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Konsequenzanalyse

Alarm! Problem!! Alle Lampen an!!! Reagieren!!!! Jetzt!!!!!

STOPP.

Ich finde, es ist Zeit, den Automatismus zu unterbrechen. Nimm Dich mal raus aus der Situation. Denk nach … Die Welt wird nicht schlechter, wenn Du nicht unverzüglich reagierst. Die Situation, die Dich jetzt gerade zu spontanen Aktionen verleitet, wird wahrscheinlich auch nicht wirklich schlimmer. Trau Dich, stelle eine kleine Konsequenzanalyse an.

So – eigentlich ist die Geschichte damit schon fertig. Schöne Woche noch!

Du möchtest mehr erfahren? Na gut. Um ehrlich zu sein: Ich habe auch Lust, mehr Details zu erzählen. Also los!

Schauen wir gemeinsam ein paar Tage zurück. Ich unterhalte mich mit Nachbarin Henni. Sie weiß zu berichten, dass seit geraumer Zeit in ihrem Garten Kothaufen zu finden sind, die da nichts zu suchen haben. Nahezu jeden Morgen ein neuer! So geht es ja nun wirklich nicht, findet Henni. Fast täglich hegen und pflegen Hubsi und sie liebevoll ihren kleinen Rasen. Für meinen Geschmack schon übertrieben liebevoll. Bei denen traut sich bestimmt kein einziger Grashalm, zu schnell zu wachsen. Der wird rasiert, sobald sich sein Kopf auch nur einen Hauch weit über den der benachbarten Halme reckt. Bei Hubsi und Henni liegt bestimmt auch demnächst kein einziges Blatt herbstlich verfärbt auf dem heiligen grünen Gras. Bei uns sieht das ganz anders aus, da macht die Natur im Wesentlichen einfach, was sie will. Und wir auch.

Henni berichtet weiter vom nächtlich eingekoteten Grün. Sie müssen jetzt vor dem Rasenmähen immer noch einen zusätzlichen Kontrollgang machen. Das ist echt eine Zumutung. Henni beschreibt angewidert, wie ein vom Rasenmähermesser geschnetzelter Kothaufen in alle Richtungen … Ich versuche, die weiteren Details auszublenden und denke an den letzten Besuch im Zoo. Die Vorstellung von Tierbildern lenkt mich bestimmt gut von Hennis Horrorstory ab. Allerdings fällt mir schnell eine Szene ein, die ich am Gehege des Flusspferds beobachtete. Seine Dominanz drückt der gewichtige Flusspferdbulle ja gerne mal durch Defäkation aus. Mit hochtourig kreisenden Schwanzbewegungen verteilt er dabei großflächig … Entschuldigung, ich höre ja schon auf.

Henni und Hubsi haben jedenfalls Kriegsrat gehalten. Sie haben sich auf die Lauer gelegt. Leider noch ohne Erfolg. Der Größe der Haufen nach zu urteilen, müssen sie nach einem Hund mit 50-60 cm Stockmaß Ausschau halten, der sich wiederholt unbefugten Zutritt zu ihrem Garten verschafft. Sie grenzen die Zeit ein, zu der die Taten jeweils begangen werden. Tagsüber scheint nichts zu passieren, so lautet das Ergebnis ihrer Inspektionen, die beide gemeinsam nach Feierabend angestellt haben. Weil weder Hubsi noch Henni es aus beruflichen Gründen verantworten können, nachts Wache zu halten, haben sie einen neuen Plan entworfen und sogleich in die Tat umgesetzt: Hubsi hat Wildkamerafallen installiert. Mehrere. Strategisch verteilt und gut getarnt. Jetzt liegen Henni und Hubsi gleichzeitig draußen auf der Lauer und drinnen schlafend im Bett. Oder verfolgen sie das nächtliche Treiben jetzt live und online am Laptop? Henni sieht schon etwas übernächtigt aus, finde ich.

Eine erste Auswertung hat ergeben, dass eine Menge Tiere über den kostbaren Rasen laufen. Henni zählt Marder, Katzen und noch ein paar andere Tierarten auf, die eindeutig nicht zu den Haufen passen. Beim Erzählen fällt ihr auf, dass seit Beginn ihrer Aufzeichnungen kein einziger Hund dabei war. Vielleicht ist der Hund ja gerade in Urlaub, mutmaße ich. Henni guckt verdutzt, hält den Umstand aber immerhin für möglich. Seit ein paar Tagen gibt es nämlich auch keine Kothaufen mehr. Wie lange fährt so ein Hund wohl in Urlaub? Die Ferien sind gerade vorbei. Müsste ein ordentlicher Familienhund dann nicht auch zurück sein? Nimmt er nun frisch erholt seine Gewohnheiten wieder auf? Hennis Wangen glühen vor Aufregung. Bald lässt sich der vierbeinige Täter bestimmt überführen.

Ich frage mich schon eine Weile, was sie eigentlich machen, wenn sie den Hund endlich auf frischer Tat erwischen. Erschießen? Anzeigen? Den Besitzer ermitteln? Und dann? Was, wenn der Besitzer keine Sorge dafür trägt, dass der Hund nicht streunt? Nimmt das Schicksal seinen Lauf? Rüsten Hubsi und Henni auf und verbarrikadieren alle Zugänge? Landen sämtliche beteiligte Menschen viele Jahre nach dem natürlichen Ableben des Tiers vor der höchsten gerichtlichen Instanz, die man zur Klärung solcher Fälle anrufen kann? Streiten die verfeindeten Parteien dann auch darüber, ob die Beweise aus dem Bildmaterial der installierten Kameras überhaupt verwertet werden dürfen? Geht der Schuss am Schluss für die Kläger gar nach hinten los?

Gitti und ich hätten auch keine Lust, uns ständig um den Scheiß anderer Leute Köter kümmern zu müssen. Auf welcher Eskalationsstufe würden wir wohl aussteigen?

Ganz für mich alleine stelle ich eine kleine Konsequenzanalyse an.

Wildkamerafallen würden Gitti und ich wohl nicht installieren. Wahrscheinlich würden wir den größten Teil der Energie, die unsere Nachbarn da bis jetzt schon in ihre Ermittlungen investiert haben, doch anders einsetzen. Irgendwie humorvoller. Das muss gehen! Da würde uns gewiss etwas einfallen! Ich bade ein Weilchen in diesem warmen Gefühl der Zuversicht. Und dann widme ich mich zufrieden meiner wohlverdienten Entspannung – und gucke genüsslich ein großes Loch in die Luft.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Tom

    Wieder einmal herrlich Miriam sehr gut beobachtet, wie sich manche Leute im absolut lächerlich Vorgänge hineinsteigern. Ich muss sagen, schon bei der Vorstellung des vom Rasenmäher verteilten Kothaufen hatte ich vor dem inneren Augen den Nilpferd Bullen.

    Auf jeden Fall rechtzeitig aussteigen und die eigene Energie humorvolleren Tätigkeiten widmen und keinen Vorgang bis vors jüngste Gericht Durchklagen – da sollen die Wartezeiten sehr lange sein, habe ich gehört.

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