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Kryptokeks

Geheim und im Verborgenen soll es laufen, aber damit es laufen kann, müssen leider verschiedene Leute an verschiedenen Orten Bescheid wissen.

In den Jugendbüchern meiner Jugendzeit ließ sich das mit einer Parole lösen. Wer die nennen konnte, dem gewährte man durch eine geheime Tür Zutritt zu geheimnisvollen Räumen, in denen entweder geheimnisvolle Dinge lagerten oder zumindest geheime Treffen abgehalten wurden. Hauptsache geheim. Die Parole kannte natürlich nur, wer wirklich vertrauenswürdig und total verschwiegen war. Und wem man zutraute, dass er dichthalten kann, dass er also nicht gleich alles ausplaudert, sobald man ihm Prügel oder Stubenarrest androht.

Drücke ich mich kryptisch aus? Also geheimnisvoll und vor allem unklar? Ist das Absicht oder weiß ich selbst nicht, was meine Worte bedeuten sollen? Woher soll ich wissen, was ich meine, wenn ich nicht weiß, was ich da sage? Tja, ich kann jetzt auch nur noch vermuten, was ich damit meine! Prima, denn jetzt weiß schon nicht mal mehr ich selbst Bescheid, und so kann ich auch niemanden mehr verraten! Selbstverschlüsselung aktiviert – checked!!

Jetzt kann ich mein heutiges Geheimnis locker bewahren, und das hat mit ihm zu tun:

Gottfried Wilhelm Leibniz war einer der berühmten Vordenker der Aufklärung. Er hat sich intensiv mit Philosophie, aber auch mit Religion, Politik, Mathematik und vielen anderen Themen beschäftigt. Schon früh widmete er sich der Kombinatorik, hantierte mit vielen Nullen und Einsen, entwarf eine Rechenmaschine und entwickelte das duale Zahlensystem weiter. Leibniz muss ein sehr umtriebiger Universalgelehrter gewesen sein, echt ein spannender Typ. Ich muss unbedingt mehr über ihn lesen, aber heute habe ich etwas anderes vor.

Auf meinem Tisch liegt eine Packung mit Butterkeksen. Die echten, mit 52 Zähnen. Lecker! Davon habe ich ja schon ewig keine mehr gegessen! Ich könnte jetzt sofort über die Packung herfallen, aber ich reiße mich leise sabbernd zusammen.

Ich werde jetzt für Gitti eine verschlüsselte Nachricht basteln. Dazu brauche ich die Butterkekse und unsere Grätenzange, mit der wir sonst nur vor der Zubereitung frischer Fischfilets die Gräten herausziehen, damit wir später sorglos und unbekümmert das Essen genießen können. Auf Basis der Dualzahlen entwerfe ich einen Kryptokeks. Die Nachricht beginnt oben in der linken Ecke. Wo oben ist, kann man leicht erkennen, denn „LEIBNIZ BUTTERKEKS“ steht ja schon auf dem Keks drauf. Sie muss ihn später also nur so hinlegen, dass sie den Schriftzug von links nach rechts lesen kann und anschließend die Zähne zählen, ein bisschen rechnen und das Ergebnis dem Alphabet zuordnen. Ein herausgebrochener Zahn ist eine Null, ein noch existierender Zahn repräsentiert die Eins. A ist eins, Z ist 26.

Ich brauche Päckchen mit 5 Stellen, um alle 26 Zahlen bzw. Buchstaben darstellen zu können. Das beginnt also mit 00001=0+0+0+0+20=1=A und geht bis 11010=24+2³+0+2+0=26=Z. Meine Botschaft besteht aus zwei Wörtern, jedes davon hat 5 Buchstaben. Mit der Grätenzange breche ich vorsichtig alle Zähne aus dem Keks, die den Wert Null erhalten. Hinter dem ersten Wort breche ich als Abstandhalter einen halben Zahn heraus. Es ist eine tierische Krümelei, und ich muss leider auch einige verunglückte Kekse aufessen. Natürlich nur, um nicht durcheinanderzukommen.

Endlich ist mein Kryptokeks fertig. Stolz lege ich ihn auf einen kleinen Teller. Anstelle einer vollständigen Anleitung will ich Gitti nur mit dem kleinen Hinweis: „Das ist was mit Dualzahlen, extra für Dich!“ auf den Keks loslassen. Da kommt sie bestimmt schnell drauf. Meine Vorfreude steigt. Meinen Präsentteller in der Hand und die Packung mit den restlichen Keksen unterm Arm mache ich mich auf, Gitti zu suchen. Sie sitzt am Schreibtisch. „Ich hab‘ da was für Dich!“, setze ich an und überreiche ihr feierlich den Teller. Gitti freut sich. „Butterkekse, wie schön!!“, ruft sie.

Und noch bevor ich überhaupt Luft holen kann – beißt sie rein! Nicht doch!!!

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Tom

    Wie kann man so einen netten Gruß einfach so ignorieren.

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