Es ist Freitag. Die Woche war anstrengend und wir waren recht umtriebig. Gleich geht es endlich ins wohlverdiente Wochenende. Gitti hat für uns einen Tisch reserviert. Wir möchten uns kulinarisch verwöhnen lassen. Voller Vorfreude ziehen wir los.
Wir lassen uns im Restaurant nieder, geben unsere Bestellung auf und warten geduldig auf unser Essen.
Freitag, der 13. steht auf dem Kalender. Dieser Tag ist ein von vielen Menschen gefürchteter Tag. Im Volksmund wird die Dreizehn sogar zum „Dutzend des Teufels“. Ein normales Dutzend besteht aus zwölf Teilen. Die Zwölf gilt allgemein als vollendete Zahl. Und das „Dutzend des Teufels“ hat eben dreizehn Teile. Wem läuft da nicht ein kleiner Schauer über den Rücken!?!
Vor genau 716 Jahren fiel der 13. Oktober auch schon auf einen Freitag. Und an diesem Tag wurden in einer konzertierten Aktion fast alle Mitglieder des berühmten Templerordens verhaftet. Das geschah auf Befehl des französischen Königs Philipp IV. Die Tempelritter unterstanden direkt dem Papst. Zwischen Krone und Papst tobte ein Machtkampf. Angeblich entkamen der Verhaftungswelle damals ganze zwölf Tempelritter. Ausgerechnet zwölf!
Hier im Restaurant wird gerade niemand verhaftet. Gitti und ich finden das sehr beruhigend. Natürlich wissen wir, dass in dieser Sekunde ganz viele Menschen auf der Welt verhaftet werden. Uns ist auch klar, dass unglaublich viele Menschen schlimmeres Unglück erleiden, als wir uns überhaupt vorstellen können. Deswegen sind wir heute auch besonders dankbar für unsere eigene Lage!
Das Essen wird serviert. Wir prosten einander fröhlich zu und widmen uns konzentriert der Nahrungsaufnahme. Gitti guckt bald etwas unglücklich. Ihr Essen ist zu kalt. Dennoch isst sie klaglos weiter. Während ich genieße, kämpft Gitti sich durch. Ich bemerke nicht, wie sehr sie ringt – mit dem Essen und mit sich selbst. Erst beim Abräumen fragt Gitti den Chef des Hauses, ob das Essen eigentlich warm hätte sein sollen. Er bestätigt ihren Verdacht und entschuldigt sich sofort in aller Form.
Was Gitti überhaupt nicht verdient hat, ist meine ungeschickte Reaktion. Als sie sich im Nachhinein bei mir über das kalte Essen auslässt, entfährt mir eine Art Standpauke. Deren Tenor: Du hättest den Wirt aufmerksam machen sollen, als er noch eine Chance hatte, Abhilfe zu schaffen. Das mag zwar stimmen, aber es wird ihr nicht gerecht. Mein anschließender Versuch, Gitti eine Brücke zu bauen, ihr zu helfen, das schlechte Gefühl loszulassen und sich wieder auf die schönen Teile unseres gemeinsamen Abends konzentrieren zu können, geht komplett in die Hose. Gitti fühlt sich in ihrem Kummer weder gesehen noch verstanden. Mit meiner Reaktion habe ich ihr Problem geradezu marginalisiert. Niemandem hilft es, dass es anderen schlechter geht. Positive Aspekte ins Rampenlicht stellen und den Rest einfach ignorieren? Davon wird das eigene Gefühl nicht besser! Mir bleibt nur, es nicht noch schlimmer zu machen und sie endlich um Entschuldigung zu bitten.
Mit der Feststellung, dass der berüchtigte Freitag, der 13. nicht für den eben erlebten Reinfall verantwortlich ist, schließt Gitti vorerst Frieden.
Für jene Glücksritter, die im Oktober 1955 an der allerersten Ziehung der Lottozahlen teilnahmen und auf ihrem Lottoschein die Zahl 13 angekreuzt hatten, ist die böse Dreizehn gewiss keine schlechte Zahl. Sie war nämlich die erste Zahl, die beim Lotto überhaupt gezogen wurde!
In vielen Ländern gilt die Dreizehn als Glückszahl. Guckt man genauer hin, so fällt auf, dass es noch viel mehr Zahlen gibt, denen eine besondere Bedeutung zugemessen wird. Spontan fallen mir die Drei, die Sieben und die Siebzehn ein.
Das sind ja alles Primzahlen! Die Sieben würde ich spontan als Glückszahl wählen. Aber vielleicht gibt es auch jemanden, für den die Sieben etwas ganz Schlimmes repräsentiert. Schon wieder läuft ein kleiner Schauer über meinen Rücken. Dann kriege ich mich wieder ein und kehre zu meiner eigentlichen, leider ganz unromantischen Überzeugung zurück. Die besteht darin, dass es weder Glücks- noch Unglückszahlen gibt.
Dennoch stelle ich fest: Wenn ich gerade beschlossen habe, dass eine Zahl oder ein spezieller Tag eher unter einem guten Stern steht und sich dann auch noch etwas Gutes einstellt, dann fühle ich mich in meiner Einschätzung bestätigt. Habe ich schon Schlimmes befürchtet und es stellt sich Schlimmes ein, so wird halt meine Erwartung schlimmer Dinge bestätigt. Wenn es anders kommt, als erwartet, bin ich vielleicht überrascht, aber ich werde das vermutlich nicht so deutlich wahrnehmen. Schließlich kann ich in diesem Fall eben nicht ausrufen: „Hab‘ ich es doch gewusst!“
Zur Vorsicht rate ich übrigens im Umgang mit der „Self-fulfilling Prophecy“, also der sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Bei ihr ist oft die angstvolle Erwartung dessen, was im schlimmsten Fall passieren könnte, so stark, dass man mit seinem eigenen Verhalten am Ende sogar selbst dafür sorgt, dass die doofe Prophezeiung schließlich wahr wird.
Bestimmt kann man den Effekt auch positiv nutzen. Dann arbeitet man zunächst an einer positiven Prophezeiung, glaubt dann fest an das Eintreten des soeben selbst Vorhergesagten und verhält sich ab da konsequent so, dass man möglichst viel zur Erfüllung der eigenen Erwartung beiträgt. Ob sich wohl ein Primzahltag besonders gut dazu eignet, mit so etwas anzufangen? Also beispielweise ein Neunzehnter?
Hallo Miriam, eine wirklich schöne Storie! Für mich deshalb, weil ich mich mal länger mit der Numerolgie beschäftigt habe. Pythagoras sagte den berühmten Satz, „der Bau der Welt beruht auf der Kraft der Zahlen“. Man könnte das weiter spinnen im Brauchtum, in der Mystik und Religionen, aber auch bei Gebäuden und der Kunst. Diese symbolische und bedeutenden Kraft der Zahlen ist einfach umwerfend faszinierend. Danke für die Anregung mal wieder darüber nachzudenken. LG Peter