Ein hektisches Jahr liegt hinter uns. Wir retten uns und unsere ramponierten Nerven in den Weihnachtsurlaub. Gitti und ich verbringen die Weihnachtsfeiertage mit unserer üblichen Familientour quer durch Deutschland, danach geht es für zehn Tage nach Mallorca.
Alles ist ruhig, die Saison ist vorbei, es sind nur wenige Touristen zu sehen. Wir widmen uns vornehmlich der Lektüre zahlreicher Bücher, die wir dieses Jahr gekauft, aber nicht gelesen haben. Daneben wollen wir die Insel erkunden und ein wenig Kultur genießen, also mieten wir ein Auto. Ja, ich weiß, „der“ Deutsche pflegt seine Kultur im Beutel mit sich zu führen… Gitti und ich gucken uns viel Gegend, ein Museum und ein paar alte Steine an, informieren uns über Land und Leute.
An Silvester ist neben dem Jahr auch das Wetter am Ende, es regnet. Mitten auf der Insel gibt es einige Möbelhäuser. Viele der dort feilgebotenen Stücke wirken wie Ladenhüter, die schon länger auf ihre Entdeckung warten. Egal, drinnen ist es warm und trocken. In einem der Häuser gibt es eine zweite Etage, was unseren Aufenthalt zu verlängern verspricht. Wir wimmeln den freundlichen Verkäufer ab, wir wollen uns nur umsehen, und ja, über ein wenig Licht im oberen Stockwerk würden wir uns freuen. Nach einer halben Stunde stehen wir auf seiner Vermisstenliste.
Er findet uns auf gelben Ledersofas, die uns bereitwillig in ihre Arme geschlossen haben. Sie sind außerordentlich bequem und zudem ein wahrer Augenschmaus. Richtig schön, zum Verlieben. Gitti bedeutet mir schlaftrunken, den Vasallen des Hausherrn zu vertreiben. Ich frage also nach dem Preis. Ja, ich meine das Zweier- und das Dreiersofa. In gelb. So, wie es hier steht. Er geht, ich falle in einen leichten Schlaf.
Jäh reißt mich ein Preis aus meinen Träumen. Ich bin müde, es gilt, zu reagieren. Er kommt mir zuvor und erläutert die Klappfunktion der beiden äußeren Plätze des Dreisitzers. Nach einem Zug am Hebel, der sich formschön und dezent in die Seitenwand einfügt, neigt sich der ganze Sitz, ein Fußteil fährt aus, und ich möchte nicht länger gestört werden. Gitti erwacht, zieht an dem Hebel auf ihrer Seite und grunzt wohlig. Der Verkäufer ist immer noch da. Ich frage ihn, ob er auch nach Deutschland liefert. Er bleibt, wo er ist. Also frage ich, was das wohl kosten mag, wenn er je zwei dieser Sofas an unterschiedliche Adressen in Deutschland zu liefern hätte. Das vertreibt ihn für eine Weile, Gitti und ich schnarchen leise vor uns hin.
Der Vasall kehrt zurück. Er verkündet ein unglaublich gutes Angebot. Wir murmeln unser Einverständnis und er enteilt, den Vertrag aufzusetzen. Als er weitere Angaben von uns braucht, kommt er mit duftendem Café Solo zurück. Draußen scheint wieder die Sonne.
Mitte Februar tragen ein großer Belgier und ein kleiner Spanier die ersten beiden Sofas in meine Wohnung. Es ist bitter kalt. Die Männer sind halb erfroren, die Standheizung des LKW funktioniert nicht. Aus den großen, blonden Locken des Belgiers tropft kondensierter Schnee. Ich päpple sie mit Heißgetränken und Broten auf. Anschließend fahren die beiden gestärkt weiter, der nächste Kunde wartet in Leipzig auf sie.
Gittis Sofas werden zunächst von Italien aus nach Mallorca gefahren, dort umgeladen und dann zu ihr gebracht. Die Lieferung kommt im April. Gitti muss arbeiten, ich nehme die Sofas bei ihr in Empfang. Ein großer Belgier und ein kleiner Spanier haben ein Dejà-vue-Erlebnis. Welch ein Hallo, das gibt es doch gar nicht! Sie erzählen mir, dass die Heizung auch weiter ihren Dienst versagte. Der Kunde in Leipzig hat Ihnen ein Hotelzimmer spendiert, „damit nix schlafen in Auto“, sagt der kleine Spanier, und wedelt wild mit den Armen. Ein Dankeschön an den unbekannten Hotelzimmer-Spender, das hat auch mein Herz erwärmt!