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Sprachkenntnisse

Gitti und ich fahren nach Frankreich. Auf uns wartet ein kleines Häuschen, das wir für zwei Wochen gemietet haben, irgendwo im Finistère, also am Ende der Welt. Im Gepäck befinden sich ein Stoß Landkarten und ein dickes Wörterbuch in zwei Bänden, Französisch-Deutsch und Deutsch-Französisch. Die Geschichte ist schon vor einigen Jahren passiert. Mobiltelefone oder gar ein Navigationsgerät gibt es zu dieser Zeit für uns noch nicht. Alles analog. Die wichtigsten Vokabeln kennt man, für den Rest gilt es, in den dicken Büchern nachzuschlagen.

Die Fahrt ist lang, wir machen einen Zwischenstopp in Le Mans. Der Hotelier, bei dem wir uns für die Nacht einmieten empfiehlt uns, vor dem Schlafen eine großartige Bar in der Nähe aufzusuchen, da können wir den Abend bestimmt schön ausklingen lassen. Er spricht schnell und nuschelt dabei, seine Wegbeschreibung untermalt er mit ausladenden Gesten. Wir brechen auf und sortieren, an was wir uns noch erinnern.

Tatsächlich gelingt es, die Bar zu finden. Wir treten ein, voll der frohen Erwartung, und wir merken bald, dass wir uns in einem chaotischen Karaoke-Laden befinden. Offensichtlich ist dies der örtliche Schwulentreff. Die Leute sind nett und mancher Paradiesvogel genießt die Bühne. Was der Hotelier wohl singen würde? Wir bekommen sogar noch eine Kleinigkeit zu essen und sprechen fröhlich dem guten Wein zu. Dann begeben wir uns auf den Rückweg zum Hotel.

Am nächsten Tag fahren wir weiter, am späten Nachmittag kommen wir im Finistère an. Die Dame des Ferienhäuschens beglückt uns mit einer kleinen Führung durch die Gemächer und überlässt uns die Schlüssel. Wir fahren in den örtlichen Supermarkt, um uns für die nächste Zeit mit Vorräten einzudecken.

Der Hypermarché scheint gut sortiert und ist riesengroß. Gitti bittet mich, mal nach Taschentüchern zu suchen, sie selbst enteilt in Richtung Fleisch- und Fischwaren. Ich irre ein wenig umher und finde dann einen Verkäufer. Na gut, dann frage ich halt mal. Ich nehme allen Mut zusammen. „Excusez-moi, Monsieur.“ Er lächelt mich an. Mir fällt eine elegante Formulierung ein, die ich mir zu Schulzeiten mal gemerkt haben muss: „Où se trouve“ beginne ich stolz meine Übersetzung von „wo befinden sich“, er lächelt mir aufmunternd zu. Ich schließe mit „les moustaches?“.

Er starrt mich an, bewahrt jedoch die Contenance. Was hat er denn? Die werden doch hier Taschentücher haben, oder? Bin ich blöd? Ich starre zurück. Das hilft bestimmt. Ich verleihe meinem Starren Nachdruck. Ein leiser Verdacht zieht derweil in mir auf. Ich zermartere mein Hirn auf der Suche nach dem Fehler. Moustaches – heißen die Dinger etwa nicht so?

Es dauert eine Weile, bis ich schnalle, was ich da gesagt habe. Die Erkenntnis trifft mich wie ein Blitz. Mist, das sind doch Schnurrbärte. Was nun? Ich starre weiter zurück, denn mir fällt das richtige Wort nicht ein. Ich beginne, mit den Armen zu rudern, dann versuche ich es mit Pantomime.

Endlich fällt mir es mir ein. „Pardon, les mouchoirs!“ Seine Miene hellt sich auf, er zeigt in eine Richtung, ich bedanke und empfehle mich, so schnell es eben geht. Gitti finde ich in der hinteren Ecke des Ladens, über eine Truhe voller Schalentiere gebeugt, in die sie vor Lachen fast hereinfällt, als ich von meinem Erlebnis berichte.

Neben Taschentüchern und dem restlichen Grundeinkauf tragen wir allerlei Gemüse in das Häuschen, dazu noch zwei Seezungen-Filets. Kräuter dürfen wir im kleinen Garten hinter dem Haus ernten, so ist es mit der Inhaberin abgemacht. Der passende Wein kühlt im jetzt gut gefüllten Kühlschrank. „Was machen wir jetzt aus den schönen Zutaten?“ Gitti hat eine Idee: „Seezungenfilets mit Brunoise des Vacances!“

Es geht los. Für die farbenfrohe Brunoise schneide ich je eine rote und eine gelbe Paprika, Zucchini, Kartöffelchen, Möhren, Frühlingszwiebeln und Knoblauch in sehr kleine Würfelchen. Gitti erntet frischen Thymian und zerkleinert eine Chilischote, mit beidem mariniert sie die Seezungenfilets. Wir schneiden die Schalen einer Orange und einer Zitrone in kleine, kurze Streifen, geben sie in den kleinsten Topf, den wir finden können und bestreuen sie mit braunem Zucker. Dazu kommt ein kleiner Schluck Wasser, gerade so viel, dass die Streifen bedeckt sind.

Wir trinken ein Gläschen weißen Martini und freuen uns auf das Essen. Für die Brunoise rösten wir den Knoblauch und die Frühlingszwiebeln in Erdnussöl an. Als sie eine goldgelbe Farbe annehmen dürfen sie außerhalb der Pfanne auf ihre weitere Verwendung warten. Wir braten die Gemüsestückchen kurz an. Gewürzt wird mit Gemüsebrühe, Pfeffer, Salz und einer Prise Zucker. Ein herrlicher Duft macht sich im ganzen Haus breit. Die Brunoise darf jetzt noch ein wenig gar ziehen. Knoblauch und Frühlingszwiebeln gesellen sich wieder zu den Gemüsestückchen. Wir passen auf, dass nichts verkocht.

Die Orangen- und Zitronenschalen werden parallel erhitzt, der Zucker schmilzt und so kandieren die kleinen Streifen. Gitti brät den Fisch an, ich decke den Tisch und öffne den Wein. Die kandierten Schalen servieren wir in einer kleinen Espressotasse, so können wir sie am Tisch über die Brunoise geben. Der Fisch braucht noch ein wenig Salz und Pfeffer aus der Mühle.

Beim Essen amüsieren wir uns weiter über meinen großartigen Auftritt im Hypermarché. In den nächsten Tagen beglücke ich tapfer weitere Leute mit meinen Versuchen, mich der Landessprache zu bedienen – nur nicht aufgeben!

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Diane

    i love this …you definitely have a gift …please keep writing and entertaining with these wonderful stories…german can be soo funny

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