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Kochunfall

Nachher wird Tina zu uns kommen, wir freuen uns schon auf ein gemütliches Abendessen. Unser erster Weg des Tages führt uns in den Supermarkt. Dort werfen wir kurzerhand alle unsere Pläne über Bord, als Gitti Kalbsbeinscheiben entdeckt. Die gibt es nicht immer, und deshalb ändert sich mit dieser Entdeckung alles.

Der neue Plan: Ossobuco. Au ja! Wir beraten, welche Auswirkungen das auf unseren Einkauf hat, dann schwärmen wir aus, treffen uns mit Möhren, Staudensellerie, Gemüsezwiebeln, Tomaten, Kartoffeln, Petersilie, Knoblauch und Limetten am Einkaufswagen wieder und überlegen weiter, welche Vorspeise wir kredenzen wollen. Gitti schlägt One-Pot-Pasta vor, aber mir spannt bei der Vorstellung schon der Ranzen. Beide Gerichte sind ja durchaus gehaltvoll. Ich lege meine Hände auf den Bauch und blase verzweifelt die Backen auf: „Pfff“. Gitti lenkt ein. Sie ist zwar der Ansicht, dass ich ja von allem weniger essen könnte, aber sie weiß genau, dass das eher theoretischer Natur ist.

Wie von Geisterhand finden wir uns beim Thunfisch wieder. In der Nähe gibt es auch Kapern und schwarze Oliven. Genau! Thunfischcreme vorweg! Lecker!! Haben wir noch etwas von dem tollen Knäckebrot mit Rosmarin und Fleur de Sel drauf? Bestimmt. Oh, und zu Hause gibt es noch frische Minze, damit könnten wir die Creme garnieren. Ist noch Schmand da? Beschwingt füllen wir den Wagen und machen uns auf den Heimweg. Gitti will unbedingt noch einen Kuchen backen und ihn als Nachtisch kredenzen, aber das verrät sie mir erst später, noch ein „Pfff“ mag sie sich jetzt nicht anhören.

Voller Vorfreude auf den Abend machen Gitti und ich uns ans Werk. Zuerst kümmern wir uns um das Ossobuco. Ich schnibble alles klein und Gitti brät derweil die bemehlten Beinscheiben scharf an. Das Gemüse küsst die Pfanne, Gitti sorgt für reichlich Sauce. Alles zusammen verschwindet für die nächsten zweieinhalb Stunden abgedeckt im Ofen. Die Kartoffeln können wir später aufsetzen, die Gremolata bereite ich aber lieber jetzt schon vor. Petersilie, Knoblauch und Limettenzesten verbreiten beim Kleinhacken einen herrlich frischen Geruch, dann verschwinden sie im Kühlschrank. Von der Gremolata kann sich dann beim Essen jede von uns so viel über das Ossobuco und die Salzkartoffeln geben, wie sie will.

Zur Vorspeise: Für die Thunfischcreme gibt Gitti eine Dose Thunfisch, eine rote Zwiebel und einen Becher Schmand in die kleine Küchenmaschine, in der jetzt mit scharfen Messern und ordentlichem Getöse die Umwandlung zur Creme stattfindet. Gitti würzt sie mit Salz, Pfeffer und einer Prise Zucker, dann gießt sie noch ein wenig Öl an. Und dann erstarrt sie, guckt verzweifelt in die Schüssel und schreit: „Mist! Zuviel!!“ Sie gibt einen zweiten Becher Schmand hinzu. „Immer noch zu flüssig!“ Es folgen ein paar Schimpfwörter, ein Löffel schlittert über die Arbeitsfläche. Gitti guckt mich wütend und traurig zugleich an.

In meinem Kopf rattert es. Es muss doch möglich sein, etwas Gutes daraus zu machen! Vor meinem inneren Auge sehe ich plötzlich Eisbollen. Als Zwischengang habe ich mal in einem Gourmettempel ein herzhaftes Dings gegessen, von dem ich nur noch weiß, dass es mit eiskalten Basilikum-Nockerln umlegt war, die total intensiv geschmeckt haben. Ja, das ist es!

„Gitti, mach daraus doch einfach ein Eis. Eine herzhafte, kühle Überraschung! Geeiste Creme! Das wird total lecker, was meinst Du? Gitti legt den Zeigefinger über die Lippen, ich sehe, wie sie den Gedanken zulässt, wie in ihrem Mund das Wasser zusammenläuft, ihre Miene sich aufhellt und wie das kleine Funkeln in ihren Augen erwacht. Urplötzlich stürmt Gitti an mir vorbei und holt die Eismaschine. Zum Glück wohnt die doppelwandige Schüssel der Maschine sowieso immer in unserem Tiefkühler, also können wir das jetzt auch spontan umsetzen. Im Schrank finde ich geschwefeltes Salz, das schmeckt nach Ei. Kala Manak heißt das Zeug, ich kenne es auch als indisches Steinsalz oder Schwarzsalz. Davon, so beschließen wir, darf sich später jede noch ein wenig über die Creme streuen, ganz nach Lust und Geschmack.

„Und wie willst Du die Vorspeise servieren?“, fragt sie. Gitti sorgt sich nämlich zu Recht darum, dass das Eis beim Essen dann nur nervig auf dem Teller herumrutscht. Ein Schälchen findet sie blöd und unpraktisch, weil man dann nie so recht weiß, wo man das Knäckebrot ablegen soll. Wir diskutieren ein Weilchen, dann steht fest: Es wird ein Minzebett geben. Wir legen einfach frische Minze auf den Teller, die geeiste Creme sieht darauf bestimmt hübsch aus und findet Halt. Außerdem kann man sie mitessen, denn geschmacklich passt Minze prima zur Thunfischcreme. Die Oliven, am besten in Scheibchen, und die Kapern können wir daneben aufhäufeln. Wenn das alles auf der einen Hälfte des Tellers liegt, ist auch Platz fürs Brot. Weil mir Kapern immer ein bisschen zu sauer sind, will Gitti sie vorher abtropfen lassen und sie ein wenig ausdrücken. Wie lieb von ihr!

Als Tina später die Vorspeise sieht, wirbelt sie herum und greift zu ihrem Telefon. „Sonst mache ich das ja nie, aber das sieht so schön aus!“, ruft sie und macht ein Bild. Wir erzählen ihr, dass sie hier die Folgen eines Kochunfalls ausbaden muss. Nach ein paar Löffelchen hebt sie den Kopf und fragt: „Kriegt Ihr das wieder so hin?“ Wir sind zuversichtlich, rekapitulieren aber nochmal, wie das war. „Gitti, hast Du eigentlich noch irgendetwas hinzugefügt, bevor Du die Eismaschine angeworfen hast?“ Gitti grinst mich an, schüttelt den Kopf und antwortet: „Nichts.“ Ich hake nochmal nach: „Gar nichts? Und wieviel davon?“ Tina steigt ein: „Einen Esslöffel?“ Gitti bleibt cool und sagt: „Wenn überhaupt, dann einen Teelöffel. Maximal einen flachen!“

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Tom

    Hmm, klingt so, als wäre das wieder ein gelungener Abend gewesen. freut mich sehr für Euch.

    Aber es ist wohl extrem wichtig, niemals zu viel von dem Nichts zu nehmen, das kann das ganze Rezept verderben!

  2. Mauro und Gianna

    Yummy, yummy, am besten gleich ausprobieren 😋😋, da läuft einem gleich das Wasser im Mund zusammen!
    Es hört sich nach einem perfekt gelungenen Kochunfall an! Bravo!

  3. D

    Love love love these stories

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