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Zwischen den Schauern

In Ludwigsburg blühen an diesem Wochenende Ballone im Blühenden Barock. Da müssen wir unbedingt hin!

Die Gärten des Ludwigsburger Schlosses wurden 1828 für das Volk geöffnet. Der Württembergische König Wilhelm I. hatte seinen Residenzsitz von Ludwigsburg nach Stuttgart verlegt und die Pflege der Gärten auf ein Minimum reduziert. Sie verwilderten.

Hier muss dringend ein Absatz hin, denn es geschah, abgesehen vom Verwildern, lange Zeit nichts. Gar nichts …

1951 entwickelte dann der Direktor der Staatlichen Anlagen und Gärten die Idee, sich mit dem großen Gelände um die Veranstaltung der Bundesgartenschau zu bewerben. Es gelang ihm, wichtige Leute von seinem Plan zu überzeugen und die Genehmigung von Geldern zu erwirken. Aus der Idee wurde dann zwar keine Bundesgartenschau, dafür aber eine große Jubiläumsgartenschau, mit der sowohl das 250-jährige Bestehen des Schlosses als auch das 50-jährige Jubiläum des Württembergischen Gärtnereiverbandes gefeiert wurde. Im April 1954 wurde das Blühende Barock eröffnet. Man sagt, es habe vorher wochenlang geregnet und just am Morgen der Eröffnung habe sich dann endlich die Sonne gezeigt und alles in strahlend schönes Licht getaucht.

Das Blühende Barock wurde vom Publikum gefeiert, war auch aus finanzieller Sicht ein voller Erfolg und wurde nach Ablauf der eigentlich geplanten Laufzeit von einem halben Jahr in eine ganz wunderbare Dauergartenschau umgewandelt. Seit 1959 gibt es hier sogar einen zauberhaften Märchengarten. Gitti und ich kommen immer wieder gerne her, spazieren durch die schöne Anlage oder besuchen eine der vielen Veranstaltungen, die regelmäßig auf dem Gelände stattfinden.

An diesem Wochenende wird schon wieder ein Jubiläum gefeiert: 70 Jahre Blühendes Barock. Zu diesem Anlass ist ein Ballonblühen geplant, inklusive Weltrekordversuch. Zudem gibt es ein abwechslungsreiches Rahmenprogramm.

Ballonblühen? Was ist das denn? Gitti klärt mich auf. Ich erfahre, dass es um Modell-Heißluftballone geht. Die Dinger fassen bis zu 100 m³ Heißluft, manche von ihnen sind im aufgeblähten Zustand ganze 8 m hoch. Nur im Vergleich zu normalen Heißluftballonen, in deren Körben Menschen mitfahren, sind sie klein. Die bemannte Variante ist etwa drei Mal so groß wie die Modelle, um die es hier geht. Beim Weltrekordversuch sollen mehr als 70 von ihnen zeitgleich eine Weile lang über dem Boden schweben. Das sieht bestimmt hübsch aus.

Gitti hat schon vor geraumer Zeit Karten gebucht. Unsere Vorfreude trübt sich leider parallel zu den Wetteraussichten ein. Das Wetter hatte sich in den letzten Tagen schön und frühlingshaft entwickelt, aber jetzt unken unsere Wetterfrösche und die Wetterapps bezüglich des bevorstehenden Wochenendes ordentlich um die Wette. Sie versprechen Regen und Kälte.

Der ursprünglich für Samstag geplante Weltrekordversuch wird von den Veranstaltern spontan auf Freitag vorgezogen. Er gelingt. Wir erfahren von 81 Ballonen, die sich fünf Minuten lang gleichzeitig in der Luft hielten.

Am Samstag ist es tatsächlich kalt, vor allem fegt ein fieser Wind ums Haus. Gitti und ich werfen zweifelnde Blicke gen Himmel und konsultieren mit Sorgenfalten auf der Stirn die animierte Regen-Vorschaukarte unserer Wetterapp. Wolken ziehen schnell und dunkel auf und wieder hinfort, Regen wechselt sich mit kurzen sonnigen Abschnitten ab. Das reale Bild am Himmel passt gut zu dem animierten Bild aus der App. Wird es ein Zeitfenster geben, in dem es trocken ist? Ja, da am Nachmittag sieht es mal ganz gut aus, das könnte klappen. Sollen wir es wagen? Gitti sagt, dass die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs sogar im Ticketpreis enthalten ist. Sie hat auch schon geeignete Verbindungen herausgesucht. Wir können das Gelände in annehmbarer Zeit mit zwei Umstiegen bequem per S-Bahn und Bus erreichen. Ich habe heute auch keine Lust auf eine langwierige Parkplatzsuche. Auf geht’s!

Vorausschauend hülle ich mich obenherum in eine langärmelige Bluse, einen warmen Pullover, einen dicken Schal und eine dicke Jacke mit Kapuze. Gitti guckt skeptisch, zieht sich aber vorsichtshalber ebenfalls deutlich wärmer an, als sie es sich ursprünglich vorgenommen hatte. Die Zwiebeltechnik mit mehreren Kleidungsschichten macht Sinn. Sollte es doch wärmer werden, können wir uns Schicht für Schicht wieder entblättern. Der letzte Regentropfen fällt aus der dicken Wolke über uns. Gitti und ich verlassen frohen Mutes das Haus. Die dicke Wolke trollt sich und macht einem kleinen Stück blauen Himmels Platz.

Unterwegs wechseln sich Sonnenschein und Regenschauer weiter ab. Kurz vor unserer Ankunft beginnt das von der App versprochene Zeitfenster, in dem es nicht regnen soll. Der Himmel reißt auf.

Wir wandern im Blühenden Barock umher. Alsbald stellt sich ein kleiner Hunger ein. Gitti ersteht für uns ein Schälchen Pommes Frites, ich kümmere mich um die Getränke. Auf der kleinen Bühne, die in der Nähe der Fressstände aufgebaut ist, nehmen gerade ein paar Kinder an einem kurzen Trommelworkshop teil. Wir stehen an einem Stehtisch. Ein frischer Wind weht uns um die Nase. Nun drehen wir der Bühne den Rücken zu, sodass die Pommes Frites in unserem Windschatten liegen und vor einem hurtigen, unkontrollierten Flug aus dem Schälchen bewahrt werden.

Frisch gestärkt geht es bald weiter. Der Wind lässt endlich nach, die Sonne strahlt mal wieder eine Weile lang vom Himmel auf uns herab. Wir erreichen den Teil des Parks, in dem viele der Modellballone auch heute über dem Boden schweben. Die Formen der Ballone sind vielfältig. Neben der klassischen Tropfenform gibt es neben einem riesigen Pinguin weitere Tierfiguren, teils mit lustig wackelnden Ohren. Die Ballone wiegen sich im nun sanften Wind. Wir fiebern bei jeder der Bewegungen regelrecht mit und hoffen darauf, dass die Ballone nicht in sich zusammenfallen. Ihre Besitzer zünden immer wieder das Feuer in den kleinen Körben, die unter den Ballonhüllen hängen, sorgen für die richtige Menge an Auftrieb gebendem Gas in den Ballonen und dirigieren sie kunstvoll durch die Lüfte.

Es wird wieder eine Spur kälter. Gitti und ich gönnen uns warme Crêpes. Der Wind frischt erneut auf und bläst entschlossen dunkle Wolken herbei. Jetzt wird es Zeit, nach Hause zu gehen. Mit Bus und Bahn kommen wir gut voran. Für den abschließenden Fußweg nach Hause brauchen wir etwa fünf Minuten. Als wir aussteigen, ergießt sich der letzte Schauer des Tages über uns – den ganzen Weg entlang und unglaublich ergiebig. Völlig durchnässt erreichen wir das Haus. Beim Erklimmen der Treppenstufen quietschen unsere Schuhe. Meine nassgeregnete Brille beschlägt. Von Gittis Kapuze rinnt ein Rinnsal Regenwasser und landet auf ihrer Nasenspitze. Wir ziehen uns komplett um. Endlich wieder trockengelegt, sind wir uns einig: Das war ein toller Ausflug zwischen den Schauern. Gut, dass wir uns aufgerafft haben!

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