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Feierabend! Ich fahre jetzt nach Hause. Von unterwegs aus rufe ich Gitti an. Das etwas schwankende Klingelzeichen, das die Freisprechanlage überträgt, verrät mir eigentlich schon, dass die Verbindung nicht so optimal sein wird, aber ich will unbedingt jetzt schon ein bisschen mit Gitti plaudern.

„Hallo? Haaallooooo!“, tönt es auch alsbald aus den Lautsprechern. Das fängt ja gut an. „Wie war Dein Tag?“, frage ich. „Bitte?“ Gitti hört mich nicht. „Ich rufe nochmal an!“, brülle ich, obwohl ich weiß, dass das auch nicht ankommt. Ich lege auf und starte einen neuen Versuch. Jetzt ist das Klingeln schon ein bisschen weniger jämmerlich, wenngleich immer noch nicht klar und stabil. Egal, da müssen wir durch.

„Wo steckst Du eigentlich so lange?“, fragt Gitti genervt. Sie hatte meine Heimkehr früher erhofft und versucht jetzt, das von ihr bereits liebevoll vorbereitete Essen zu retten. „Ich habe heute sechs Videos gedreht, das musste ich erst noch fertigmachen“, setze ich an zu erklären. Gitti unterbricht mich. „Du hast was?“ „Sechs Videos gedreht!“ „Sexvideos?“ „Nein, sechs Videos. Wir mussten sie dann noch ins Intranet stellen.“ „Ins Internet?“ „Nein, In-tra-net!!“

„Ich denke, Ihr arbeitet da!“ „Das ist ja Arbeit!“ „Seit wann drehst Du Sexvideos bei der Arbeit?“ „Für unsere User.“ „Bitte?!?“ „Als sprachneutrale e-Learnings.“ „Jetzt verstehe ich gar nichts mehr!“ Gitti ist geschockt. Vor meinem geistigen Auge erscheinen Bilder, die ich in ihrem Kopf vermute. Auwei, das kann ja was werden!

Ich versuche es mit genaueren Erklärungen. „Also wir haben doch da unsere Datenbank.“ „Ja, und was hat das mit den Videos zu tun?“ „Unsere User sitzen in aller Welt verstreut. Die brauchen Hilfestellungen, was den Umgang mit dem Programm angeht. Wegen der Zeitverschiebung können die uns nicht immer persönlich erreichen, wenn sie Hilfe brauchen.“ „Aha.“ „Und ich kann nicht auch noch in der Gegend herumfliegen, um alle zu schulen.“

„Wo willst Du hinfliegen?“ „Nirgends hin. Nicht nach China, nicht in die USA und auch nicht nach Mexiko.“ „Dann ist ja gut.“ „Ja, und da habe ich jetzt kleine Szenen gedreht. In denen kann man sehen, wie ich das Programm bediene. Das ist quasi eine Art Bildschirmaufzeichnung. Also How-To-Videos. Die ersten sechs Stück habe ich heute gedreht.“ „Und da sieht man Dich drauf?“ „Nein, nur meinen Bildschirm und die Maus.“ „Also doch Dich? Oder nur Deine Hand?“ „Nein, den Mauszeiger, wie er sich auf dem Bildschirm bewegt.“ „Sag das doch gleich!“

Ich atme durch, jetzt geht es immerhin nicht mehr um Sex. Gitti wendet sich praktischen Dingen zu: „Und wie lange brauchst Du noch?“ „Ich bin in zehn Minuten zu Hause.“ 

Beim Abendessen will ich endlich wissen, wie ihr Tag heute war. Die Frage ist schließlich auf der Heimfahrt völlig untergegangen. Unser Gespräch läuft live, Auge in Auge, da haben wir gute Chancen. Im Hintergrund spielt Musik, im Vordergrund klappern wir genüsslich mit dem Besteck. Gitti erzählt und ich höre aufmerksam zu. Ab und zu stelle ich eine Frage.

Ach, ist das schön, so beim Essen zusammenzusitzen und sich über den bisherigen Verlauf des Tages auszutauschen! Ich finde, das steigert die Lebensqualität ungemein, es festigt die Beziehung zueinander, es fühlt sich rundum gut an. Ich falle selig in den Genuss.

Mit meiner nächsten Frage sorge ich dann aber offensichtlich für Verwirrung. Gitti lässt das Besteck sinken, starrt mich an und fragt: „Wer hört denn hier schlecht?“ Ein schneller Konter verlässt meine Lippen: „Hä bitte?!?“ In der so gewonnenen Zeit läuft in mir der hektische Versuch, die Worte, die es in mein Hirn geschafft haben, dem aktuellen Gesprächsthema sauber zuzuordnen und einen Rückschluss auf die Worte zu ziehen, die Gitti tatsächlich gesagt haben könnte. Ich scheitere kläglich und muss jetzt zugeben: „Schlecht hören kann ich gut!“ – mehr habe ich zu meiner Verteidigung leider nicht vorzubringen.