Ich kann fast immer gut schlafen. Manch einer beneidet mich sogar darum. Deshalb ist es nur fair, dass es eine Kehrseite dieser Medaille gibt. Die Rückkehr in den Wachzustand fällt mir nämlich nicht so leicht. Speziell am frühen Morgen muss ich sehr tapfer sein und mit großen Anlaufschwierigkeiten kämpfen. In dieser Phase werde ich nicht als übellaunig, sondern als freundlich verpeilt beschrieben. Leider katapultiert mich auch jeder noch so kurze Mittagsschlaf derart schnell und tief in die Bewusstlosigkeit, dass ich für den restlichen Tag fast nicht mehr zu gebrauchen bin. Also halte ich gerne durch, schlafe dann tief, fest und am liebsten nicht zu kurz und muss zur Belohnung nur einmal täglich den mühsamen Weg in Richtung Wachzustand antreten. Einmal dort angekommen, fühle ich mich dann meistens frisch, erholt und gut ausgeruht.
Wer mich kennt, der weiß, dass ich meist nur schnell ein einziges Schaf zählen muss, um einschlafen zu können. Staunend lese und höre ich immer wieder von allerlei Maßnahmen, die andere Menschen ergreifen, um sich selbst das Ein- und das Durchschlafen zu erleichtern.
Unter welchen Konditionen gelingt guter Schlaf?
Es lassen sich innere und äußere Rahmenbedingungen finden, die guten Schlaf begünstigen oder auch schier unmöglich machen können. Ist das also eine Optimierungsaufgabe?
Die äußeren Rahmenbedingungen haben Gitti und ich bereits optimiert. Das Schlafzimmer ist gemütlich eigerichtet. Gut aufgehoben liege ich im warmen Wasserbett. Die Matratze trägt mich sanft. Eine wunderbar kuschelige Decke mit weichem Bezug behütet meinen Schlaf. Das Kissen, auf das ich meinen Kopf bette, unterstützt mich genau so, wie es für mich angenehm ist. An diesem Ort fühle ich mich einfach wohl.
Neulich habe ich gehört, dass ein Teller mit Zitronenscheibe und Salz Wunder wirken soll. Der Zitrusduft trägt möglicherweise dazu bei, den Serotoninspiegel im Körper zu erhöhen und dadurch das Wohlbefinden zu steigern. Nebenbei soll der Duft Mücken vertreiben. Ich erhielt noch einen Hinweis zur weiteren Verwendung: Wer mit der Zitronenscheibe am nächsten Morgen über sein liebstes Schneidebrett in der Küche reibt, sorgt dort für eine natürliche Desinfektion und frischen Duft. Mit diesem Hinweis ging der Rat einher, die Zitronenscheibe unbedingt schon am nächsten Morgen wieder aus dem Schlafzimmer zu entfernen, weil man mit ihr sonst Fruchtfliegen anlocken könnte. Wir haben beschlossen, die Idee in den Fundus zu verschieben, der den Titel „interessant, aber zurzeit nicht nötig“ trägt.
Mit den inneren Rahmenbedingungen ist es eine Spur komplizierter. Mir hilft natürlich ungemein, dass ich ein recht ausgeglichenes Wesen habe. Es gelingt mir ganz gut, immer wieder abzuschalten und in solch einer Abschalt-Pause Schlaf zu finden. Wenn mir das nicht gelingt, schlafe auch ich nicht gleich beim Zählen des ersten Schafes ein.
Manchmal führe ich dann einen inneren Monolog oder imaginiere einen Dialog mit jemand anderem. Damit ich dennoch bald einschlafen kann, gilt es, mich selbst auszutricksen. Ich versuche, die innere Auseinandersetzung auf einen beliebigen, völlig absurden Gedanken zuzuspitzen. All das mache ich nur, weil das einen kleinen Moment der eigenen Überraschung erzeugt. Genau diesen Moment nutze ich dann schlicht dazu, mich spontan in den ersehnten Schlaf zu verabschieden. Was mich bis dahin bewusst umtrieb, überantworte ich damit meinen Träumen. Sollen die sich kümmern – falls überhaupt noch erforderlich.
Gelingt es nicht, wälze ich mich wie alle anderen Menschen hin und her, während ich auf Linderung hoffe. Was ich währenddessen strikt vermeide, das sind Gedanken darüber, wie spät es ist und wie wenig Schlaf mir bis zum Aufstehen noch bleiben wird. Das macht es schließlich nicht besser! Mein Körper ruht derweil, also regeneriert er sich auch.
Es ist Dienstag Abend. Ich sitze bereits auf der Bettkante und prüfe, ob mein Smartphone noch weiß, wann es mich wecken soll. Dann entdecke ich noch eine neue, soeben eingetroffene Nachricht. Mein Freund Tom schreibt: „Wissenschaftler haben übrigens festgestellt, dass man morgens viel besser wach wird, wenn man den Wecker auf eine ungerade Uhrzeit einstellt, statt auf eine gerade. Ich kann zum Beispiel besser und erholter aufstehen, wenn ich den Wecker statt auf 5:00 Uhr auf, sagen wir 9:47 Uhr stelle.“
Danke, lieber Tom! Darauf muss ich jetzt noch schnell antworten. Ich teile ihm mit, dass mein Wecker um 5:25 Uhr musiziert. Um 9:47 wäre ich noch erholter. Also frage ich ihn: „Meinst Du, der Zauber ist um 9:48 schon vorbei?“
Tom antwortet am nächsten Tag. Es ist 11:53 Uhr, und seine Antwort lautet: „Möglicherweise.“
Am folgenden Abend sitze ich wieder kurz auf der Bettkante. Ob ich es morgen mal mit 9:49 Uhr versuchen soll? Angesichts des Wochentages verwerfe ich den Gedanken sofort wieder. Ich schwinge die Beine ins Bett, decke mich gut zu, wünsche Gitti eine gute Nacht, zähle mein Schaf und …
Hallo Miri, danke, dass du meinen Post verwendet hast. Ich habe inzwischen den Luxus, seit der Pandemie keinen Wecker zu benötigen, weil ich nicht mehr so sehr früh aufstehen muss.
Ein Tipp noch: verschiebt man wie wir offene Punkte ins Unterbewusstsein, kann es passieren, dass man mitten in der Nacht mit der Lösung aufwacht. Dann muss man diese irgendwie notieren, sonst findet man danach keinen Schlaf mehr.