauchen und alles aufessen.
Mit einer schnellen Bewegung entnimmt Gitti der Gemüseschublade etwas, wirft die Tür des Kühlschranks schwungvoll wieder zu und wedelt anschließend mit frischem Koriander vor meiner Nase herum. Sogleich greift sie mit dem anderen Arm um mich herum und operiert aus dem Schubwagen hinter mir ein Glas mit gerösteten Sesamkörnern heraus, hält es bedeutungsschwanger hoch und stellt es dann auf der Arbeitsfläche ab. „Damit darfst Du später dekorieren!“, lässt sie mich wissen. Es folgt die Bitte: „Kannst Du mir noch Knoblauch kleinschneiden? Den möchte ich anrösten und dann beim Servieren über die Suppenteller streuen.“ Klar, Schnibbelinchen ist mein dritter Vorname. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Leider verschließt Gitti den Suppentopf wieder mit dem Deckel.
„Zu Steak und Salat hätte ich gerne noch Pommes frites. Bist Du einverstanden?“ Ich will es ihr nicht abschlagen, also hole ich die Fritteuse. Im Gegenzug ist Gitti mit Kräuterbutter einverstanden. Wir beraten noch kurz, welchen Wein wir kredenzen wollen und entscheiden uns für einen italienischen Tempranillo.
Tina trifft ein und bringt einen Schwung kühler Luft mit. Die Suppe kommt gut an. Zufrieden löffeln wir in gefräßiger Stille vor uns hin. Dann nehme ich Tinas analytischen Blick wahr. Sie schmeckt Zutat um Zutat heraus. Bevor sie fragen kann, bricht es aus mir heraus: „Gestern war das noch Ratatouille, frag nicht, was wir die Woche noch hatten! Vergiss das Rezept!“ „Ah, frische Reste! Super!!“, pariert sie und taucht erneut den Löffel ein. Ein bisschen trauere ich darum, dass wir diese Suppe nicht wieder genauso hinbekommen werden, aber mit ein bisschen Pfanntasie wird es auf jeden Fall wieder lecker sein. Gitti guckt höchst zufrieden, erhebt ihr Glas und ruft fröhlich: „Facciamo un brindisi!“, womit sie, passend zum italienischen Wein, einen italienischen Toast ausbringt. Und dann trinken wir nochmal speziell auf Gittis Wohl, die uns diesen Genuss beschert hat.
Nach einer Kunstpause widmen wir uns den Steaks, witzeln fröhlich herum und machen uns einen sehr beschwingten Abend. Das Leben will gefeiert werden! Und so beschließen wir, unser Leben und die kleinen schönen Begebenheiten, die es darin doch immer wieder gibt, besonders dann zu feiern, wenn die Zeiten mal schwieriger sind. Was uns auch um die Ohren purzeln mag, den kleinen, fröhlich gefeierten Moment löscht es nicht aus, der bleibt in unseren Herzen!
Später beschließen wir den kulinarischen Teil des Abends mit einer kleinen Käseauswahl und mit ebenso kleinen Anekdoten. Tina trollt sich im Anschluss tapfer gen S-Bahn, Gitti und ich rollen uns ins Bett. Aus der hintersten Ecke meiner Hamsterbäckchen krame ich nochmal einen Erinnerungshauch an die Suppe hervor, dann zähle ich genau ein Schaf und schlummere selig bis zum nächsten Morgen. Es lebe die Pfanntasie!!