Gitti überrascht mich mit der Frage, was eigentlich nach der Generation Z kommt. Mit dem Alphabet sind wir da ja schon am Ende, aber es ist ja nicht so, dass diese Generation gar keine Kinder mehr in die Welt setzt. Ich antworte spontan, und weil ich vor einer Stunde noch mit einer größeren Excel-Datei gekämpft habe, fällt meine Antwort so aus: „Also im Excel kommt nach Spalte Z immer AA.“
Ein Schmunzeln huscht über Gittis Gesicht. Sie hakt nach, ob man das AA langgezogen spricht oder eher kurz und abgehackt, also wie Aa – Du weißt schon, das, was mit Zeitversatz aus dem Kinderpopo dringt, wenn man vorher oben in das Kind ausreichend viel feste Nahrung eingebracht hat.
Langgezogen gesprochen lässt es an anonyme Alkoholiker denken, oder auch an eine in der Rechtswissenschaft gebräuchliche Abkürzung für „anderer Auffassung“. Gitti fällt ein Begriff aus der Medizin ein: AA-Amyloidose. Sie merkt kurz an, dass es dabei wohl um Proteine geht, die sich zwischen Zellen ablagern, also an Orten, an denen sie eigentlich nichts zu suchen haben. Wer will denn sowas?!?
Zurück zu Gittis Ausgangsfrage. Über wen reden wir da eigentlich? Zur Generation Z gehört meiner Erinnerung nach hierzulande, wer zwischen 1995 und 2009 geboren wurde. Wir schreiben aktuell das Jahr 2025, also reden wir über Menschen im Alter von 16-30 Jahren.
Für die meisten von denen hat das Arbeitsleben bereits begonnen, oder es ist für sie zumindest schon ein Thema, über das sie ab und zu nachdenken – mit recht unterschiedlichen Assoziationen, Wünschen, Hoffnungen, Ängsten und sonstigen Gefühlen. So ein Arbeitsleben kann schön sein, es hält aber in der Regel auch unangenehmere Phasen und Erfahrungen bereit. Es ist ein Teil unseres Lebens. Da müssen wir alle durch, ja, alle! Traditionelle Hausfrauen haben nie einfach nur nichts gemacht. Ihre Arbeit wurde und wird jedoch viel zu oft weder bezahlt noch gewürdigt. Wer Arbeitslosigkeit schon einmal erlebt hat, der weiß, wie mühsam und arbeitsintensiv es sein kann, da wieder herauszufinden. Nicht jedem gelingt es, und dafür kann es tausend Gründe geben, über die ich nicht zu urteilen vermag.
Vor Z kommt Y, und davor kommt X. Ich versuche, den Generationen Geburtsjahrgänge zuzuordnen und erkundige mich danach im Netz. Schnell stelle ich fest, dass die dort gemachten Angaben stark variieren. Ich schmunzele über die Sprechweise zur Generation Y, denn das Ypsilon spricht man heutzutage natürlich englisch aus, und das hört sich dann so ähnlich an, wie die bohrende Frage nach dem Warum, also: „Why?“
Ein Schelm, der daraus einen Rückschluss darauf ziehen will, wie die, die dazugehören wohl drauf sein mögen!
Ich selbst gehöre definitiv zu den geburtenstarken Jahrgängen unseres Landes, also den Baby-Boomern, und die lassen sich am ehesten mit der Generation X in Verbindung bringen. Wie bereits erwähnt, konnte ich keine einheitlichen Angaben finden, stieß dafür aber auf einen interessanten Artikel des Statistischen Bundesamtes, der sich mit der demographischen Welle beschäftigt, auf der wir Boomer reiten.
Das Leben eines typischen Boomers lässt sich aus meiner kleinen Erfahrung heraus plakativ so zusammenfassen: Irgendwas ist immer!
In der Schule saßen wir in viel zu großen Klassen. Meine Schulklasse zählte 45 Kinder, und wir füllten fünf Parallelklassen. Es herrschte Lehrermangel. Abgelöst wurden wir bald darauf durch die Generation, der man den sogenannten Pillenknick zugeordnet hat. Die Geburtenraten brachen plötzlich ein, und das hatte nicht nur mit der Verbreitung der Anti-Babypille zu tun, die dafür aber gerne pauschal verteufelt wurde. Daraufhin gab es überraschend eine sogenannte Lehrerschwemme.
Weil wir so viele waren, reichte das Angebot an Ausbildungs- und Studienplätzen nicht aus. Wir vollbrachten das Kunststück, einen Platz zu finden. Als wir frisch ausgebildet auf den Arbeitsmarkt strömten, war dieser schnell leergefegt. Ausgerechnet jetzt schwächelten diverse Branchen. Wieder vollbrachten wir das Kunststück, einen Platz zu finden. Wir setzten uns mit voller Kraft ein, und das tun wir übrigens immer noch, ganz viele von uns sogar hoch performant.
Die Bevölkerung erfreute sich zunehmend besser werdender Gesundheit oder zumindest besserer Gesundheitsversorgung, die es möglich machte, dass wir Menschen immer älter werden. Die demographische Entwicklung wurde zum heiß diskutierten Thema. Dabei ging es zum Teil recht rüde zu.
Kurz vor der Jahrtausendwende nahm der damalige Präsident der Bundesärztekammer zu geplanten Einsparungen im Gesundheitssektor Stellung. Er stellte in Aussicht, dass Patienten sich künftig mit weniger Leistung zufriedengeben müssten. Und dann sprach er etwas aus, was unsere Gesellschaft als zutiefst beleidigend empfand, indem er die Frage in den Raum stellte, ob dann die Zählebigkeit der Bevölkerung anhalten könne oder man das sozialverträgliche Frühableben fördern müsse.
Es wurde nie klar, ob seine Bemerkung ironisch gemeint oder zynischer Natur war. Eine Welle der Empörung lief durchs Land. 1998 wurde „sozialverträgliches Frühableben“ zum Unwort des Jahres gekürt.
Es gibt einen Zeitpunkt, ab dem man es mit einem Paradoxon zu tun bekommt: Überall werden erfahrene Fachkräfte gesucht, aber das Pfund der langjährigen Erfahrung, die man selbst einbringen kann, wird ab diesem Zeitpunkt zum Hemmschuh. Man ist plötzlich zu alt, damit potentiell zu teuer und vielleicht sogar nur noch schwer zu führen. Der erfahrene Boomer seufzt, dann rappelt er sich auf, vollbringt das nächste Kunststück und ergattert seinen Platz.
Inzwischen stehen wir Boomer kurz vor der Rententür. Ein paar von uns haben dort bereits angeklopft. Möglicherweise werden wir unglaublich alt und beanspruchen damit unglaublich viel Geld aus der Rentenkasse. Wir haben dort fleißig eingezahlt, aber natürlich nicht für uns selbst, sondern immer für die, die zum Zeitpunkt unserer Zahlung gerade ihre Rente bezogen haben.
Das System soll künftig umgebaut werden. Sicher ist es nicht leicht, eine gute Lösung zu finden. Während das ganze Land mal wieder darüber diskutiert, dass es so nicht weitergehen kann, kommt es uns Boomern schon wieder so vor, als würden wir nur stören, unnötig viel Geld kosten und als wären wir überhaupt ganz gemein und eine Zumutung für die Generation Z und alle ihr nachfolgenden Generationen.
Das nervt mich gewaltig!
Nachdem ich mir das hier nun einmal von der Seele geschrieben habe, möchte ich noch erwähnen, dass die Generation nach Z inzwischen mehrheitlich Generation Alpha genannt wird. Das ist besser als AA, und es stimmt mich versöhnlich. Einen großen Teil unserer Rente werden wir Boomer sicher verprassen. Das schafft und sichert viele Arbeitsplätze. Auf diese Weise werden wir Euch Jüngeren dabei helfen, unsere Renten zu bezahlen. Aber auch für Euch wird gelten: Irgendwas ist immer!