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Kleckereigeschrei

Eine Runde durch den Wald, zwischendurch auf eine kleine Erfrischung in den Biergarten, anschließend zum Italiener und zum Abschluss zu Hause noch einen Film gucken. So liest sich heute unser Plan.

Gianna und Mauro begleiten uns. Solche Ausflüge fühlen sich immer wie ein kleiner Urlaub an. Nach nur wenigen Minuten sind alle fröhlich und entspannt. Wir spazieren durch den Wald und reden. Unterwegs gibt es immer etwas zu gucken. Diesmal ist es ein wunderschönes kleines Eichhörnchen, dass lustig unseren Weg gekreuzt hat und jetzt unter unseren bewundernden Blicken hurtig einen Baumstamm hochturnt. „So wendig und elegant möchte ich mich auch mal bewegen können!“, lasse ich die anderen wissen und ernte mitleidige Blicke. Na ja, träumen darf ich ja. Gitti guckt, als ob sie die Bilder nicht aus dem Kopf bekommt. Auf denen hänge ich vermutlich wie ein nasser Sack im unteren Bereich des Stammes am Baum und gucke hilflos in ihre Richtung. Das ist leider eine ziemlich realistische Einschätzung. Ich mache jetzt lieber keine Anstalten, dem possierlichen Tier hinterherzuklettern – obwohl das der allgemeinen Belustigung sicher zuträglich wäre!

Wir kommen an einem kleinen Tümpel vorbei. Zu viert glotzen wir ins trübe Nass und schauen eine Weile den roten Fischen zu, die träge darin gründeln. Bestimmt gibt es hier auch Unken. Also natürlich nicht die unliebsamen Menschen, die uns andauernd Dinge erzählen, von denen wir nichts hören wollen, sondern die Verwandten der Frösche. „Letztes Mal war das ein Gequake überall, das müsst Ihr Euch mal vorstellen! Ein tolles Konzert!“, klärt Gitti uns auf. Ruckzuck sitzt ein kleiner Frosch vor meinem geistigen Auge auf einem Stein. Er ist umringt von einem kleinen Chor weiterer Frösche, trägt einen Frack und hält einen Dirigentenstab in seiner rechten, äh, wie nennt man das jetzt? Hand geht ja schlecht, oder? Wobei, Finger hat er ja schon irgendwie. Mist, jetzt muss ich das wieder nachschlagen! Na gut, das mache ich dann später zu Hause, also vielleicht.

Es geht weiter. Gianna und ich eilen voraus, Gitti und Mauro folgen uns. Nach einer Weile, wir sind schon auf einen anderen Weg abgebogen, der etwas unwegsamer ist, dreht Gianna sich um. Sie stemmt ihre Hände in die Hüften und fragt: „Ja, wo bleiben die denn?“ Weit und breit ist niemand zu sehen. Haben Gitti und Mauro sich jetzt verlaufen? So frei nach Hänsel und Gretel? Nein, das kann nicht sein, Gitti kennt den Weg. Merkwürdig ist es aber schon. Sonst laufen die beiden uns nämlich gerne mal schnellen Schrittes davon. Nach vorne, als gäbe es kein Morgen. Und sie werfen uns Trödelei vor! Gianna und ich lauschen still. Außer Vogelgezwitscher höre ich nichts. Gianna auch nicht. Wir überlegen, ob wir ein Stück zurücklaufen sollen. Ob wir stören? Quatsch! Unentschlossen stehen wir herum. Als erstes erspäht Gianna Gittis Bluse, die cyanblau durch die Blätter leuchtet.

Als wir den schattigen Teil des Weges verlassen, sticht die Sonne gnadenlos zu. Es ist heute nochmal heiß. Und jetzt geht es erstmal eine ganze Weile bergauf, puh. Ja, es ist eher ein Hügelchen, aber ich finde es trotzdem anstrengend. Sonst schiebe ich meine Maus über den Schreibtisch und verteidige das als Sport. Zugegeben, der sportliche Teil findet dann maximal in meinem Kopf statt. Egal. Die anderen erklimmen das Hügelchen aber auch nicht ganz ohne roten Kopf, also bin ich beruhigt. Gitti kommt als erste oben an und biegt sofort energisch in Richtung Biergärtchen ab. Damit das gar nicht erst schief geht! Wir stolpern wortlos hinterher.

Das Biergärtchen wird von einem Ehepaar betrieben. Beide haben lustige Augen und ich kann deutlich den Schalk in ihrem Nacken sitzen sehen. Die anderen wünschen sich Kuchen, ich möchte nur etwas trinken. Zischig und erfrischend soll es sein! Der Wirt fasst zusammen: „Vier Mal Schorle, drei Mal Himbeer, ein Mal nix.“ Er guckt mich an, grinst und fragt: „Soll ich das Nix einpacken?“ Ich bin hoch erfreut und steige auf seinen Scherz ein: „Au ja, das wäre lieb!“ Und jetzt ist er hoch erfreut.

Wir laben uns, diskutieren ein wenig über Gott und die Welt und dann müssen wir uns beeilen, um noch rechtzeitig zum Italiener zu kommen, bei dem Gitti einen Tisch reserviert hat. Welch ein Gerenne! Immerhin macht die Sonne ein Päuschen hinter einer Schleierwolke.

Beim Italiener stürzen wir uns auf die nächsten kühlen Getränke und auf wunderbare Pizzen aus dem Steinofen. Alsbald fällt mein Blick auf einen winzigen roten Fleck, der mich von unterhalb meines linken Schlüsselbeins aus angrinst. Die Bluse habe ich vorhin frisch angezogen. Die ist nigelnagelneu, da war kein Fleck! Bis jetzt! Kleckern ist nicht meine Spezialdisziplin, da kümmern sich sonst andere Leute drum. Ich bin also empört und beleidigt! Sofort lasse ich Messer und Gabel sinken, neige den Kopf seitlich, um besser erkennen zu können, was da genau ist. Mit der Nagelspitze des rechten Zeigefingers schiebe ich den roten Punkt etwas nach links. Und er hinterlässt eine kleine Spur. Mist!

Gianna sieht, was ich da mache und legt ihren Kopf fragend zur Seite. Also presse ich die Fingerspitze in den Stoff, reiße die Augen auf und rufe: „Da hat mir einer aufs Hemd gekackt!“ Sofort ist es um mich herum totenstill. Gianna fängt sich als erste und fragt glucksend: „Meinst Du? Wer denn?“ Ich steigere mich künstlich rein: „Wer? Das ist mir völlig egal! Das ist unverschämt!! Auf‘s Hemd!“ Dabei steche ich mit dem Finger noch ein paar Mal fester in die Stelle. Mauro kichert in seinen Bart und versucht, sich aufs Essen zu konzentrieren. Seine Gabel wippt im Kichertakt auf und ab, hoffentlich kleckert er sich nicht auch noch voll. Gianna läuft ein Lachtränchen über die Wange und Gitti sagt: „Lass mal sehen.“ Ihre Augen sagen deutlich, was sie denkt, nämlich dass ich mich nicht so anstellen soll.

Sie hat ja Recht, aber die Nummer ist jetzt schon so schön skurril, dass ich sie noch ein wenig auskosten mag. Und so zeige ich den restlichen Abend über immer mal wieder mit vorwurfsvollem Blick auf die Stelle. „Auf’s Hemd!“, stimmen bald alle ein. Zu Hause versuche ich, den Fleck von Hand auszuwaschen. Aber die einmassierte Tomatensauce interessiert sich nicht dafür. Der werde ich morgen mal die Waschmaschine zeigen!

Gitti startet derweil den Film, den wir noch gemeinsam gucken wollen. Nach kurzer Zeit lümmeln alle eingekuschelt auf den Sofas rum und genießen das heimische Kino. Der nasse Fleck auf meiner Bluse trocknet langsam vor sich hin. Was kann man doch für einen Aufstand machen – um eigentlich Nichts!

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Mauro und Gianna

    Das war ein wundervoller Tag mit euch beiden!
    Wir haben so viel miteinander gelacht und Freude gehabt! Ein Erholungs- und Urlaubstag im wahrsten Sinne. Danke für das Erinnern, durch deine so lebendig zusammengefasste Story!

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