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Ins Bild setzen

Gitti reicht mir einen Zeitungsartikel, nimmt den Finger von der Titelzeile und sagt: „Guck Dir das mal an!“ Ich gucke, ich lese, ich staune.

Es geht um die Visualisierung komplexer Texte. In diesem speziellen Fall geht es um das ehrenamtliche Projekt eines KI-Beraters.

Wir stehen gerade kurz vor der Bundestagswahl. Keine Angst, diese Schmunzelstory wird sich nicht mit politischen Inhalten befassen, noch nicht einmal mit dieser konkreten Wahl. Du kannst also in Ruhe weiterlesen. Es spielt an dieser Stelle keine Rolle, wem ich bald meine Stimmen geben und damit meinen politischen Auftrag erteilen werde.

Zurück zum Projekt: Vor Wahlen legen die zur Wahl stehenden Parteien Wahlprogramme vor. Sie machen mir als Wählerin ein Angebot, indem sie beschreiben, was sie nach der Wahl umsetzen möchten. Der erwähnte KI-Berater hat sich acht Wahlprogramme geschnappt und in ChatGPT eingespeist. Dann hat er dieses mit Methoden künstlicher Intelligenz arbeitende Programm dazu aufgefordert, das jeweilige Wahlprogramm zusammenzufassen. Abschließend ließ er daraus ein Bild unserer Zukunft generieren. Ein Bild, das einer vollständigen Umsetzung des eingelesenen Wahlprogrammes entspräche.

Der Zeitungsartikel ist mit einem dieser von künstlicher Intelligenz erzeugten Bilder illustriert. Natürlich werde ich neugierig, finde das Projekt im Netz und lasse mich von der Aussagekraft dieser Bilder überraschen. Der Initiator des Projektes will mich ausdrücklich dazu anregen, mich intensiv mit den Inhalten der Wahlprogramme zu beschäftigen. Er will mich zudem animieren, mich mit den Möglichkeiten von KI tiefer auseinanderzusetzen, sie bewusst zu nutzen und kritisch zu hinterfragen.

Was mich hier ganz besonders anspricht, ist die Auseinandersetzung mit der Kraft der Bilder. Das ist nicht neu. Aber es ist für mich immens wichtig, mir dessen bewusst zu sein.

Bilder werden ja nicht nur in der Werbung bewusst genutzt, die mir ungefragt gutaussehende Frauen zeigt, welche spielerisch, gut gelaunt und selbstverständlich ganz ohne sichtbaren Kraftaufwand ihren Haushalt auf Vordermann bringen – wieso eigentlich auf Vordermann?!? Und wieso scheint da immer die Sonne? Nein, ich biege an dieser Stelle jetzt nicht ab, um Werbeagenturen zu schelten oder mich über die Sache mit dem Vordermann zu echauffieren!

Im privaten Gespräch setzte ich auch Bilder ein. Wo fängt das an? Setze ich Gitti zum Beispiel ins Bild, indem ich ihr erzähle, wann und mit welchem Auftrag der nächste Handwerker an unserer Tür klingeln wird? In gewisser Weise schon, denn in Gitti generiert sich daraus sofort ein komplexes Bild. Sie visualisiert, welche konkreten Folgen der Handwerkerbesuch nach sich ziehen wird. Ob die Sonne wohl scheinen mag, wenn wir anschließend hinter ihm herräumen und den Dreck wegputzen, den er hinterlassen wird?

Neulich habe ich mir mal wieder ausgemalt, wie schön und anregend unser nächster Urlaub sein wird. Da ist schon wieder der Bezug zum Bild. Diesmal zu einem, das ich nach Lust und Laune ausmalen kann. Mit bunten Farben, wenn ich will. Und ich kann mir bei der Gelegenheit gleich noch vorstellen, wie es sich anfühlen wird. Sofort legt sich ein leicht salziger Geschmack auf meine Zunge. Ich verspüre die Wärme, die von der sommerlichen Sonne auf meine Wangen gezaubert werden wird. In meinen Ohren rauscht das Meer und ich nehme den wunderbaren Duft wahr, den ein zartes Sommerlüftchen durch einem Pinienhain hindurch direkt in meine Nase trägt. Meinem sehnsüchtig erdachten Urlaubsbild entspringt schon allein mit Hilfe meiner Vorstellungskraft eine erste, mehr verheißende Portion Entspannung. Dafür muss ich mich noch nicht einmal einen Millimeter weit wegbewegen.

Zugegeben: Das funktioniert am besten, wenn solch ein Urlaub bereits gebucht ist oder in absehbarer Zeit ansteht. Ohne Aussicht auf Urlaub geht es aber auch. Stell Dir etwas vor, was Dir guttut – aber versaue Dir den kleinen Erfolg, den die pure Vorstellung erzeugt, nicht gleich damit, ohne weiteren Verzug darüber zu lamentieren, dass es vielleicht nur bei der Sehnsucht bleiben könnte. Gönne Dir den Moment und koste ihn aus!

Die Macht der Bilder liegt darin begründet, dass wir spontan darauf setzen, dass wahr ist, was wir sehen. Ganz so, als ob wir real dabei wären und mit eigenen Augen sähen, wovon hier nur das Bild zeugt. Ein normales Foto zeigt mir einen Moment, der längst vergangen ist. Ich weiß um die Möglichkeiten der Bildbearbeitung. Dennoch knüpft sich an etwas, dass wie ein Foto aussieht unweigerlich der Anspruch, ein Abbild der Realität zu sehen und diese Realität damit quasi zu belegen – es sei denn, ich bewundere die Kunst eines Fotokünstlers, von dem ich bereits weiß, dass er mich überraschen und vielleicht sogar in die Irre führen möchte.

Mit dieser Einstellung kann ich ja nur baden gehen! Auch das ist ein Bild, und es lässt mich assoziieren, ich würde unfreiwillig in ein größeres Nass eintauchen. Vielleicht sogar vollständig angekleidet in ein ziemlich kaltes Nass. Wohl auch eher nicht im heißen Schein der Sonne. Also stellt dieses Bild vom Badengehen sicher keine willkommene Abkühlung in Aussicht!

Eine bilderreiche Sprache hilft mir manchmal dabei, komplexe Sachverhalte zu verstehen. Sie bietet so viele Punkte, an die ich auf verschiedene Weisen anknüpfen kann. Das regt meine Fantasie an. Die Bilder lassen mich Erkenntnisse aus ganz unterschiedlichen Bereichen miteinander verknüpfen.

Manches erschließt sich mir dagegen leichter, wenn es knapp und präzise auf den Punkt gebracht wird.

Dabei fällt mir auf: Mit all diesen in genau diesen Text gegossenen Gedanken habe ich gerade Dich ins Bild gesetzt. In mein kleines Bild, welches ich extra für diese Schmunzelstory mit der Kraft meiner Worte gemalt habe und mit dem ich Dir gerne von meiner kleinen Welt erzähle.

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