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Frisch aus Nachbars Garten

Der Nachbar von schräg gegenüber steht auf seinem Balkon und winkt mir fröhlich zu. Ich stehe oben auf dem kleinen Wirtschaftsbalkon vor unserer Küche und winke zurück. Der Nachbar winkt weiter, jetzt eindringlicher. Nach einer Weile verstehe ich, er will irgendwas von mir. Ich höre also endlich mit dem Zurückwinken auf und gucke mir die von ihm dargebotene Performance etwas genauer an.

Mit seinen großen Händen formt unser Nachbar eine dicke virtuelle Wurst, beginnend vor der Brustmitte, dann mit beiden Händen bis auf Rumpfbreite nach außen gezogen. Zum Abschluss rundet er mit schraubenden Bewegungen den in die Luft gezeichneten Gegenstand links und rechts ab. Und dann guckt er stolz, auffordernd und zugleich fragend über die Straße zu mir herüber. Ich stehe auf der Leitung. Er wiederholt seine Pantomime noch zwei Mal. Dann streckt er den Zeigefinger der rechten Hand aus und sticht ihn mit großer Geste mehrfach schnell nach unten in Richtung seines Vorgartens. Anschließend beginnt das Formen und Schrauben wieder von vorne. Ich rufe ihm zu, dass ich rüberkomme und mache mich auf den Weg.

Wir treffen uns an dem Jägerzaun, der seinen Vorgarten umfängt. Der Nachbar hat inzwischen schon zwei riesige Zucchini geerntet und drückt sie mir in den Arm. Eilig zieht er noch einige Frühlingszwiebeln aus dem Beet. Fast haut es ihn dabei um, denn die Erde ist heute recht trocken, und die Frühlingszwiebeln lösen sich überraschend aus dem festen Grund, als der Nachbar sich mit vollem Körpergewicht nach hinten hängen lässt, um seiner Ernteabsicht Nachdruck zu verleihen. Unser lieber Nachbar drapiert die Zwiebeln auf meinem Arm und sprintet zu den Gurken hinüber, von denen er auch noch ein paar abzupft und sie mir anschließend unters Kinn klemmt. Die nächsten Wochen werden seine Familie und er in Urlaub sein. „Wer soll das alles essen?“, fragt er und wedelt mit den Armen in Richtung Beet.

Seine Frau hat angeordnet, was gepflanzt wird, da war das mit dem Urlaub schon klar, und jetzt fühlt sich der Nachbar von der reichen Ausbeute überraschend erschlagen. Ich bedanke mich herzlich und jongliere das Gemüse nach Hause.

Gitti guckt kurz, was ich da so alles auf dem Arm habe, dreht sich um und entschwindet, um Rezeptideen zu entwickeln. Ich verstaue das Gemüse und klopfe die Erdkrümel aus meinem Shirt. Was machen wir jetzt mit all den leckeren Sachen?

Inzwischen hat Gitti beschlossen, eine herzhafte Zucchini-Rolle zu zaubern, gefüllt mit irgendwas, was noch im Kühlschrank ist. Sie zischt an mir vorbei, um zu gucken, ob noch ausreichend viele Eier vorhanden sind. Stück für Stück erschließt sich mir, was Gitti vorhat. Und dann geht es auch schon los.

Ich belege ein Backblech mit Backpapier, dann hoble ich die Zucchini in dünne Scheiben. Die Scheiben drapiere ich auf dem Backpapier, sie überlappen einander etwas und füllen das ganze Blech aus. Gitti heizt den Backofen auf 180°C vor. Dann gibt sie die Eier in eine Schüssel, würzt sie mit Kurkuma, etwas Muskat, Salz und Pfeffer und schlägt sie mit dem Mixer ein paar Minuten lang zu einer schaumigen Masse. Anschließend verteilt sie die Masse über den Zucchinischeiben und schiebt das Blech für 15 Minuten in den Ofen.

Wir bereiten die Füllung vor. Ich schneide eine Spitzpaprika in schmale Streifen, etwa zwei Millimeter breit und einen Zentimeter lang. Zwiebeln und Knoblauch werden gewürfelt, den frischen Koriander hacke ich grob, der ließe sich auch durch glatte Petersilie ersetzen. Gitti gibt alles in eine Pfanne und röstet diesen Teil der Füllung in etwas Nussöl an, sie würzt mit Salz, Pfeffer und Chili aus der Mühle.

Parallel dazu verrühre ich Quark mit einer Prise Zucker, Paprikapulver, Salz und Pfeffer.

Jetzt holt Gitti das Blech aus dem Ofen. Die Eimasse ist über den Zucchinischeiben gestockt und bildet bald die Hülle für unsere Rolle. Als erstes verteilt Gitti geriebenen Emmentaler über die Masse auf dem Blech, dann gibt sie die Füllung aus der Pfanne dazu und streicht im Anschluss den Quark darüber. Als etwas knifflig erweist sich jetzt das Aufrollen. Gitti schnappt sich die kurze Seite des Backpapiers und zieht sie gefühlvoll nach oben. Mit einem Messer löst sie vorsichtig den Rand der Masse vom Papier und rollt sie langsam auf. Dabei drückt sie mit dem Backpapier die Rolle noch ein bisschen in Form. Auf der Außenseite bilden die Zucchinischeiben ein hübsches Muster. Und jetzt wandert das Blech mit der dicken Rolle noch einmal für 15 Minuten in den Ofen. Gitti winkt ihr von außen durch das Fenster der Backofentür zufrieden und auffordernd zugleich zu.

Wir räumen schnell die Küche auf und treffen uns immer wieder am Sichtfenster des Ofens, durch das wir gespannt zusehen, wie unser Werk fertiggart. Flugs hole ich noch eine Flasche Weißwein aus dem Keller, und Gitti deckt den Tisch. Auf meinem Rückweg aus dem Keller nach oben nehme ich ganz intensiv den wunderbaren Duft des Essens wahr, der sich schon durch den Türspalt ins Treppenhaus ergießt.

Die Zucchini-Rolle ist fertig. Vorsichtig lädt Gitti sie auf eine Platte um, schneidet dann zwei Scheiben für uns herunter und serviert sie. Wow, lecker!

Im Geiste prosten wir dem Nachbarn zu, der gerade unten auf der Straße die letzten Koffer und Täschchen in sein Auto packt. Als wir mit dem Essen fertig sind, hat auch der Nachbar alles beisammen. Frau und Hund steigen zu, ihre Reise kann beginnen. Mittlerweile haben sich aus den umliegenden Häusern ein paar Nachbarn diesseits und jenseits der Straße auf ihren Balkonen versammelt. Zufällig haben wir alle mitbekommen, dass die Urlaubsreise jetzt wirklich losgeht. Und so winken wir auch alle zum Abschied. Der Nachbar hupt, seine Frau winkt aus dem Fenster, das Auto rollt die Straße hinunter. Welch ein Bahnhof!

Zucchini-Rolle

Zutaten

Hülle   
250-300 gZucchini  
6Eier  
½ TLKurkuma  
 Muskat  
 Salz, Pfeffer  
Backblechmit Backpapier180°CUmluft
  15 minfür die Zucchini unter der Eimasse
Füllung   
1rote Spitzpaprika  
2Frühlingszwiebeln  
1 ZeheKnoblauch  
½ BundKoriander  
 Salz, Pfeffer  
 Chili  
Pfannemit Nussöl  
500 gQuark (Magerstufe)  
1 PriseZucker  
1 TLPaprikapulver  
 Salz, Pfeffer  
150 gEmmentaler  
Backblech 180°CUmluft
  15 minfür die gefüllte Rolle

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Mauro und Gianna

    Wow, wie lecker und gleich das Rezept dazu!
    Danke dafür, und wir beide haben jetzt Hunger!

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