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Der Jahreswechsel steht schon wieder an. Wie immer finde ich das irritierend, denn der letzte Jahreswechsel war doch neulich erst! Die Zeit rennt also immer noch. Na, dann kann es wohl nicht ganz so öde gewesen sein, stimmt’s?

Zwischen den Jahren rennt meine Zeit nicht. Nie! Zwischen Weihnachten und Neujahr fließt sie nämlich traditionell ruhig und harmonisch durch mein Gefühl. Unabhängig davon, wie viel Gitti und ich unternehmen, mein Zeitempfinden rollt sich zwischen den Jahren gemütlich ein. Es gibt da immer ein paar Tage, an denen ich die Frage nach dem aktuellen Wochentag nicht spontan beantworten kann. Ach, wie schön!

Das war übrigens zu meiner Schulzeit auch schon so. Mit anderen Worten: Dieses tief entspannte Zeitempfinden begleitet mich schon sehr lange. Ich habe es richtig lieb gewonnen! Wenn es gut läuft, stellt sich solch ein Gefühl auch im Urlaub ein. Ich bin nicht durchgetaktet. Mein innerer Überwachungsschirm hat Sendepause. Statt Terminen gibt es Begegnungen. Ich lasse mich genüsslich treiben.

Wo ich also gefühlt gerade so richtig Zeit habe, flanieren da auch Erinnerungen auf einer imaginären Promenade an mir vorbei. Es ist, als säße ich auf der sonnenbeschienenen Terrasse eines Straßencafés, vielleicht aber auch sonst irgendwo: mitten in der Natur, am Meer, am Kamin, auf dem Dach, halt irgendwo. Ich lasse den Blick in die Ferne schweifen, ohne Ziel, ohne Grund, einfach nur so. Es geht mir gut.

Erinnerungen an Situationen und Menschen flanieren also an mir vorbei. Natürlich gucke ich den schönen Erinnerungen besonders gerne hinterher. Die weniger schönen lasse ich vorbeilaufen. Einfach so, ohne Kommentar. Das klappt erstaunlich gut.

Bei Erinnerungen an Menschen, die ich sehr vermisse, verwandelt sich der Schmerz des Vermissens mit der Zeit in die Freude über die Erinnerung an gemeinsam Erlebtes. Mittlerweile weiß ich das und kann darauf vertrauen. Wenn diese Menschen vorbeiflanieren, bringen sie inzwischen durchweg gute Erinnerungen und Gefühle mit. Und in die tauche ich bereitwillig mit allen meinen Sinnen ein. Für eine Weile. Dann lasse ich sie weiterziehen. Einfach so. Sie werden wieder einmal hier vorbeiflanieren, das ist gewiss. Vielleicht bringen sie dann sogar noch mehr schöne Erlebnisse mit, an die ich mich gerne erinnern werde. Manchmal ist es nur ein winzig kleiner Moment, in dem ich zum Beispiel das fröhliche Zwinkern meine Mutter vor mir sehe. Sie zwinkert, winkt und zieht weiter – bis zum nächsten Mal. Und mir ist warm ums Herz.

Neben Erinnerungen flanieren auch andere Gedanken, Hoffnungen, Träume und Gefühle aller Art an mir vorbei, die sich auf die Gegenwart oder die Zukunft richten. Auch hier tauche ich bereitwillig ein, wenn es mir Freude bereitet. Und auch hier versuche ich, die nicht so schönen Teile wahrzunehmen, aber auch schnell wieder ziehen zu lassen. Inzwischen bin ich darin gut geübt. Ich konzentriere mich einfach auf alles, was meiner Zuversicht zuträglich ist. Es gilt, darauf zu setzen, dass aus der kleinen Zuversicht mit ein wenig Pflege eine große und unerschütterliche wird!

Nichts stärkt den Menschen so, wie das Vertrauen, das man in ihn setzt. Mit dem Neuen Jahr werden wir das jetzt auch versuchen. Gitti und ich nehmen uns vor, es mutig und herzlich zu begrüßen. Es gäbe genug, worum es sich zu sorgen lohnte. Die ganze Welt scheint gerade verrückt zu spielen. Und gerade jetzt wollen wir unbedingt fröhlich und zuversichtlich in eine schöne Zukunft tanzen.

Das geht nicht?

Doch, das geht bestimmt! Wir machen es jetzt einfach. Gemeinsam tun wir, was wir können. Um Mitternacht breiten Gitti und ich die Arme aus, zwinkern und prosten einmal fröhlich uns und auch der Welt zu, und dann rufen wir pünktlich zu diesem Jahreswechsel laut in den Himmel: „Herzlich willkommen!!!“