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Die neue Emma

Die Emma ist tot, es lebe die Emma!

Bei Gitti und mir haben ja viele Dinge eigene Namen. Die Stubenfliege heißt Antonella. Das Navigationsgerät hört auf den schönen Namen Martha. Es gibt einen Sitzhocker, der schmutzige Wäsche beherbergt und ab Werk den Namen Daniel trägt. Wir können nichts dafür, der hieß wirklich schon so. Ja, und Emma, das ist die Spülmaschine.

Die bislang amtierende Emma hatte neulich einen wirtschaftlichen Totalschaden. Gitti und ich ersetzen sie nun. Ihre Nachfolgerin heißt natürlich auch Emma. Mit der neuen Emma gönnen wir uns richtig was.

Im Geschäft prüfen wir in Gegenwart des werten Verkäufers mit Hilfe eines DIN A4-Blattes, ob unsere großen Teller überhaupt in die Maschine passen. Solch ein Blatt ist ja 29,7 cm lang und 21 cm breit. Das weiß ich seit meiner Ausbildung zur Technischen Zeichnerin, die ich vor dem Studium absolvierte. Die großen Teller sind quadratisch und messen von Kante zu Kante 27 cm. Lege ich den kleinen und den Ringfinger zusammen, so sind sie direkt am unteren Ende des Nagelbetts vom kleinen Finger zusammen genau 2,7 cm breit. Wie praktisch! Ich nehme also im Geschäft Maß und falte das Blatt kurzerhand auf die exakte Länge von 27 cm. Dann stellen wir das Blatt unter den staunenden Augen des Verkäufers in die Maschine und schubsen beherzt den Sprüharm an, der im Betrieb unterhalb des oberen Korbes rotieren und das Wasser verwirbeln wird. Das Blatt wird vom Sprüharm nicht berührt, prima!

Gitti gefällt besonders die Besteckschublade, die sich direkt unter dem Maschinenhimmel befindet. Vor ihrem inneren Auge liegen Messer, Gabeln und Löffel sortenrein beisammen, und sie freut sich schon darauf, dass auf dem Besteck künftig keine Wasserflecken mehr zurückbleiben werden.

Wir diskutieren eine Weile, vergleichen mit den benachbart aufgebauten Maschinen und erfragen technische Details. Der Verkäufer freut sich, kann er doch endlich zeigen, wie gut er sich auskennt. Es kommt zum Abschluss des Geschäfts.

Zwei Tage später zieht Emma bei uns ein. Gitti und ich erfreuen uns an dem, was Emma so alles kann.

Emma schubst zum Beispiel von alleine die Tür auf, wenn sie mit ihrem Spülauftrag so gut wie fertig ist. Auf diese Weise kann der heiße Dampf entweichen, der bei Emmas Arbeit in ihrem gut isolierten Innenraum entsteht. Früher, wenn wir das Öffnen der Tür allzu bald nach Programmende selbst bewerkstelligt haben, führte das bei uns häufig zu einem Paar beschlagener Brillengläser. Unmittelbar danach meist sogar zu Gemoser. Durch beschlagene Gläser lässt es sich eben nicht so gut gucken. Hätten wir Kinder oder Haustiere, so folgten wir aus Sicherheitsgründen sicher den in der Anleitung beschriebenen Schritten, mit deren Hilfe man diese Funktion unterbinden kann. Dann bliebe die Tür halt zu.

Beim ersten Bestücken mit Geschirr wundern wir uns darüber, dass der untere Korb sich nur halb nach vorne herausziehen lässt. Haben wir doch etwas übersehen? Müssen sich Emmas und unsere Wege sofort wieder trennen? Gitti löst das Rätsel ganz pragmatisch. Beherzt zieht sie an dem Korb. „Das muss gehen!“, ruft sie dabei aus. Und dann, völlig überraschend, passiert es: Der Korb schwenkt in einem Bogen von unten nach oben. Gitti stößt einen spitzen Schrei aus. Wie vom Donner gerührt starren wir auf den Korb, der nun oben vor dem oberen Korb hängt.

Und wie hält das jetzt? Aha, er ist da irgendwo eingerastet. Einen Teil des Griffs, der vorne am Unterkorb angebracht ist, kann man nach oben ziehen. Damit lässt sich die Arretierung wieder lösen. Mit etwas Nachdruck können wir Emma dazu bewegen, den Korb wieder nach unten zu schwenken. Wir holen ihn wieder hoch, räumen ein paar Teller hinein und schwenken den Korb vorsichtig wieder runter. Das passt wie Nut und Feder. Größer hätten die Teller nicht sein dürfen! Ich krieche kopfüber in die Maschine und bewundere den schönen Mechanismus mit seinen schlanken, seitlich angebrachten Zylindern, die bei den Schwenkbewegungen aus- und wieder einfahren. Mein Maschinenbauerherz lacht.

Gitti steht daneben, weiteres Geschirr bereits in Händen. Sie wird langsam ein wenig ungeduldig und fragt genervt: „Kannst Du da mal wieder rauskommen?“ Ich sehe ein, dass ich den laufenden Betrieb nur störe und nehme mir vor, die Mechanik an einem anderen Tag nochmal genauer zu inspizieren.

„Warum hat der nette Verkäufer uns bloß nichts über diese Funktion erzählt?“, fragt Gitti. Sie hätte auf keinen Fall darauf verzichtet, genau das besonders anzupreisen. Ich denke eine Weile darüber nach. Dann erinnere ich mich daran, dass die Maschine im Verkaufsraum nur so halblebig in eine simulierte Küchenzeile eingebaut war. Sie kippte schon bedrohlich, wenn man nur ein bisschen am Türgriff zog, um die Tür zu öffnen und das Innere der Maschine zu inspizieren. Hätte Gitti vor Ort einmal beherzt am Korb gezogen, wer weiß, ob uns nicht das ganze Ding entgegengekommen wäre!

Emma verfügt über einen Trüblauf-Sensor. Damit misst sie natürlich nicht die Stimmung in unserem friedlichen Zuhause, sondern die Trübung des Abwassers. Daran erkennt Emma ihren eigenen Spülerfolg. Sie erlaubt sich den Rückschluss, wann das Geschirr wohl sauber ist. Es wird also nicht mehr gespült, bis die Zeit um ist, die für das gewählte Programm veranschlagt wurde, sondern bis das Wasser durchsichtig genug ist. Und dann vollendet Emma schnell noch ihr Werk, schubst die Tür auf und legt sich wieder hin. Jetzt ist es an uns, das saubere Geschirr aus- und verschmutztes wieder einzuräumen.

Die Zeit vergeht. Mittlerweile haben wir Emma auf Herz und Nieren getestet. Nach einigen Wochen friedvollen Zusammenlebens kann ich konstatieren: Wir sind immer noch schwer begeistert von unserer Emma.

Die neue Emma ist übrigens so leise, dass Gitti sich kaum zurückhalten kann, deren Tür einfach mal zur Kontrolle aufzureißen und Emma mit laut erhobener, vorwurfsvoller Stimme zu fragen, ob sie überhaupt arbeitet, wie Gitti es ihr doch kürzlich aufgetragen hat. Die dezenten Kontrolllämpchen an Emmas Tür vermochten es bislang, Gitti dann doch noch im letzten Moment von diesem Vorhaben abzubringen. Emma würde sich sicher mit einer heißen Dampfwolke für Gittis Misstrauen bedanken. Und die stünde dann wieder mit beschlagenen Brillengläsern da und würde die arme Emma ordentlich anmaulen.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Tom

    Guten Morgen liebe Miri und liebe Brigitte,

    Mein Maschinenbauerherz lacht auch, danke für das Foto von der Mechanik. Ich hatte auch überlegt wie ich so eine Mechanik konstruieren würde und Du hast mir mit dem Foto eine Fahrt in ein Geschäft erspart.

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