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Gittis Schmunzeltrick

„Brauchst Du noch etwas?“, ruft Gitti mir aus den Tiefen unserer Behausung zu. Was soll ich sagen? Meinen Zustand kann man als wunschlos glücklich bezeichnen, schließlich habe ich ja Gitti an meiner Seite. Aber das meint sie bestimmt nicht. Wo steckt sie eigentlich? Ich folge der groben Richtung des erschallten Rufes. Ah, da sitzt sie ja, und sie schnürt ihre Schuhe. Gleich wird Gitti sich dem Einkauf von Lebensmitteln widmen. Ganz alleine! Wie lieb von ihr!!

Ich gehe in die Küche und werfe einen Blick auf den Einkaufszettel. Was ich lese, lässt Rückschlüsse auf Gittis Planungen zu. Vor allem in Kombination mit den Dingen, die sich bereits in unseren Vorräten befinden und dort ihrer weiteren Verarbeitung harren. In mir wächst Vorfreude. Ganz unten lese ich: „Scotch bridge“.

Genau in diesem Moment materialisiert Gitti sich hinter mir. „Ich weiß, wie man das schreibt!“, sagt sie kichernd. Vor allem weiß sie scheinbar genau, an welche Zeile sich meine Augen gerade heften. Sogar von hinten! Dabei habe ich weder etwas gesagt, noch den Finger auf die Stelle gelegt, an der der Begriff zu lesen ist. Das ist nicht unheimlich, weil es diese ganz einfache Erklärung gibt: Eine Freundin spürt das!

Gitti findet ihre eigene Schreibweise lustiger als die der eingetragenen Trademark Scotch-Brite. Spülschwämme machen auf einem Einkaufszettel einen langweiligen Eindruck, meint Gitti. Außerdem ist noch nicht klar, ob sie welche von dieser oder einer anderen Marke erstehen wird. Und dann verrät sie mir, wozu dieser Eintrag eigentlich gut ist.

In Kürze wird Gitti durch den Supermarkt laufen. Den Einkaufszettel braucht sie in Wahrheit nicht, sie weiß schließlich auswendig, was einzukaufen ist. Vermutlich lässt Gitti sich auf ihrer Einkaufstour noch von anderen feilgebotenen Waren inspirieren, und dann stellt sie ihre Pläne kurzerhand um. Dennoch nimmt Gitti den liebevoll vorbereiteten Zettel stets mit, und sie liest ihn auch im Laden noch einmal durch, vielleicht sogar mehrmals. Der Plan dahinter sieht vor, dass Gitti beim Lesen selbst über ihr so schön kreiertes Wort stolpert. Und der Plan geht auf, schöner als die schönste Saat, wenn sich dann spontan auf Gittis Gesicht ein Schmunzeln ausbreitet.

Wow!

Eine Stunde später ziehen diverse Lebensmittel, einige inzwischen als Schottenbrücken verballhornte Spülschwämme sowie, einer Inspiration folgend, ein neuer Wasserkocher bei uns ein. Den alten Wasserkocher trachtete Gitti schon länger auszuwechseln.

Am frühen nächsten Morgen setze ich den neuen Wasserkocher in Gang, um Teewasser zu erhitzen. Der Kocher steht auf einer runden Platte. Aus dieser Platte ragt mittig ein kleiner Pin heraus, der zwei Funktionen in sich vereint. Er nimmt den Wasserbehälter zentrisch auf, und zugleich stellt er den elektrischen Kontakt zur Heizwendel her, die im Behälter versteckt ist. Fasen an Pin und Wasserbehälterboden erleichtern das Zueinanderfinden von Behälter und Platte. Der Pin ist jedoch ziemlich kurz. Deshalb zeigt sich kaum zwei Minuten später auf sehr eindrucksvolle Weise, wie kraftvoll Wasser doch bei Erreichen des Siedepunkts in einem Gefäß zu sprudeln weiß!

Das ganze Ding vibriert, dass es mir bang wird. Bestimmt springt gleich der Behälter aus seiner Fixierung, und überall wird sich heißes Wasser in Schränke und Ritzen ergießen. Ich stütze mich mit beiden Händen auf der Arbeitsplatte ab, um nicht unüberlegt in das Geschehen einzugreifen. Die Vibration erfasst dabei meinen noch müden Körper. Zum Glück springt der Schalter drei Sekunden später mit einem lauten Knack in die Aus-Stellung zurück. Das Wasser beruhigt sich. Mit dem Wasser beruhige auch ich mich, zumindest ein wenig. Ich gieße den Tee auf.

Während der Tee nun zieht, verarbeite ich, was ich sah. Ich stiere den schlanken Behälter des Wasserkochers an. In diesem Moment weiß ich, woran mich das starke Vibrieren erinnert. Ich sehe Bilder eines Raketenstarts vor mir. Aus den Düsen speit Feuer, alles wackelt bedrohlich. Die Raketen-Haltevorrichtung klappt auseinander. Jetzt hebt die Rakete ab und bohrt sich unaufhaltsam in den Himmel. Von meiner Stirn tropft ein kleiner Tropfen Schweiß.

Ich fertige ein kleines Namensschild und lege es vor den Wasserkocher.

Später kommt Gitti zu mir, in ihrer Hand hält sie das Namensschild. Schmunzelnd fragt Gitti: „Wieso Ariane?“

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