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Mehr Meer

Wenn es draußen ungemütlich und kalt wird, zieht es Gitti und mich in die Sonne. Wir sehnen uns nach Wärme und vor allem nach dem Meer!

Zum Glück tut sich ein Zeitfenster auf, in dem wir unsere Wünsche realisieren können. Wir gönnen uns eine Reise nach Gran Canaria. Dort ist es immer warm. Nicht zu heiß, sondern gerade richtig. Wir residieren in der Hauptstadt mit dem schönen langen Sandstrand, der von einer breiten Promenade gesäumt wird. Hier lassen wir die Seele baumeln. Gitti und ich können sogar aus dem Bett heraus direkt auf das blaue Meer gucken! Das Meeresrauschen ist allgegenwärtig, kräftig und zugleich beruhigend. Nichts treibt uns, alles ist auf maximale Entspannung ausgerichtet.

Wir promenieren fleißig, lassen den Blick über das Wasser schweifen und kümmern uns ausschließlich darum, es schön zu haben – und lecker natürlich!

Eine der Tavernen hat es uns besonders angetan. Sie liegt an der Promenade, die Tische stehen direkt am Geländer einer etwa drei Meter hohen Mauer, darunter nur Strand und Wasser. An dieser Stelle macht die Promenade eine 90°-Kurve und bietet uns einen weiten Blick in alle Richtungen. Gitti und ich beschäftigen uns mit „Leute gucken“ und nehmen allerlei Köstlichkeiten zu uns.

Unten am Strand kommt gerade eine größere Gruppe Schüler an. Gitti freut sich, dass sie die jungen Leute nicht selbst betreuen muss. Diesen Job übernehmen heute ein paar Männer in Neoprenanzügen, die sonst wohl den Touristen so Sachen beibringen, wie: Paddeln in kleinen Schlauchbooten, Paddeln im Stehen auf Brettern, wahlweise für einzelne Personen oder auch in Gruppen gemeinsam auf einem einzigen Brett, Schnorcheln und Surfen. Gitti und ich beobachten interessiert von oben das bunte Treiben.

Die Schüler pubertieren vor sich hin und werden in Gruppen aufgeteilt.

Die erste Gruppe kapert nach kurzer Einführung jeweils zu zweit die Schlauchboote. Ich erinnere mich noch lebhaft an meine Erfahrungen mit Luftmatratzen. Als Kind liebte ich es, mich Meer und Wellen auf einer von mir zuvor mühsam selbst aufgeblasenen dreiteiligen Luftmatratze hinzugeben. Als Erwachsene habe ich das auch nochmal versucht. Es wurde zu einer recht skurril anmutenden Angelegenheit. Ich hatte nämlich vergessen, wie man selbst im seichten Wasser überhaupt unfallfrei auf solch eine Matratze hinaufkommt. Flutsch und platsch könnten wohl Worte sein, die meine beschämende Vorstellung kurz anzudeuten vermögen. Aber ich habe damals nicht aufgegeben. Heute und hier oben sitze ich in sicherer Entfernung am Tisch und genieße weiter, was uns geboten wird.

Die zweite Teenager-Gruppe muss sich in Neoprenanzüge zwängen und Schwimmflossen anlegen. Sie werden Schnorcheln. Zwei der Jungs haben wohl noch rechtzeitig Wegzehrung geschossen. Etwas abseits ihrer Gruppe stehen sie nun nahe der Mauer und somit in größtmöglicher Entfernung zum salzigen Nass. Dort ziehen sich die beiden Jungen sicherheitshalber erstmal ihre Döner rein. Wer weiß, ob es je wieder etwas zu essen geben wird … Auf dem Grund der Verpackung angekommen, müssen jedoch auch sie zwei der Anzüge entgegennehmen. Mit angewiderten Mienen und unter großem Kopfschütteln versuchen sie nun, die Dinger überzustreifen. Zwei der Mädchen helfen sich derweil im seichten Wasser gegenseitig. Eine davon steht schon bis zu den Oberschenkeln im Neopren, die andere versucht, das restliche Material nach oben zu zerren. Jetzt springen sie beide auf und ab. Und dann fallen sie gemeinsam um. Kichernd starten die Mädchen den nächsten Versuch. Respekt!

Eine andere Gruppe hat einen Trockenkurs Paddeln hinter sich gebracht. Mittlerweile stehen sie bis zu den Bäuchen im Wasser und umringen ein riesiges Brett. Einer der Schüler hat es schon geschafft, darauf zu stehen. Er hält sämtliche Paddel fest, die mit auf die Reise gehen sollen. Nacheinander versuchen die anderen, das Brett zu entern und jeweils eines der Paddel zu übernehmen. Das Ding schwankt mächtig. Fünf haben es geschafft, beim Sechsten fallen alle wieder runter. Es geht von vorne los. Als endlich alle an Bord sind, stochern sie mit den Paddeln im Wasser herum. Sie brauchen eine Weile, um eine gemeinsame Richtung zu finden. Nach ein paar Pirouetten entfernt sich das johlende Grüppchen und verschwindet nun recht zielstrebig aus unserem Blickfeld.

Am Strand verbleibt eine Horde, die zunächst eine Art Cricket mit Softbällen spielt. Gitti sagt: „Guck mal: Wenn die Jungs werfen, versuchen sie meistens, das Kind, das den Ball dann mit dem Schläger wegschlagen soll, abzuschießen. Da geht es klar ums Gewinnen. Die Mädchen da unten sind auf Zusammenarbeit aus. Sie freuen sich mehr, wenn der Ball getroffen wird und in einem weiten Bogen wegfliegt.“ Leider vergessen sie dann vor lauter Begeisterung manchmal auch, dass sie ja noch eine Runde um die Plastikhütchen herum rennen sollen. Zum Glück sind beide Mannschaften gemischt. Nachdem alle mal dran waren, wechseln sie zu Völkerball über. „War das bei Euch damals auch schon so brutal?“, frage ich Gitti. Auch hier sind es überwiegend die Jungen, die ihre Gegenspieler hart zu treffen trachten.

Gemeinsam ist allen dieser Pubertierenden, dass sie ständig an ihren knappen Badesachen herumzupfen. Die aktuelle Mode und die sportliche Aktivität sind nicht wirklich kompatibel. Und so drohen ständig Kostbarkeiten aller Art dem Stöffchen zu entkommen. Welch ein Stress! „Bin ich froh, dass wir zu Hause kein Meer hatten. Nicht auszudenken, was unsere Sportlehrerinnen und Sportlehrer sich für uns ausgedacht hätten!!“, rufe ich Gitti zu. Sie bestellt daraufhin: „¡Dos más, por favor!“, und schwenkt fröhlich ihr Glas in Richtung Kellner. Mir zugewandt sagt sie: „Die Kinder müssen beschäftigt werden, jede Sekunde!“

„Aber ohne Langeweile entsteht keine Kreativität!“, protestiere ich. Gitti lacht. Mir schwant, dass den Kindern halt zu anderen Zeiten langweilig sein soll. Nicht zu jeder Zeit ist Kreativität gefragt.

Als die nächsten Getränke unseren Tisch erreichen, wechseln unten die Gruppen. Zu meiner Beruhigung sind die Jungen der Gruppe, die als nächstes mit den Ballspielen beschäftigt wird, viel sozialer drauf als ihre Vorgänger. Die Gruppendynamik und die ganze aus der Ferne zu erspürende Atmosphäre sind deutlich anders. Hier geht es fast allen um den gemeinsamen Spaß. Nur wenige verfolgen vorrangig das Siegen um jeden Preis. Die meisten sind durchaus ehrgeizig, aber im Vordergrund steht bei ihnen das Gemeinschaftserlebnis. Ich bin versöhnt!

Zufrieden gucke ich in Richtung Horizont. Meer. Mehr Meer. Viel mehr Meer. Ach, wie ist das schön!

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Mauro und Gianna

    Mit deiner Story liebe Miri hast du uns auf eure Insel mitgenommen. Wir können die Weite des Meeres sehen und das Rauschen seiner Wellen hören. Wir konnten die Aktivität der Jugendlichen mitverfolgen und Euch zuprosten!
    Danke dafür 🙏🏻🙏🏻

    Mauro und Gianna

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