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Wie viel gemeint ist

Wenn etwas gut ist, darf es gerne mehr davon geben. Ja, aber bitte auch nicht zu viel davon!

Nicht immer ist sofort klar, wie viel gemeint ist. Das gilt beispielsweise für die berühmte „größere Hälfte“, die Gitti mir gerade überlassen will – aller mathematischer Akkuratesse, auf die Gitti sonst Wert legt, zum Trotz.

Wir sitzen gemütlich beim Abendessen und sind beide schon gut gesättigt. In der Schüssel, die den leckeren Salat beherbergt, gibt es noch einen Rest, den wir nicht aufbewahren wollen. Zusammen können wir die Menge jetzt sicher noch bewältigen. Wir werden den restlichen Salat also miteinander teilen. Zur Demonstration des jeweils eigenen Sättigungsgrades liegen auf unser beider Bäuche bereits unser beider Hände. Synchron blasen Gitti und ich die Backen auf. Anschließend handeln wir aus, wer die größere Hälfte essen darf oder muss und wie groß sie heute bemessen sein wird.

In der deutschen Sprache gibt es Wörter, die nur im Singular stehen und keinen Plural haben. Ich suche kurz nach Beispielen. Neben Dank, Liebe und Glück fällt mir spontan Blumenkohl ein. Hast Du mehr als einen Blumenkohl in Deinem Vorrat, so musst Du Dir sprachlich schon etwas einfallen lassen. Du kannst zum Beispiel auf Blumenkohlköpfe ausweichen. Dank, Liebe und Glück kannst Du zusätzlich mit vagen Mengenangaben ausstatten, also mit „viel“ oder „wenig“. Sollte der Wunsch nach viel Glück nicht genügen, dann stehen noch Steigerungen zur Verfügung, beginnend bei „ganz viel“. Spätestes an dieser Stelle bekommt vermutlich jeder Linguist die Krise. Ich hoffe also auf Gnade und damit auf etwas, das in diesem Kontext ebenfalls keinen Plural hat.

Die Linguisten nennen ein Wort, welches nur in der Einzahl vorkommt, Singularetantum. Der Begriffsteil „tantum“ bedeutet dabei „nur“, er steuert dem Begriff also seine ausschließliche Verwendung bei.

Konsequenterweise gibt es auch ein Pluraletantum. Ferien, Leute, Kosten und Prügel kommen immer nur in der Mehrzahl vor. Bei Prügel könnte allerdings auch der Prügel gemeint sein, also ein Stock, der sich dazu eignet, mit ihm auf etwas oder jemanden einzuschlagen. Falls es einen Menschen trifft, bezieht der dann Prügel. „Pfui! Verzichtet gefälligst auf Prügel und legt Eure Konflikte friedlich bei!“, rufe ich spontan aus.

Ich muss das nochmal sortieren. Der Prügel ist einfach nur ein Substantiv, also ein ganz normales Hauptwort, welches den Stock benennt. Zwei solche Stöcke heißen zusammen die Prügel. Das Pluraletantum Prügel bezeichnet in diesem Fall nur die Prügel, die bei der Schlägerei ausgeteilt und bezogen wurden.

Zum Glück gibt es auch ganz harmlose Hauptwörter, bei denen Einzahl und Mehrzahl gleich sind: Bohrer, Brunnen, Computer, Dampfer, Farmer, Fenster, Flügel, Kabel, Koffer, Lager und Lehrer.

Mitten in meine stillen Gedanken hinein beginnt Gitti gerade einen Satz mit: “Die Leiter …“. Jetzt muss ich schnell aufpassen, wie es weitergeht, denn sonst weiß ich nicht, ob es um mehrere Führungskräfte geht oder um die eine Leiter, die da gegenüber an der Hauswand lehnt.

Als wir nach dem Essen einträchtig unser Geschirr wegräumen, beglücke ich Gitti noch mit diesem Gedanken: „Wie viel fragt nach Zahlen, und Zahlwörter heißen Numerale. Aber wieso spukt jetzt die kleine Melodie aus dem Kinderlied mit dem Wiedehopf durch meinen Kopf? Wie heißt das Ding noch?“

Gitti fragt nach, ob ich „Die Vogelhochzeit“ meine. Ja, genau die meine ich! Und weil Gitti noch ganz verwirrt guckt, muss ich jetzt noch einen Hinweis auf den Refrain setzen. In Abwandlung zum Fide-ral-la-la aus dem Kinderlied singe ich leise und leider auch etwas schief, was mir gerade in den Sinn kam: „Nume-ral-la-la, Nume-ral-la-la, Nume-ral-la-la-la-la.“

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Tom

    Hallo Miri,

    darf ich bezüglich der Gnade das Kinderlied zitieren? „Gnadenbringende Weihnachtszeit“ und nicht „Gnade bringende Weihnachtszeit“! Da freut sich die Christenheit, es gibt mehr als eine Gnade!

    Liebe Grüße von uns an euch!

    1. Miriam

      Lieber Tom,
      beim Schreiben der Geschichte bin ich selbst über diese Stelle gestolpert – und dann habe ich eine Weile recherchiert. Selbstverständlich gibt es auch mehrere Gnaden. In dem speziellen Kontext jedoch, in dem ich schrieb, dass ich auf Gnade hoffe, hat Gnade keinen Plural. Ich fand diese Besonderheit so schön, dass ich sie als Stolperstein einfach in der Geschichte gelassen habe.
      Sollte das Ergebnis meiner kleinen Recherche falsch sein, muss ich wohl schon wieder auf Gnade hoffen 🙂
      Ganz liebe Grüße auch von uns an Euch!

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