Gitti und ich brechen mal wieder zu einer Reise auf. Zwei Wochen lang wollen wir unsere Seele auf Fuerteventura baumeln lassen. Uns locken das schöne blaue Meer, das wunderbare Klima und die Aussicht auf Entspannung.
Die Vorbereitungen laufen gut. Dieses Mal kontrollieren wir nicht ganz so oft, ob wir an alles gedacht haben. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich ein paar Reservekilo für unser Gepäck zugebucht habe. Wir könnten also vor Ort noch einkaufen, was fehlt, und wir könnten diese Einkäufe am Ende sogar einfach mit nach Hause nehmen. Dennoch bin ich froh, als wir endlich unterwegs sind.
Der Bustransfer zum Hotel wird zum ersten kleinen Abenteuer. Scheinbar ist einer der geplanten Busse ausgefallen. Die Busfahrer verwalten den Mangel, so gut sie können. Sie arbeiten jetzt keine Listen mehr ab, sondern geben alles, um die Gäste zu ihren Unterkünften zu bringen. Einer von ihnen kommt auf mich zu, fragt nach dem Namen des Hotels, kratzt sich am Kopf, notiert etwas auf einem Zettel und schnappt sich unsere Koffer. Dann lädt er um, so dass unsere und auch die Koffer von drei weiteren Personen noch in den Laderaum des großen Busses passen. Der Fahrer umrundet den Bus noch zwei Mal, bevor er uns hereinlässt. Auf seiner Stirn stehen Schweißperlen. Gitti steigt ein, wir anderen folgen. In der letzten Reihe angekommen dreht Gitti sich um. Alle Plätze sind belegt. Und jetzt?
Von vorne kommt in diesem Moment der Fahrer hinzu, kratzt sich wieder ratlos am Kopf, ist aber wild entschlossen, das Problem zu lösen. Er entdeckt einen Mann, der eine Reihe ganz allein belegt hat. Eineinhalb Sitze braucht er für sich, auf den anderen halben Sitz hat er seine Sporttasche und einen kleinen Rucksack platziert. Der Busfahrer entreißt ihm die Taschen und legt sie kurzerhand in die obere Gepäckablage. Das war der erste Streich. Ich quetsche mich zwischen den Herrn und das Fenster. Gitti hat inzwischen weiter hinten Platz gefunden, weil eine freundliche Frau ihr kleines Kind auf den Schoß nimmt.
Schräg hinter mir setzt sich eine Frau kurzerhand auf den Schoß ihres Mannes. Sie lachen vergnügt und freuen sich schon auf die tolle Geschichte, die sie ihren Freunden nach dem Urlaub erzählen können.
In den beiden Reihen vor mir sitzt eine vierköpfige Familie. Die Kinder sind so klein, dass man sie neben ihren Eltern sitzend fast nicht sieht. So muss es dem Busfahrer gegangen sein, als er auf der Suche nach Plätzen schnell durch den Bus lief – bevor er uns einlud. Der Mann starrt geradeaus. Seine Nackenmuskulatur ist deutlich angespannt. Seine Kiefer arbeiten. Das ist nicht gut für die Zähne. Achtung: Wer sich zuerst bewegt, der verliert! Er ist entschlossen, heute nicht zu verlieren. Sein kleiner Sohn zappelt neben ihm auf dem Sitz herum und beschmiert die Fensterscheibe mit irgendetwas Klebrigem. Aber dafür hat der Mann jetzt keine Zeit.
Allerdings wird seine Frau nun unruhig. Sie hat gerade realisiert, dass die Frau mittleren Alters schräg hinter uns die nächsten eineinhalb Stunden wohl auf dem Schoß ihres Mannes verbringen wird. Also nimmt die Frau vor mir ihre kleine Tochter jetzt doch auf ihren Schoß und bietet den letzten Platz an, der für diese Fahrt noch benötigt wird. Ihr eigener Mann starrt immer noch geradeaus. Vermutlich ist er sauer, dass sie verloren hat. Schließlich hat sie ihn mit ihrer Nachgiebigkeit beschämt, und so steht auch er plötzlich schlecht da.
Später bin ich froh, dass die vierköpfige Familie eine andere Unterkunft gebucht hat als wir.
Unterwegs hält der Bus kurz an. Etwa fünfzig Meter rechts neben der Fahrbahn stehen zwei Tipis. Wer hat wohl diese Unterkunft gemietet? Eine Frau steigt mit einem kleinen Mädchen aus. Die Hose fällt, das Kind wird, in den Armen der Mutter hängend, neben dem Bus entleert. Der Herr neben mir sagt: „Wat mutt, dat mutt!“ Er kann lächeln, wie schön! Mutter und Kind steigen wieder ein, dann geht es weiter.
Im Hotel werden wir freundlich empfangen. Es ist schon dunkel. Im Restaurant herrscht noch reges Treiben. Gitti und ich entdecken dort köstliche Leckereien und lassen uns einen Wein kredenzen. Das fängt ja gut an!
Am nächsten Morgen treibt uns die Erkundungslust nach draußen. Wohin wir auch blicken, überall locken das blaue Meer und der weiße Sand, umrahmt von ein paar Palmen. Das Wetter ist herrlich! Gitti und ich werfen luftige Kleidung über. Wir laufen am Wasser entlang über den langen Strand. Immer wieder muss ich stehenbleiben und die Farben bewundern: Ein breiter Streifen des Meeres ist türkisfarben und zeugt von seichtem Wasser. Weiter hinten fällt der Grund ab, ab da schimmert das Wasser in leuchtendem Dunkelblau. Darüber der wolkenlose Himmel. Wir kommen an einem Leuchtturm vorbei. Nach ein paar Kilometern erreichen wir die kleine Einkaufsmeile des nahe gelegenen Ortes. Dort lädt uns eine schöne Eisdiele mit bemerkenswert leckerem Eis zum Verweilen ein.
Wir flanieren noch ein bisschen umher und bewundern die Skulpturen, die längs der Promenade aufgestellt wurden. Irgendwann treten wir den Rückweg zum Hotel an. Gitti und ich sind recht durstig, als wir dort ankommen.
Gestern Abend hat man uns an der Rezeption zwei Zettel gegeben. An einem Stand in der Nähe des Pools sollen wir diese Zettel gegen Badetücher eintauschen können. In der Hoffnung, besagten Stand schnell zu finden, suchen wir einen günstig gelegenen Hotelzugang. Gitti und ich irren ein bisschen umher. Diesen Teil des Hotels kennen wir auch noch nicht. Ah, da vorne ist es! Zettel und Tücher wechseln die Besitzer.
Mit den frischen Badetüchern im Arm wird es jetzt aber Zeit, die Terrasse mit der Bar zu finden. Gitti wünscht sich ein kühles Bier. Ihr ist ein wenig heiß. Wir finden zügig Terrasse und Bar. Dort lasse ich Gitti mit den Tüchern auf einem kleinen Sofa im Schatten sitzen. Am Tresen bestelle ich zwei Cervezas. Wir haben kein All Inclusive gebucht, also möchte ich bar bezahlen oder die Getränke auf die Zimmerrechnung setzen lassen. Ich werde zur Rezeption geschickt. Dort soll ich bezahlen und mit dem Bon zurückkommen. Auf dem Tresen warten bereits die kalten Getränke.
Ich finde die Rezeption. Merkwürdig, die sieht ganz anders aus als die gestern! Immerhin tragen sie hier die gleichen Uniformen, das wird also schon passen. Vor allem: Ich habe Durst!! Das Gelände kann ich später noch genauer erkunden. Gitti wartet bestimmt schon sehnsüchtig auf die Erfrischung. Die Zimmernummer existiert. Sowohl der Rezeptionistin als auch mir kommt irgendetwas komisch vor. Wir einigen uns auf Barzahlung. Dann arbeiten wir heraus, dass Gitti und ich im benachbarten Hotel wohnen. Das gehört zur gleichen Kette. Deshalb auch die gleichen Uniformen! Von der Aktion mit den Badetüchern sage ich lieber nichts. Ich bezahle und gehe zurück zur Bar.
Die Bedienung schüttet meine inzwischen etwas abgestandenen Cervezas weg und zapft zwei neue. Wie lieb von ihr! Also, auf zu Gitti!
„Wo bleibst Du denn? War das echt so kompliziert?“ Gitti hat in der Zwischenzeit schon ein paar Fotos gemacht und an verschiedene Leute versendet. Die ersten Rückfragen, wo wir schon wieder sind, trudeln bereits ein. Während wir das Bier genießen, erkläre ich Gitti, dass wir im falschen Hotel sind. Sie kichert. Zum Abschluss unseres skurrilen Auftritts klemmen wir die beiden Badetücher entschlossen unter unsere Arme. Gemessenen Schrittes und unter Ausstrahlung größtmöglicher Selbstverständlichkeit verlassen Gitti und ich das Nachbarhotel.
Draußen kreuzen wir die Auffahrt und betreten schräg gegenüber das Hotel, dessen Rezeption wir gestern bereits kennenlernen durften. Auf den Schreck suchen wir sofort die Poolbar unseres Hotels auf. Gitti lässt sich auf eine der Liegen fallen. Und dort liegen wir dann völlig unvorbereitet eine Weile herum. Mit den Badetüchern aus dem Haus nebenan, mit kühlen Getränken aus dem hiesigen Haus und ohne Badezeug.