In fröhlicher Runde erlebe ich eine kleine Weinprobe. Der Genuss alkoholischer Getränke löst zunehmend unsere Zungen. Wir werden mitteilsamer. Zu vorgerückter Stunde ergehen wir uns in kleinen Fachsimpeleien.
Bei der Fachsimpelei wird ja schon sprachlich das allseits hoch angesehene Fachgespräch mit dem Simpel verquickt, der es führt. Oder ist es nur die Einfachheit der Sprache, die dem Begriff das Simple beisteuert? Simpel ist einfach. Eine simple Sprache bedarf keines besonderen geistigen Aufwands, sie zu entschlüsseln. Sie ist leicht zu bewältigen. Das passt prima zum weinseligen Zustand, in dem wir uns gerade befinden. Fachsimpeln ist locker, unkompliziert und zwanglos. Es stärkt unseren sozialen Zusammenhalt.
Besonders im süddeutschen Raum wird ja ein einfach gestrickter Mensch, dem keine besonderen geistigen Fähigkeiten zugemessen werden, gerne als Simpel beschimpft. Das ist echt gemein, stimmt’s? Gleichzeitig bewundern wir Menschen, die in der Lage sind, uns komplexe Zusammenhänge in einfachen Worten zu erklären. Wer ist da jetzt der Simpel?
Wenn Du an einer Fachsimpelei teilnimmst, musst Du geschickt mit Deinen fachlichen Lücken umgehen. Was wirst Du tun? Du kannst die Lücken einfach zugeben. Du kannst auch versuchen, sie unauffällig und unmittelbar durch geschickt gestellte Fragen zu schließen. Ansonsten kannst Du Dich dazu durchringen, die Lücken zu überspielen. Ein sicheres Auftreten bei völliger Ahnungslosigkeit hilft Dir beim Überspielen ungemein, oder? Die Fähigkeit, so aufzutreten gehört zum Handwerkszeug jeden erfolgreichen Blenders. Ups!
Muss ich mich als Blender beschimpfen lassen, sobald ich mal eine kleine Lücke überspiele? Vermutlich nicht! Das hier ist übrigens auch nicht die richtige Stelle, um sich sofort selbstkritisch ganz klein zu machen. Ein bisschen Selbstkritik ist gut und wichtig, aber bitte in Maßen!
Die Fachsimpelei mit dem Kellermeister, der unsere Weinprobe begleitet, langweilt mich inzwischen etwas. Dem Kellermeister muss unser trunkenes Gelaber doch mächtig auf die Nerven gehen. Ich stelle mir vor, dass alle Weinproben-Gäste irgendwann dieselben blöden Fragen stellen. Da muss er wohl durch.
Ich entschließe mich, die Fachsimpelei jetzt auf die Zielgerade zu bringen. Das geht ganz einfach. In die nächste Gesprächslücke hinein platziere ich zunächst eine völlig harmlos daherkommende Frage: „Wie ist das eigentlich mit den Korken und den Schraubverschlüssen? Was ist wirklich besser?“
Der geplagte Kellermeister nimmt die Frage bereitwillig auf und doziert ein Weilchen über die Historie der Weinflaschenverschlüsse. Ich höre geduldig zu. Am Ende ringt der gute Mann sich tatsächlich dazu durch, den Schraubverschluss besonders zu loben.
Das ist mein Einsatz!
Ich richte mich kerzengerade auf, straffe die Brust und erhebe stolz das Haupt. Diese Haltung unterstreicht meine eingebildete Autorität. Ein siegessicheres Lächeln liegt nun auf meinem Gesicht. Untermalt von einer raumgreifenden Armbewegung lege ich nun mit fester Stimme nach: „Das kann ich nur bestätigen. Außerdem muss man dann nicht so oft die Küche streichen!“
Augenblicklich ist es still im Raum.
Der arme Kellermeister bittet um eine Erklärung. Mein Tischnachbar fängt bereits an zu kichern. Er kennt mich gut genug, um zu wissen, dass ich wieder etwas loslassen werde, mit dem gerade keiner rechnet.
Ich genieße den Augenblick. Zuerst nehme ich noch einen Schluck aus meinem Glas. Und dann erzähle ich von der wahren Begebenheit, die sich neulich bei uns zu Hause zutrug.
Gitti und ich hatten ein leckeres Mahl zubereitet. Dem Weinkeller entnahmen wir eine Flasche, in der ein besonders guter Rotwein auf seine Verkostung wartete. Das Essen stand schon auf dem Tisch. Um es kurz zu machen: Der Korken ließ sich nicht ziehen. Aus Respekt vor dem Essen hat Gitti meine anschließende Porkelei mit dem Korken sehr schnell und sehr beherzt beendet. Wenn ein Korken nicht herauskommen will, dann muss man ihn halt in die Flasche hineindrücken!
Aus der Flasche schoss im nächsten Augenblick eine beeindruckende Fontäne. Roter Wein auf pastellgelber Raufaser! Welch ein schönes Spritzmuster!
Der Wein duftete nicht ganz so vielversprechend, wie wir es uns erhofft hatten. Spontan entschieden Gitti und ich uns für einen anderen edlen Wein, den ich schnell aus dem Keller holte – und der mit einem wunderbar einfach zu öffnenden Schraubverschluss ausgestattet war. Welch ein leckeres Tröpchen!
Letzte Woche habe ich dann endlich unsere Küchenwand frisch gestrichen.
Ach ja – die Fachsimpelei auf der Weinprobe fand mit meiner Erzählung ein jähes Ende. Sie wurde von einem regen Austausch über skurrile Erlebnisse aller Art abgelöst, und wir hatten jede Menge Spaß miteinander.
dann will ich mal zur Fachsempelei beitragen: Kork wird unter anderem deshalb als Flaschenverschluss verwendet, weil er sich dadurch auszeichnet, bei Längs Komprimierung praktisch keine quer Ausbreitung zu haben. dadurch lässt sich der Korken gut in die Flasche pressen, ohne den flaschenhals dabei zu sprengen.
dass der durch den Kopf ebenfalls mögliche Sauerstoffaustausch nicht relevant ist, sieht man daran, dass ein Schraubverschluss ja luftdicht ist