You are currently viewing Wild und oder entschlossen

Wild und oder entschlossen

Mein Drucker will nicht mehr. Er quietscht und stinkt ein wenig. Seit einiger Zeit druckt er auch immer mal wieder mehr oder weniger hübsche Streifen mit aus. Wie es ihm gerade so gefällt! Heute ist er scheinbar der Auffassung, dass man mit mir ja nicht reden kann, dass ich ihn ja nicht verstehe oder verstehen will. Also lässt er beim Start alle Walzen rollen, quietscht dabei eine Weile jämmerlich und beschränkt seine Aktivität im Anschluss aufs Blinken. Und zwar mit der roten Lampe und in vorwurfsvollem Rhythmus.

Gestern hat er das auch schon gemacht, da wollte ich mich aber nicht um ihn kümmern. Heute also wieder, da muss ich mich wohl kümmern. Jetzt! Wahrscheinlich hat das Teil gestern Nacht mal wieder mit den anderen Sachen aus unserem Hausrat eine „Konferenz der Dinge“ abgehalten, aber das Thema gehört zu einer der anderen Schmunzelstories. Ich schimpfe vor mich hin und untersuche den Drucker. Eine erste Anamnese ergibt: alle Lämpchen leuchten noch, insbesondere das rote, kein Papierstau feststellbar, alle Tonerkartuschen in Ordnung, alle Klappen geöffnet und wieder geschlossen, alles aus- und wieder eingebaut, wo man einfach so drankommt, für tiefere Diagnosen brauche ich Werkzeug.

Ich bin sauer. Eigentlich hatte ich mir das alles anders vorgestellt. Meine Pläne für diesen Nachmittag sind damit über den Haufen geworfen. Mit Werkzeug bewaffnet rücke ich dem Drucker zu Leibe. Vorwurfsvoll zeige ich ihm zunächst mal den Schraubendreher. Aus allen Perspektiven und mit nachdrücklich grimmigem Gesichtsausdruck. Das ist meine letzte Ansage, zugleich seine letzte Chance, es sich nochmal zu überlegen.

Störrisches Ding!! Also dann, ich ziehe den Stecker und beginne mit dem Zerlegen. Ich fühle mich mehr wild als entschlossen, aber das, was ich eigentlich vorhatte erfordert am Ende einen Druckvorgang. Heul nicht, mach was!

Eine ausgedehnte Runde verbringe ich mit Schrauben, Fluchen, Reinigen und Eindämmen der Sauerei. Dann komme ich am Ende meines Lateins an. Mehr kann ich nicht tun. Gewissenhaft setze ich alles wieder zusammen und schließe das Gerät an den Strom an. Das rote Lämpchen funktioniert immer noch. Lauthals den Drucker beschimpfend, räume ich das Werkzeug weg. War es das jetzt mit uns – dem Drucker und mir? Nach nur zwölf Jahren?

Frustriert steuere ich die Toilette an. Dort beseitige ich die Tonerflecken, die ich beim Blick in den Spiegel auf Wangen und Stirn entdecke. Dann begebe ich mich für eine kleine Recherche ins Internet. Mal sehen, was solche Drucker mittlerweile kosten. Wegen des Lockdowns kann ich kein Fachgeschäft in der Nähe aufsuchen, um mir dort persönlichen Rat zu holen, also ist dies der Weg meiner Wahl.

Das Angebot verwirrt mich. Da gibt es Vergleichsseiten, diverse Verkaufsportale, haufenweise Bewertungen, mehr oder weniger gut aufbereitete Informationen aller Art und Links in alle Richtungen. Multifunktionsgeräte verdrängen zunehmend reine Drucker, aber was soll ich damit? Ich will doch nur drucken! Den Scanner habe ich vor einem guten halben Jahr ersetzen müssen, den werfe ich doch nicht weg, nur weil die Drucker jetzt auch noch andere Dienste anbieten wollen! Meine Filtereinstellungen werden konsequent ignoriert. Der ausdrückliche Wunsch nach einem Farblaserdrucker führt keinesfalls dazu, dass die blöden Suchmaschinen mir Schwarzweiß- und Tintenstrahldrucker vorenthalten. Zubehör grinst mich aus allen Ecken an, und zwar weit über das Druckerthema hinaus. „Es lebe die Vielfalt“, brumme ich frustriert und ironisch vor mich hin.

Am Ende brauche ich auch noch Gittis tatkräftigen Rat. Sie gibt alles und bewegt mich endlich dazu, einen konkreten Entschluss zu fassen. Behutsam legen wir den Drucker in den virtuellen Warenkorb, geben die Lieferadresse preis und entscheiden uns für eine Zahlungsart. Dann stellen wir uns per Klick an der virtuellen Kasse an. Und jetzt stellt sich plötzlich heraus, dass das Gerät doch nicht verfügbar ist. Das Programm kann nicht absehen, ob und wann der Drucker wieder lieferbar sein wird. Ich mache mir Luft: „Wozu haben wir all die schönen Angaben gemacht? Was soll das jetzt? Da stimmt doch was mit dem Ablauf nicht!“ Gitti empört sich mit mir, also fühle ich mich verstanden und in meiner Hilflosigkeit nicht so allein.

Schlimmer geht immer: Dieser Druckertyp ist plötzlich überall vergriffen, wo wir auch suchen. Wir teilen uns auf, fluchen beide lauthals, fühlen uns verschaukelt und würden beide gerne ein wenig im Onlineshop randalieren.

Für heute habe ich genug.

Tags drauf wappne ich mich innerlich und gehe das Projekt noch einmal betont geduldig an. Es gelingt mir tatsächlich, einen Drucker zu finden, der mir zusagt und eine Bestellung auszulösen. Die Lieferzeit ist so la la, aber bis dahin kann ich überwintern. Die üblichen Mails trudeln ein, mir werden Bestellung und Lieferzeitraum bestätigt, also halte ich die Füße still.

Der Lieferzeitraum verstreicht.

Im Netz finde ich ein lapidares „Lieferung verzögert“. Eine Woche später storniert der Händler von sich aus und schenkt mir einen Gutschein für meinen nächsten Einkauf. Beleidigt begebe ich mich noch einmal auf die Suche, schließlich bin ich wild entschlossen, einen Drucker zu erstehen! Zehn Minuten später mache ich den tupfengleichen Drucker bei einem anderen Händler ausfindig. Da kostet er ein bisschen mehr, ist aber sofort lieferbar. Ich bin ganz aus dem Häuschen und löse flugs die Bestellung aus. Noch am selben Tag kommt der Link, mit dessen Hilfe ich dann den Verlauf der Lieferung tracke. Zugegeben, „stalke“ trifft es wohl besser. Ich bin quasi in Echtzeit dabei, wie sich das Schätzchen auf seine Reise zu mir begibt. Um drei Uhr morgens schrecke ich aus einem Traum hoch, in dem ein bunt gekleideter Held des Lieferservices mit wehendem Umhang und meinem Paket auf dem Arm durch die Nacht fliegt.

Am nächsten Tag kommt der Drucker tatsächlich an. Ich bin versöhnt. Jetzt noch schnell aufbauen, anschließen und – kleine Vollbremsung.

Das Gerät hat sich zwar von alleine mit dem Rechner bekannt gemacht, sich aber nicht als Drucker zu erkennen gegeben. Mein Rechner weiß also, wie das Ding heißt, aber Drucken? Nein! Das geht dann doch zu weit. Es gibt keine Papierdokumentation, also tauche ich wieder ins Internet ein. Gitti kommt vorbei, guckt, wie ich vorankomme und setzt sich zu mir. Wir entdecken eine Liste mit Treibern. Hui, das ist ja wie früher! Wir raten, welcher der passende sein könnte, laden ihn herunter und stoßen die Installation an. „Guck mal, der Drucker erwacht aus seinem Dornröschenschlaf!“ Ich kann mein Glück gar nicht fassen. Bald kommuniziert er sogar mit dem WLAN und druckt: schön, bunt, zuverlässig, schnell, sogar doppelseitig. Welch eine Freude!

Flugs setzte ich mich hin und tippsle glückselig die nächste Schmunzelstory, die mir schon seit einer Weile durchs Hirn wabert. Dann bringe ich Gitti, die sich zwischenzeitlich zurückgezogen hat, einen frischen Vorab-Ausdruck davon und hoffe, dass sie Gefallen daran findet. Ihr Schmunzeln ist mein erster Lohn.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Mauro und Gianna

    Das leidige Thema mit dem Drucker kennen wir auch, dennoch ist es eine schöne Story, vor allem wenn am Ende der Erfolg mit einem zauberhaften Lächeln belohnt wird!
    Ein Lächeln ist der schönste Lohn 😀
    Danke dass du uns mit deinen Storys auch immer wieder zum Lachen bringst liebe Miri 🙏🏻🙏🏻

  2. Tom

    Hallo Miri,

    wie Du weisst, kenne ich Computersysteme seit Jahrzehnten als Nutzer, Reparateur, Administrator und Ratgeber für Administrator en- genau gesagt, meistens von der Seite des Verlierers.

    Es gibt da zwei schönen Bücher von Jocachim Graf, die es ganz gut treffen: (sinngemäß) „Computer und Zubehör sind in Silizium gegossene Heimtücke, die dazu dienem, die Fehler der Software zu optimieren und immer schneller auszuführen.“

    Ich freue mich, daß Du einmal einen Reparaturversuch unternommen hast und dann trotz aller widrigkeiten erfolgreich beim Ersatz des Druckers warst. Ich wünche Euch alles gute und viele Jahre ungestörte Drucke.

Schreibe einen Kommentar