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Ruminieren ruiniert

Hoppla, da bin ich doch wieder über etwas gestolpert. Nicht etwa über eine Unebenheit im Boden, nein, dazu war ich zu aufmerksam. Es war ein Wort – wie so oft. Und jetzt liege ich mit dem Gesicht nach unten im Wortsalat, frage mich, wie ich da wieder reingeraten bin und sortiere meine Gedanken.

Das Stolperwort heißt ruminieren.

Hä bitte? Das kenne ich doch irgendwoher! War das was mit Kühen? Ja, aber nicht nur. Wiederkäuer, also Kühe, Schafe, Ziegen, Hirsche und sonstige Stirnwaffenträger nennt man auch Ruminantia. Halb verdautes Zeug würgen sie hoch und kauen nochmal ordentlich darauf herum. Sie käuen wieder, anders gesagt: sie ruminieren. Diese Tiere müssen das machen, sonst funktioniert ihre Verdauung nicht.

Genau in diesem Bild liegt die Verbindung zum Menschen. Mein System zur Verdauung stofflicher Nahrung ist deutlich anders gebaut als das einer Kuh. Allerdings verdaue ich psychisch durchaus schon mal wie ein Wiederkäuer. Ein blöder Spruch, und schon kommt mir alles wieder hoch. Und dann wird gegrübelt, als gäbe es kein Morgen. Kennst Du das auch?

Im Laufe der Jahre habe ich schon einige Probleme und schlechte Nachrichten verdaut. Grübeln hilft, aber nur in Maßen – und nicht in Massen! Grübeln ist ein Graben, ein gedankliches Vordringen in immer tiefere Schichten. Die Gedankenreise, auf die ich mich dabei begebe, dient dem Zweck, den Dingen auf den Grund zu gehen. Ich will ergründen, was mich quält. Und ich hoffe, auf dem Grund des Problems auch dessen Lösung zu finden.

Wenn es gut läuft, gelingt das auch. Ich kenne Leute, die ein Problem so lange wiederkäuen, bis es sich abnutzt und zerbröselt. Bis es nicht mehr wehtut. Ob die Probleme dabei tatsächlich gelöst wurden, weiß ich nicht. Aber scheinbar haben diese Leute sie in ihrer Gedankenmühle gründlich zerkleinert. Am Ende waren die Probleme nicht mehr zu erkennen oder zumindest nicht mehr relevant.

Ist das auch etwas für Dich? Wirklich?

Vorsicht! Unterwegs kann es Dir passieren, dass Du in Wahrheit gar nicht mehr nach einer Lösung suchst. Deine Gedanken kreisen dann unaufhörlich um das Problem und Du vergisst, was Du ursprünglich erreichen wolltest. Es wird Zeit, wieder aufzutauchen. Die Abwärtsspirale darf Dich nicht fest im Griff behalten. Du musst aus dem Grübeln wieder herausfinden. Lass nicht zu, dass Dich das Ruminieren ruiniert!

Ich bin nicht vom Fach. Ich habe für solche Fälle keine Lösung. Ich habe nur einen kleinen Vorschlag: Sei mutig und lass Dein Problem los. Wenigstens einen kleinen Moment lang. Was kann Dir schon passieren? Nutze die Chance und kümmere Dich gerade in diesem Augenblick nicht weiter um das Problem. Das kannst Du ja später auch noch machen. Gönne Dir eine Pause. Unsere Freundin Gianna hat dafür ein sehr schönes Bild: „Pack Deine Gedanken in kleine Wölkchen ein und lass sie ziehen.“

Und jetzt komm mit! Schließlich hast Du nicht angefangen, eine Schmunzelstory zu lesen, weil Du gerade in Unglück baden möchtest!

Es geht los. Wir sitzen zusammen im Gras und sehen einer Kuh beim Wiederkäuen zu. Kannst Du es sehen? Fühlst Du es? Das Gras duftet. Dieses Gras ist besonders, denn es löst keine allergische Reaktion aus. Es duftet, tut Dir aber nichts. Und es ist weich. Der Himmel ist blau, garniert mit Schäfchenwolken. Die Sonne scheint sanft auf Dich herab und taucht Deinen Körper in wohlige Wärme. Du bist total entspannt. Vor Dir, in sicherer Entfernung, liegt die Kuh im Gras. Sie guckt in Deine Richtung und käut wieder. Sonst nichts.

Nach einer Weile merkst Du: Die Kuh käut konsequent in einer Richtung. Oben, links, unten, rechts. Und dann wieder von vorne. Oben, links, unten, rechts. Schau ihr direkt in die Augen. Die Kuh hat lange, dichte Wimpern und große, braune Augen. Halte ihren Blick. Du kommst Dir doof vor? Die blöde Kuh ist auf der anderen Seite! Und sie ist nicht blöd, aber das ist jetzt nicht wichtig. Guck ihr in die Augen. Halte ihren Blick.

Und jetzt hypnotisiere sie. Mach selbst Kaubewegungen. Aber in die andere Richtung: oben, rechts, unten, links, oben, rechts, unten, links, oben, rechts, unten, links …

In Deinem Gefühl gibt es jetzt nur noch die Kuh und Dich. Auge in Auge, versunken im Kauen. Immer im Kreis herum. Irgendwann unterbricht die Kuh ihr Wiederkäuen. Es entsteht ein unglaublicher Moment der Stille. Spannung liegt in der Luft, auf Deinen Armen breitet sich eine Gänsehaut aus. Die Kuh guckt Dich an, wedelt mit einem kurzen Zucken ihrer großen Ohren eine lästige Fliege weg. Und dann macht sie weiter: oben, rechts, unten, links!

Genieße den Moment!

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Tom

    Ich habe da ein anderes Bild vorzuschlagen:

    „Grübeln ist ein Graben, ein gedankliches Vordringen in immer tiefere Schichten.“
    Wenn man zu lange grübelt, gräbt man Schützengräben und dann ist es nicht mehr leicht, diese gedanklichen Pfade zu verlassen. Geht man immer nur die gleichen Pfade, kommt man immer zu den gleichen Zielen, aber nicht mehr zu neuen Orten.

    Auf der Wiese sind die Gedanken frei, wie das Lied sagt kann man sie nicht halten, Sie fliegen vorbei – jetzt nicht wie finstere Schatten, sondern sie sind frei, zu neuen Orten zu fliegen und dann auch die Lösung zu finden, die sich irgendwo weitab der Schützengräben versteckt hat. Ich bin auch kein Militarist und halte mich lieber fern von Schützengräben, da kann ich die Lösung gut verstehen.

    Schaut mal statt zur Kur zur Seite, da bin ich mit meinen Gedanken und winke Euch allen zu!

  2. Mauro und Gianna

    Wow…..
    Herzlich gelacht!
    Die Gedanken kurz wahrnehmen, in kleine Wölkchen packen, und mit jedem ausatmen wie kleine Schäfchen am Himmel immer weiter und weiter ziehen lassen, dass hilft schon sehr um loszulassen!
    Danke für das zitieren!
    Mal sehen was unsere Schüler in der Ausbildung dazu meinen, wenn wir ihnen die Entspannung mit der Kuh präsentieren.
    Hi hi hi……

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