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Saharastaub

Mein Auto ist weiß. Eigentlich. Na gut, vorgestern war es eher fleckig grau und auf den Scheiben klebten die Überreste der Mücken, die mir nicht schnell genug ausweichen konnten. Gestern hat der Wetterfrosch ganz früh am Morgen schon im Fernsehen behauptet, dass jetzt bald Schluss ist mit dem Regen. Da habe ich gleich mal das „bald“ überhört und bin zur Waschanlage gedüst. Zufrieden klopfte ich mir danach auf die Schulter und erfreute mich an dem Anblick. Und heute sieht mein Auto fleckig rötlich aus!! Mist, zu früh agiert!

Was verdeckt da jetzt das eigentlich blütenreine, schöne Weiß? Das ist Saharastaub – sagt jedenfalls der Wetterfrosch, dem ich heute lausche. Zu seiner Ehrenrettung verkündet er auch gleich, dass die Nummer mit dem Saharastaub ein Weilchen lang so gehen wird, und er empfiehlt, von Autowäschen in den nächsten Tagen noch abzusehen. Ich bin beleidigt.

Saharastaub. Früher war es noch „Saurer Regen“, der war gelblich, weil er Schwefel enthielt, und er war in hohem Maße aggressiv, eben sauer. Sauer bin ich jetzt auch, gelb im Gesicht aber nicht, denn meine Leber macht noch, was sie soll. Ich bin eher rot im Gesicht, weil ich mich ärgere. Rot, wie Saharastaub. Ich maule vor mich hin und heule mich im Internet aus, indem ich eine kleine Suchanfrage zu dem Zeug stelle. Zuerst zum sauren Regen und dann zum Saharastaub. Immerhin bekomme ich zu diesen Themen kein Lieferangebot von Amazon und Co eingestellt, und das ist mir ein kleiner, innerer Vorbeizug. Wusste ich doch, dass es mir gleich besser gehen wird!

Der saure Regen zeichnet verantwortlich für das, was wir früher mit „Waldsterben“ assoziiert haben. Aus den Abgasen, die bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe entstehen, wäscht der Regen Sachen heraus, die mit Wasser reagieren und Säuren bilden. Am Rand von Vulkanen nehmen die Wolken ebenfalls auf, was dann etwas zeitversetzt bei uns als saurer Regen wieder herunterkommt. Das Übel nimmt seinen Lauf. Die Böden übersäuern, es werden Schwermetall- und Aluminiumionen freigesetzt, und die sorgen dafür, dass Teile von Baumwurzeln absterben. In Städten führt der saure Regen dazu, dass Gebäude schneller verwittern. Am deutlichsten nehmen Gitti und ich den Effekt bei Skulpturen aus Marmor oder Kalkstein wahr, den Rest gucken wir scheinbar gar nicht so genau an. In den Jahren nach 1970 hat man endlich anerkannt, dass es diesen Effekt gibt. Vor allem aber wuchs die Bereitschaft, etwas dagegen zu tun. Seither gibt es so sperrige Worte wie „Rauchgasentschwefelungsanlage“.

Das auf meinem Auto ist rötlich. Eindeutig Saharastaub, das passt zu den Aussagen des Wetterfroschs. Im zweiten Teil meiner Minirecherche lerne ich, dass Saharastaub dem Regenwald hilft. Wie jetzt? Das ist gut?!? Ich bin gespannt. Das muss ich später unbedingt Gitti erzählen. Also lese ich weiter.

Saharasand enthält Mineralien, die Mineralien enthalten häufig Phosphor, und der Phosphor begünstigt das Wachstum von Pflanzen. Aha.

Ich mache einen kleinen Abstecher: Phosphor gibt es in den Farben Weiß, Schwarz und Rot. Den roten verwendet man auch für Streichholzköpfe. In meinen eigenen Knochen gibt es übrigens insgesamt etwa 600g von dem Zeug, ich weiß allerdings nicht, in welcher Farbe. Beeindruckt gucke ich an meinen Armen und Beinen entlang herunter und empfinde tiefen Respekt für die Wunder der Natur. Weil ich nicht der Regenwald bin, stöbere ich jetzt doch weiter im Netz herum, schließlich möchte ich ja ein wenig mehr über den Zusammenhang zwischen der Sahara und dem Regenwald erfahren, die ja doch etliche Kilometer trennen.

Der Regenwald im Amazonas ist wichtig für unser Klima. Alles hängt, wie immer, mit allem zusammen, und so ist es gut für Dich und mich, wenn es dem Regenwald gut geht. So. Und normalerweise gibt es im Regenwald nicht wirklich viele Nährstoffe. In der Sahara aber wohl. Da würden nämlich eigentlich unheimlich viele Pflanzen prächtig wachsen, aber dafür ist es in der Sahara zurzeit einfach zu trocken. Jetzt kommt des Wetterfroschs liebstes Ding ins Spiel: der Wind. Und der sammelt in der Sahara den sandigen Staub ein. Dann macht er sich damit auf den Weg zum Amazonas, regnet ihn im Regenwald herunter und hilft auf diese Weise halt den dort ansässigen Pflanzen dabei, prächtig zu wachsen. Ein echter Exportschlager!

Fazit: Es ist also gut, wenn der Saharastaub vom Winde verweht wird. Besser wäre es noch, wenn der Staub am Ende nicht auf meinem Auto rumliegt, denn das steht gerade nicht im Regenwald, sondern nur hier im Regen. Hat des Windes Navigationsgerät versagt? Gönnt sich unser Unkraut im Garten jetzt auch einen großen Schluck aus der Saharastaubwolke, um noch prächtiger zu gedeihen?

Gitti ist vor ein paar Jahren übrigens mal mit einem Flammenwerfer gegen das Unkraut auf der Terrasse vorgegangen. Nachbar Hubsi wäre vor Neid erblasst, wenn er Gitti mit dem Höllenteil gesehen hätte, soviel ist gewiss! Draußen war es richtig heiß. Gitti war überzeugt, die Prozedur mit dem Flammenwerfer schneller erledigen zu können als mit traditionellem Herumkriechen und Zupfen. Der Flammenwerfer verfügte über eine Gaskartusche und einen Zündmechanismus. Die lange Lanze des Gerätes reckte sie dem unschuldigen Kraut entschlossen entgegen. Im Betrieb vibrierte der ganze Flammenwerfer, und mit ihm auch Gitti. Ihre Arme vibrierten danach noch einige Stunden weiter, als hätte sie eine Schicht mit dem Presslufthammer eingelegt. Unter diesem Eindruck und unter Anstellung der Überlegung, ob der Einsatz solcher Gerätschaften hier überhaupt erlaubt ist, kam es am Ende dazu, dass der Flammenwerfer seither ein Schattendasein in der dunkelsten Ecke unseres Kellers fristet.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Mauro und Gianna

    Danke für die tolle Recherche über den Regenwald, über den sauren Regen und den Sahara Wind.
    Ohne die Flecken auf deinem Auto, hätten wir den tollen Beitrag von dir nicht erhalten!
    Danke für die spannende Story!
    Unkraut……, oder Unwetter….. ????
    🤔 Darüber müssen wir uns noch Gedanken machen…..

    1. Miriam

      Übrigens erreicht Saharastaub uns bis zu 30 Mal im Jahr, meistens zwischen März und Juni, aber auch im Oktober und November. Wir merken selbst davon nur etwas, wenn es dann auch regnet oder wenn sich der Himmel über uns gelblich-braun verfärbt zeigt. Letzteres passiert eher selten.

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