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Smarter Sprachkurs

Ich möchte in der Welt zu Hause sein. Nicht überall, aber doch so an dem einen oder anderen Ort. Vor dem Gefühl liegt breit grinsend die Sprachbarriere. Sie ruft mir zu: „Überwinde mich!“

Früher war das echt mühsam. Da musste man dicke Bücher kaufen, langweilige Kurse belegen oder im Urlaub zur Sprachschule gehen. Freiwillig! Danach ergab sich kaum eine Gelegenheit, das Gelernte anzuwenden, und so ging es dann auch schnell wieder verloren. Manch einen Kurs habe ich gar nicht erst gemacht, weil ich ja schon wusste, dass ich so vieles so schnell wieder vergessen werde.

Heute geht das anders, heute geht das smart. Für kleines Geld kann ich ganz viele Sprachkurse gleichzeitig belegen, stetes Training inklusive, wann immer ich will, überall und didaktisch super aufbereitet. Ich muss mich nur entscheiden, was es denn heute sein soll.

Englisch kann ich schon ganz gut. Das ist ja auch nicht so schwer: „Du“ heißt „you“. Die höfliche Anrede „Sie“ heißt „you“. Wenn wir „man“ sagen, so sagt man auf Englisch „you“. „Dir“, „dich“, „ihr“, „euch“, „Ihrer“ heißt? Klar: „you“!!! Mit nur wenigen anderen Vokabeln drumherum lassen sich schnell kleine Unterhaltungen führen. Läuft!

Italienisch ist da schon komplizierter. Ich habe gehört, dass die Italiener einen grammatikalischen Fall haben, den wir gar nicht kennen, nämlich den Ablativ. Wer Latein hatte, der kennt ihn wohl schon. Mit gehörigem Respekt setze ich mich also in Bewegung und beginne, zu lernen. Der Einstieg ist wirklich leicht. Die Anfänger-Lektion beginnt mit Situationen in der Bar. Als erstes lerne ich, einen Aperitif zu bestellen. So gefällt mir das! Das Programm zeigt mir Bilder, spricht mir ganze Sätze vor, die ich dann wiederholen kann, bis sie mir zu den Ohren herauskommen, und es hat eine Jubelfunktion. Aufgabe der Jubelfunktion ist es, mich zu loben und zu motivieren. Was soll ich sagen, innerhalb kürzester Zeit komme ich mir total sprachbegabt vor.

Neben dem Sprechen wird auch gleich das Schreiben trainiert, die Erklärungen zur Grammatik sind kurz und so eingestreut, dass ich glatt die Chance verpasse, eine Blockade aufzubauen, nur weil das Zauberwort Grammatik gefallen ist. Die Programmgestalter sprechen meinen Spieltrieb an. Ich muss Worte zuordnen, Lückentexte füllen und lerne nebenbei einen Haufen Wörter, die in den Sätzen vorkommen, aber eigentlich noch gar kein Thema sind. Ruck-zuck wird ein passiver Wortschatz gleich mit aufgebaut, und so werde ich demnächst sehr souverän die wichtigsten Dialoge führen können – und vor allem nicht verdursten!

Gitti stürzt sich auch bald mit Begeisterung auf das Programm. Sie hat im Gegensatz zu mir schon solide Vorkenntnisse, die sie hier freudig auffrischt. Nach kurzer Zeit würdigen wir fast täglich den Abend als einen schönen Abend, indem wir gemeinsam ausrufen: „Guarda, che bella serata!“ Das verselbstständigt sich bald zum running gag, ergänzt durch ein wohliges: „Senti com‘è comodo!“, womit wir feiern, wie gemütlich es ist.

Nach ein paar Wochen komme ich auf die Idee, es auch einmal mit Spanisch zu versuchen. Das Übel nimmt seinen Lauf, nach wenigen Tagen habe ich mir eine deftige babylonische Sprachverwirrung eingefangen. Die beiden Sprachen sind sich einfach zu ähnlich! Ich bringe alles durcheinander. Als ich mal mit Gitti zusammen auf das Lernprogramm einrede, stelle ich fest, dass auch sie befallen ist. Da helfen weder Pillen noch kalte Umschläge. Wir sehen ein, dass es wohl besser ist, deutlich voneinander getrennte Zeitblöcke für die einzelnen Sprachen zu reservieren, statt multilingual alles auf einmal lernen zu wollen.

Mein Freund Tom schlägt sich auch gerade mit einem ganz smarten Spanisch-Tool herum. Bei seinem Programm gibt es Avatare für die Sprecher, so sieht er immer jemanden, der ihn direkt anspricht. Und so war es auch gestern. Ein bärtiger Herr sagte mit hochgezogener Augenbraue zu ihm: „Nuestra falda es amarilla.“ Auf Deutsch heißt das: „Unser Rock ist gelb.“ Tom hat das zur Sicherheit nicht sofort nachgeplappert, denn die Rede des Spaniers warf bei ihm doch einen Haufen Fragen auf.

Zuerst einmal erinnerte Tom sich daran, dass er vor vierzig Jahren zu Karneval mal einen Schottenrock getragen hat. Aber nicht in Gelb, denn das ist so gar nicht seine Farbe. Dann hat er dem bärtigen Avatar tief in die Augen geblickt und sich gefragt, ob sie beide, also der bärtige Avatar und er selbst, den einen gelben Rock wohl abwechselnd oder gemeinsam tragen wollen, sollen oder werden. Tom ist hochgewachsen. Sehr hoch! Wie lang der bärtige Spanier wohl sein mag? Was für einen Gemeinschaftsrock soll Tom sich da vorstellen? Er akzeptiert, dass der spanische Avatar einen gelben Rock will, hofft aber darauf, dass dieser ihm wenigstens ein Mitspracherecht bezüglich des Rockes Form und Länge einräumt. Und dann holt er tief Luft und wiederholt mutig: „Nuestra falda es amarilla.“ Und das Programm bejubelt seine tolle Aussprache. Jetzt kann der Urlaub kommen!

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Mauro und Gianna

    Nicht grundlos existiert die Redewendung ,,Das kommt mir spanisch vor!“ 👍🏻😂

  2. Tom

    Genauso war es, aber der Avatar hat sich leider nicht geäußert. Nun ja, ich bin ja großzügig, wenn er will, kann er den gelben Rock immer dann tragen, wenn ich gerades Mal mein dringendes Bedürfnis dazu verspüre! Ich habe übrigens auch andere, angeblich wichtige Sätze gelernt, wie zum Beispiel „was hast Du unter Deiner Bluse?“ – ob das gut ankommt, ob es ratsam ist, diesen Satz in Gegenwart meiner Frau oder überhaupt zu sagen?

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