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Quittengelee und Eierlikör

Unsere Quitten sind reif, ein Teil hat sich bereits selbst geerntet und liegt um den Baum herum verstreut am Boden. Gitti und ich sammeln und pflücken. Hier in der Region gibt es viele Streuobstwiesen. Ob die wohl so heißen, weil sich ein Teil des Obstes eigentlich immer schon mal selbst erntet?

Still hänge ich der Frage nach. In meinem Kopf entstehen Bilder. Im Mondschein, wenn sie ganz unter sich sind, veranstalten die Bäume der Streuobstwiesen so etwas Ähnliches, wie Schneeballschlachten. Halt mit dem, was sie zu dieser Jahreszeit haben, nämlich Obst. Im nahe gelegenen Dorf zeugen davon nur ein Blätterrauschen und das dumpfe Stöhnen des Obstes beim Aufprall auf der Wiese. „Kannst Du mal den Pflücksack leeren?“ Gitti entreißt mich meiner Träumerei.

„Weißt Du noch“, frage ich sie, „als Jan und Jana mal bei uns zum Essen waren und dann plötzlich Rezepte wollten?“ „Ja,“ erinnert sich Gitti lachend, „die Suppe hatten wir aus den Resten der Woche zusammengekippt und dann nur noch verfeinert. Sie war großartig. Aus dem Rezept-Wunsch konnten wir uns nur schwer herausreden. Und was hätten wir sagen sollen? Also am Montag müsst Ihr ein Thai-Curry mit Rinderfilet-Spitzen und Bohnen kochen, aber nicht ganz aufessen. Dienstag kocht Ihr dann…“ „Unvorstellbar! Die hätten sowieso immer alles gleich aufgegessen. Zum Nachtisch gab es Apfelkuchen, den hast Du dann aber doch erklärt.“ Gitti schmunzelt und erinnert sich: „Ja, da hat mich ein Teufelchen geritten und ich habe darauf bestanden, dass man Fallobst verwenden muss, um den Geschmack so zu treffen.“

Wir kümmern uns weiter um die Quitten. Dieses Jahr gibt es besonders viele. Einen Teil davon verschenke ich am nächsten Tag im Büro an eine Kollegin. Sie freut sich und kehrt tags darauf mit zwei „Dankeschön-Versucherle“ zurück, köstliche Variationen vom Quittengelee, das eine Versucherle mit Wodka, das andere mit Campari verfeinert.

Wir plaudern ein wenig. „Am Sonntag“, so erzählt sie mir, „war ich mit meinem kleinen Sohn bei meiner Freundin. Deren Tochter ist so alt wie mein Junge.“ Den Sohn, so erinnere ich mich, hatte die Kollegin neulich beim After-Work-Grillen dabei. Ich kenne mich mit Kindern nicht so aus, keine Ahnung, wie alt er wohl sein mag, aber er ist so ungefähr sechzig bis siebzig Zentimeter hoch. Ein ausgesprochen lieber, etwas schüchterner Junge mit großen Knopfaugen, echt süß!

Sie fährt fort: „Wir Mütter haben uns zum Frühstück getroffen, und wir haben auch ein kleines Gläschen Sekt getrunken. Und wie ich dann am Abend auf dem Heimweg bin, komme ich in so eine blöde Polizeikontrolle. Das lächerliche Gläschen Sekt habe ich natürlich sofort zugegeben. Man weiß ja nie, was denen sonst noch so einfällt. Ich bin ja nicht scharf auf Scherereien, die kann ich mir gar nicht leisten.“ Wie ich in der Folge erfahre, musste sie dann auf der Stelle Pusten. „Und stellen Sie sich vor, das Gerät hat 0,6 Promille angezeigt!“, empört sie sich. „So ein Mist!“, werfe ich ein und verkneife mir die Frage, ob es vielleicht auch zwei Gläschen gewesen sein könnten oder so.

Ihre weitere Schilderung erlebe ich so, als ob ich mit im Wagen gesessen hätte. Die Szene entwickelt sich. Aus dem Kindersitz im Fond des Wagens ertönt Geschrei. Der sonst so liebe Junge randaliert fast, er will auch mal pusten. „So kenn ich den ja gar nicht!“, schwört sie.

Die Beamten sind viel, viel netter, als die Kollegin je erwartet hätte – und sie lassen ihn. Der Kleine gibt alles, feste pustet er, sein sonst so blasser Teint weicht einem tiefen Rot – 1,3 Promille. „Mit dem Gerät stimmt offensichtlich was nicht“, konstatiert der verblüffte Polizist, er tippt sich an die Mütze und wünscht: „Gute Fahrt!“

Die Anzeige ist vom Tisch, die Kollegin enteilt, bevor die Polizisten es sich womöglich noch anders überlegen und der kleine Mann schläft bald selig in seinem Kindersitz.

Als die beiden zu Hause ankommen, klingelt auch schon das Telefon. Die Freundin der Kollegin ist dran: „Du, gut, dass Du da bist. Du glaubst es nicht! Die Kinder, der Kühlschrank, der Eierlikör!!“

Ob ich den Jungen wohl mal ausleihen darf?

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Tom

    Hallo Miri,

    das war wieder ein Lächeln am frühen Morgen, vielen Dank – Früh übt sich halt, wer ein richtiger Schwabe werde will.
    Das erinnert mich an Leli, die als Kind bei einer Weinprobe dabei war – jeder dachte, dass nur er oder sie das Kind auch mal probieren ließ, bis sie dann den versammelten Weinverkostern aus der Speisekarte das Märchen von Goldilocks und den drei Bären vorlas. Leli war damals drei und konnte weder richtig gehen (danach sicher nicht), noch lesen.

  2. Diane

    Perfekte Geschichte zu meinem Kaffee heute morgen.. . 😂 Danke Miriam

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