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Monets Garten

Vor einiger Zeit hörten Gitti und ich von der Ausstellung „Monets Garten“, die gerade in unserer Nähe gezeigt wird. Sofort haben wir einen Zeit-Slot gebucht, also Karten gekauft und uns für ein 15-minütiges Einlassfenster angemeldet. Heutzutage macht man das so. Dieses Vorgehen verkürzt Wartezeiten und sorgt dafür, dass man in der Ausstellung vermutlich auch genügend Raum und Zeit hat, sich mit den gezeigten Exponaten auseinanderzusetzen. Es steht also fest, wann wir eintreten dürfen. Anschließend dürfen wir solange bleiben, wie wir möchten, wie schön!

Bei unserem letzten Besuch einer Ausstellung mit Einlassfenster hatte der Veranstalter leider vorwiegend danach geschaut, die Besucherzahlen auf ein Rekordhoch zu schrauben. Dort gab es zwar kein Warteproblem vor der Ausstellung, aber in der Ausstellung tummelten sich derart viele Menschen und geführte Gruppen, dass kaum Raum blieb, die gezeigten Bilder anzuschauen. Dicht gedrängt schob sich die Menge der interessierten Besucher durch die Säle, kaum eines der größeren Bilder sah man ganz. Stets war ein Teil des jeweiligen Bildes von Körperteilen anderer Besucher verdeckt. Sehr ärgerlich …

Heute hoffen wir also inständig darauf, dass diese Erfahrung nicht erneut auf uns wartet. Die Ausstellung wurde bereits so gut besucht, dass wir uns zeitlich schon in der Verlängerung befinden. Unser inneres Flehen wird zum Glück erhört. Danke, liebe Veranstalter!

Der Kreativdirektor der Ausstellung verspricht, dass wir die Welt des Claude Monet so erleben werden, als ob wir Teil der Szenerie wären. Die Ausstellung wird als immersiv angepriesen. Was war „immersiv“ nochmal? Gitti liest die Frage auf meinem Gesicht, noch bevor ich sie stellen kann und hilft mir auf die Sprünge: „Immersiv kommt von Immersion und bedeutet Einbetten oder Eintauchen.“ Oh, da bin ich schon gespannt auf das, was uns erwartet!

Schon beim Eintreten spüre ich eine ganz besondere Atmosphäre. Zunächst befinden wir uns in einem breiten Gang. Im Hintergrund läuft angenehm ruhige Musik. Dezent versprühte ätherische Öle sorgen dafür, dass alle Sinne auf angenehme Weise angesprochen werden. Das Licht ist gedämpft, allein die Bilder leuchten hell von den Wänden. Und dann, plötzlich, lösen sie sich scheinbar auf. Farbige dünne Striche quellen über das Bild, alles ist in sanfte Bewegung getaucht. Erst jetzt bemerke ich, dass wir vor einem hochauflösenden Bildschirm stehen. Wow! Nach einer Weile finden die Striche wieder zusammen und das schöne Bild ist wieder als Ganzes zu sehen.

Claude Monet hat sich ja besonders für das Licht interessiert. Er bringt uns das Zusammenspiel des Lichts mit allem nahe, worauf es trifft. Das Licht wirft Schatten, und in der Natur wechselt das Licht in nahezu jedem Moment. Monets Bilder lassen mich erleben, wie Licht, Wind und Wasser zusammenwirken. Vor allem geht es bei den hier gezeigten Werken nicht um eine fotografische Abbildung der Realität, sondern um das Gefühl, den Eindruck, also die Impression. Und damit hat der gute Mann ja auch den Impressionismus mitbegründet. Es gäbe sehr viel über ihn zu berichten, aber ich möchte mich hier auf unser Erlebnis konzentrieren.

Gitti und ich betreten den nächsten Raum. Er ist ein wenig dem berühmten Garten nachempfunden, der Monets Haus in der Normandie umgab. Auf einem kleinen Teich schwimmen virtuelle Seerosen. Es gibt einen niedrigen Tisch mit kleinen Höckerchen. Hier dürfen wir Seerosenschablonen mit Wachsmalstiften ausmalen. Wie die Kinder, welch eine Freude! Die bemalten Zettel legen wir am Fuße einer kleinen geschwungenen Holzbrücke in die seitliche Öffnung einer Box. Unsere Seerosen werden flugs gescannt. Gebannt starren wir auf den virtuellen Teich. Alsbald ploppen „unsere“ Seerosen im Teich auf und schwimmen dort eine Weile umher.

Über die Brücke gelangen wir in ein Haus mit großen Fenstern. Schon vom Maltisch aus konnten wir durch die Fenster einen Blick ins Innere erhaschen und dort eine riesige Leinwand erspähen, auf der sich Lichter in einem Rausch der Farben munter bewegten. Jetzt stehen wir selbst vor der Leinwand. Die Farbpartikel, in den typischen Farben gehalten, die wir von Monets Bildern kennen, folgen unseren Bewegungen. Gitti breitet die Arme aus, die Farbpartikel bewegen sich aus der Mitte heraus in zwei Strömen nach links und rechts. Einer Dirigentin gleich, schwingt Gitti nun ihre Arme – und der Farbenstrom folgt ihren Bewegungen wie ein Orchester.

Ich versuche es auch, und es bereitet mir große Freude. Die Bewegung überträgt sich ein wenig verzögert auf das Bild, und genau das befeuert das Gefühl, mit dem großen Bild zu interagieren, ja, sogar auf eine gewisse Weise mit dem Bild zu verschmelzen, zu einem Teil des Bildes zu werden. Ich mag hier verweilen, selbst agieren, aber auch den anderen Menschen zusehen, wie sie mit dem farbenfrohen Strom spielen. Besonders spannend wird es, wenn man gemeinsam agiert. Ohne Worte entspinnt sich eine im Farbfluss visualisierte Unterhaltung.

Wir trennen uns von dieser Leinwand, verlassen das Haus und kommen zu einer anderen Wand. Hier werden wir von einer unsichtbaren Kamera gefilmt. Unser Bild wird in Farbblasen zerlegt und auf die Wand projiziert. Die Blasen blubbern vor sich hin, folgen aber auch diesmal unseren Bewegungen. Stehen wir ganz still da, so können wir unser Live-Bild ganz gut erkennen. Je schneller und raumgreifender wir uns bewegen, desto mehr zerfließt unser Abbild zu einer Welle von Farbblasen.

Im letzten Raum der Ausstellung läuft ein Film. Bilder und Szenen werden auf alle Wände, aber auch auf den Boden projiziert, begleitend läuft passende Musik. Es gibt viele große Kissen und Hocker, die uns zum Verweilen einladen. Manche lassen sich nieder, andere flanieren ein wenig umher, ein paar Kinder laufen fröhlich hin und her, folgen den bewegten Bildern und werden Teil der Szenerie. Wir erfahren viel über Claude Monet, sein Leben und sein Werk. Zum Finale des Films verwandelt sich der gesamte Raum in einen Seerosenteich. Wir sind mittendrin, ganz versunken in Licht, Musik und Gefühl.

Wow, welch ein schönes Erlebnis! Ein Fest für alle Sinne!!

Zum Abschluss unseres kleinen Ausflugs kehren wir noch in einem italienischen Restaurant ein. Der junge Kellner nimmt einen tiefen Atemzug, als er unsere Bestellung aufnimmt und lächelt seltsam entrückt. Ist es mein Parfum oder umwabern mich noch die ätherischen Öle aus der Ausstellung?

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Mauro und Gianna

    Wow, danke für das Mitnehmen in das Leben von Claude Monet und das lebendige Beschreiben seiner Werke! Ohne dabei gewesen zu sein, erreichte deine Beschreibung, liebe Miri, alle unsere Sinne!

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