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Mal wieder Ankreuzen

Ich starre missmutig auf ein Formular. Mein Arbeitsauftrag: ausfüllen, unterschreiben, zurücksenden. Welch eine lästige Tätigkeit!! Mich davor drücken hilft nicht, also muss es jetzt wohl sein. Zum Glück ist es dem Empfänger egal, ob ich das Formular handschriftlich oder elektronisch ausfülle und unterschreibe. Damit kann ich mir das erste Ausdrucken und das spätere Scannen sparen. Schon geht es mir ein wenig besser, und ich mache mich ans Werk.

Die Fragen sind in schönstem Beamtendeutsch verfasst. Das macht den Akt des Ausfüllens psychisch mühsamer, wenngleich ich einsehe, dass es keine präzisere Form der Abfrage von Sachverhalten gibt als diese. Das Formular erwartet von mir keine frei formulierten Antworten. Schade eigentlich! Bei den allermeisten der Fragen soll ich nur die richtige, bereits wohl formulierte Antwort finden und ankreuzen. Es ist also alles nicht so schlimm.

Leider interessiert mein Gefühl sich nicht für solche Argumente. In der Folge schweifen meine Gedanken immer wieder ab. Ist das ein Rest von Freiheitsdrang?

Ich sinniere darüber, was ich in meinem Leben schon so alles angekreuzt habe. Das hilft mir zwar nicht weiter, macht in diesem Moment aber mehr Spaß. Vielleicht kann ich mich ja dann später viel besser auf das Formular konzentrieren. Also gönne ich mir den kleinen Gedankenausflug.

Als erstes fallen mir Multiple Choice Fragen aus der theoretischen Führerscheinprüfung ein. Da habe ich häufig mehr auf formale oder sprachliche Hinweise geachtet als auf den eigentlichen Sinn, auf den die Frage zielte. Eine Antwort, die das Zauberwort „immer“ enthielt, war in der Regel sowieso falsch. Die vielen Lernerfolgskontrollen, die ich anlässlich meiner Aus- und Weiterbildung durchlaufen musste, waren ähnlich gestrickt, und sie sind es bis heute. Immer mehr schärfe ich den Sinn für die typischen Strukturen der Antwort-Angebote solcher Auswahlmöglichkeiten. So manches Mal weiß ich gar nicht, worum es eigentlich geht, während ich schnell die Kreuzchen verteile, um dann auch schnell aus der Nummer herauszukommen.

Bei Wahlen kreuze ich auch immer fleißig an. Kommunalwahlen sind besonders toll, da kann ich mich so richtig austoben und Stimmen panaschieren, also mehrere meiner Stimmen auf unterschiedliche Kandidaten und Listen verteilen. Und kurz vor solchen Kommunalwahlen stelle ich auch gerne die Frage in den Raum: „Wie panaschiert man ein Schnitzel?“

Ganz oft habe ich wortreiche Antworten auf diese Frage erhalten. Welch eine Freude! Gemein von mir? Ja! Aber lustig … Ich entschuldige mich auch jedes Mal im Anschluss für die kleine Gemeinheit.

Wie viele Kreuzchen werde ich wohl in meinem Leben schon gesetzt haben? Und wozu? Die Kreuzchen, die ich bislang im beruflichen Kontext setzen musste, übersteigen in ihrer Anzahl wahrscheinlich alle anderen zusammen. Ich schließe die Augen und sehe plötzlich einen riesigen Haufen angekreuzter Kästchen vor mir. Schnell reiße ich die Augen wieder auf und schüttle mich. Nicht auszudenken, wie groß erst der Haufen von Kästchen sein wird, die ich nicht angekreuzt irgendwo hinterließ.

Ich muss dringend auf andere Gedanken kommen!

Und dann fällt mir ein: Gestern Abend hat Gitti mit leckerer Spaghetti Bolognese gekämpft. Normalerweise bekommt sie das unfallfrei hin, aber gestern beklagte sie doch ein paar Spritzer auf ihrem Shirt. Und dabei hat sie so traurig geguckt, dass ich sie unbedingt aufmuntern musste. Also legte ich all mein Gefühl in die Stimme und sagte mit einem Augenzwinkern: „Du musst nicht alles ankreuzen, was ich waschen soll.“

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Mauro und Gianna

    Danke für die wieder mal lustige Story!
    Wir fangen lieber nicht damit an die Kreuzchen zu zählen, die wir bereits in unserem Leben hinterlegt haben, und schon gar nicht nach dem Sinn oder nach dem Unsinn zu suchen. Nicht jetzt!
    Ein Berg von Spaghetti ist uns da gerade auch lieber!

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