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Phytomining

„Guck mal, was da wächst!“, ruft Gitti entzückt. Hellgelbe Blüten, grüne Blätter, etwa einen halben Meter hoch, haarige Stängel. Ich kenne das Zeug nicht. Ich bin ein Stadtkind. „Wir müssen noch Senf kaufen!“, sagt Gitti. Sie hat längst erkannt, was da wächst.

Ich bin immer noch ahnungslos, nehme aber die Gelegenheit wahr, Gitti von einem Artikel zu erzählen, über den ich neulich gestolpert bin. „Die Welt sollte in Goldgräberstimmung sein!“, setze ich an. „Seltene Erden und Metalle brauchen wir in rauen Mengen, und jetzt könnten wir sie einfach ernten lassen. Ja, so richtig auf dem Feld. Von einem Bauern. Das hat auch einen wohlklingenden Namen, das nennt sich ‚Phytomining‘. Habe ich neulich gelesen!“

Gitti guckt interessiert, also fahre ich fort. Mit einer ausladenden Geste übers ganze Feld, um das wir gerade herumlaufen, verkünde ich: „Nachdem wir viele Jahre lang unsere Böden gründlich verseucht haben, sollten wir aufräumen! Und wer könnte das besser als Pflanzen? Die Natur regelt so vieles, sie kann das bestimmt effektiver als wir. Wir Menschen können nur effektiv ruinieren!“ „Dieser Acker hier ist aber nicht verseucht“, wirft Gitti ein.

Ich schwalle sie unbeirrt weiter voll. „Mauer-Steinkraut und Schaumkresse zum Beispiel nehmen bestimmte Metalle aus dem Boden auf und speichern sie in ihren Wurzeln. Wenn Du auf einem verseuchten Acker die richtigen Pflanzen anbaust, wandern die Schadstoffe über die Wurzeln in die Pflanzen und die Konzentration der Schadstoffe im Boden nimmt ab. Nach einigen Jahren ist die Konzentration im Boden dann so gering, dass auch wieder andere Pflanzen angebaut werden können – ausdrücklich auch solche, die uns ernähren. Ist das nicht toll?“

„Das ist ja interessant. Wird das auch tatsächlich irgendwo gemacht?“ „Ja, aber da ist noch Luft nach oben. Bekannt ist der Effekt übrigens schon viele Jahre, aber wir Menschen stehen uns selbst im Weg. Mal wieder. Diesmal geht die Geschichte wohl so: Ein texanisches Unternehmen hat zuerst Geld in die Erforschung des Phytominings investiert und sich dann 1995 über Patente die wirtschaftliche Verwertung der Methode gesichert. Danach wurde eine große Schublade geöffnet, das Phytomining hineingelegt und die Schublade bis zum Auslauf der Patente geschlossen gehalten. Das Unternehmen stellte seine Aktivitäten zu diesem Thema ein und untersagte weltweit jegliche kommerzielle Nutzung. Pfui!“

„Das ist ja mal wieder typisch. Eine riesige Sauerei ist das!“ Gitti macht eine wegwerfende Bewegung, dann richtet sich ihr Blick wieder nach vorn: „Und wie bekommt man die Metalle dann aus den Pflanzen wieder raus? Geht das? Lohnt sich das?“

„Also zuerst mal: Ja, es lohnt sich. Meistens werden die Pflanzen nach der Ernte getrocknet und gemahlen, dann brauchst Du noch irgendeinen Prozess, um das Metall zu isolieren oder herauszuwaschen. Es gibt aber auch Bäume, die das Metall flüssig einlagern. Vielleicht könnte man es dort abzapfen, so ähnlich wie Harz. Und in Sachen Wirtschaftlichkeit habe ich mir folgendes gemerkt: Für die herkömmliche Gewinnung von Nickel braucht man im Boden eine Konzentration von mindestens 1,2%. Sonst rechnet es sich nicht. Enthält ein Boden bloß 0,1% Nickel, kann man aber schon gewinnbringend mit Phytomining ernten.“ „Na, das ist doch was!“, findet auch Gitti.

„In Deutschland gibt es übrigens viele verseuchte Felder, beispielsweise in der Nähe alter Bergwerke. Unsere Forscher hoffen, diese Böden mit Hilfe geeigneter Pflanzen wieder nutzbar machen zu können.“ „Und welche Stoffe könnten wir so ernten?“, will Gitti jetzt wissen. „Ich habe zuerst von Nickel gelesen. Das brauchen wir zur Herstellung von Edelstahl. Und dann war noch die Rede von Kobalt, Platin, Palladium und Zink.“ „Palladium?“, fragt Gitti. „Steckt das nicht auch in Smartphones?“ „Ich weiß nicht. Guck doch mal nach.“ Gitti zückt ihr Telefon und konsultiert das Internet. „Ja, zumindest in geringen Mengen. Mehr davon wird zur Abgasreinigung eingesetzt.“ Sie navigiert sich noch ein Weilchen durch die angebotenen Seiten, dann sagt sie: „Es kann aber auch in Weißgold stecken.“

„Apropos Gold! Gitti, willst Du nicht mal Gold anbauen?“ Gitti steckt ihr Smartphone wieder ein und guckt mich fragend an. „Also Du hast ja eindeutig einen grünen Daumen.“ „Ja und?“ „Unter Deinen Händen gedeihen unsere Pflanzen sensationell prächtig.“ „Danke, aber was soll das jetzt mit dem Gold?“ „Du könntest außer dem Thai-Basilikum und den vielen anderen Kräutern doch auch mal Gold anbauen!“ „Und wie soll ich das Deiner Meinung nach anstellen?“

Ich genieße den Moment und erinnere mich an den Artikel, den ich gelesen habe. Nach einer kleinen Kunstpause rufe ich: „Senf! Mit der Senfpflanze kann man Gold ernten!“

Gitti grinst listig, dann zeigt sie auf das Feld mit den mir immer noch unbekannten gelb blühenden Pflanzen und fragt: „Etwa so?“

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Mauro und Gianna

    Eine sehr schöne Geschichte mit wissenschaftlichem
    Aspekt. Über die Goldernte müssen wir noch eine Weile philosophieren 🤔😂

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