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Sonne satt

Gitti, Tina und ich gönnen uns einen gemeinsamen Urlaub auf Sardinien. Die Insel wirkt noch ein bisschen verschlafen, denn die Ferien-Saison wird erst beginnen, wenn wir wieder abgereist sind. Das Wetter ist zu dieser Zeit schon beständig schön. Es ist heiß, aber noch nicht zu heiß. Wir haben ein kleines Häuschen am Meer gemietet.

Unser Flug bringt uns am späteren Abend auf die Insel. Die Autovermietung bietet uns ein kostenloses Upgrade auf einen bequemen Jeep. Das fängt ja gut an. Vom Flughafen bis zu unserem Domizil fahren wir vergnügt durchs Gebirge und einmal quer über die Insel. Mittendrin geht plötzlich nichts mehr. Ein Polizist hält uns an, die kurvenreiche Straße ist gesperrt. Blaues Licht zuckt durchs Dunkel. Etwas weiter vorne hat die Feuerwehr einen großen Scheinwerfer installiert. Bald bahnt sich ein Abschleppwagen seinen kurvigen Weg durch die Nacht. Sein gelbes Licht zuckt im Takt zum blauen Licht von Feuerwehr und Polizei. Wir sind eingereiht in eine kleine, geduldig wartende Schlange von Autos, so hier und da steigt mal jemand aus, um sich zu strecken. Ansonsten ist es still. Die ganze Szene ist von Ruhe und Geduld geprägt.

Tina ruft die Dame an, mit der wir um halb zwölf zur Schlüsselübergabe am Häuschen verabredet sind. Wir werden uns kurz vor unserer Ankunft wieder melden. Es wird spät und später.

Auf einmal geht es doch weiter. Der Stau löst sich auf. Da ist wohl vorhin jemand aus der Gegenrichtung kommend kurz vor einer Linkskurve rechts der Straße in der Leitplanke gelandet. Das Wichtigste zuerst: Den Insassen scheint nichts passiert zu sein. Welch ein Glück! Die Leitplanke hat eine beeindruckende Ausbuchtung. Das Auto, das wir beim Vorbeifahren auf dem Abschleppwagen sehen, ist Schrott.

Etwas später als ein Uhr in der Nacht erreichen wir unser Domizil. Wir nehmen die Schlüssel in Empfang und werden noch kurz durch die Räumlichkeiten geführt. Ganz in der Nähe haben wir ein paar Leute auf der Terrasse einer Bar sitzen sehen. Da wollen wir hin! Jetzt!! Vielleicht können wir ja noch ein frisch gezapftes Bier genießen. Der kleine Spaziergang tut gut. Ganz bewusst lasse ich die Meeresluft meine Lungen fluten. Es ist schon nach halb zwei. An den kleinen Tischen sitzen immer noch Gäste, und auch für uns gibt es jeweils noch ein großes Glas des erfrischenden Getränks.

Am nächsten Tag erkunden wir den Ort, veranstalten einen Grundeinkauf und ergötzen uns am Anblick des Meeres, das wir alle so sehr lieben. Die ersten Pläne werden geschmiedet und voller Energie tauchen wir tiefer in den schönen Urlaub ein. Wir genießen die gemeinsame Auszeit und erkunden ausführlich Land und Leute.

Die Insel lädt zu ganz unterschiedlichen Aktivitäten ein. Wer sich für Kultur und Kunst interessiert, findet vieles, was sich zu besichtigen lohnt. Wer sich viel bewegen mag, findet unglaublich tolle Wege durch die unglaublich schöne, abwechslungsreiche Natur. Man wird mit atemberaubenden Ausblicken belohnt. Wer am Strand liegen mag, findet großartige Strände aller Art. Es gibt Sonne satt. Jeden Tag scheint sie auf uns herab. Das Meer gleicht mal einer mit türkisfarbenem Wasser gefüllten Badewanne, mal zeigt es sich kabbeliger und in tiefes dunkelblau getaucht. Jeden Tag mag ich ausrufen: „Guarda, che bello il mare!“ Gitti, Tina und ich rufen es täglich mehrmals und manchmal sogar im Chor. Übersetzt heißt es so ungefähr: „Schau, wie schön das Meer ist!“

Außer uns ist auch eine größere Mückenfamilie in unser Domizil eingezogen. Sie finden sehr großen Gefallen an mir und meinen Extremitäten. Abends und nachts veranstalten sie auf mir große Festmahle. Frustriert suche ich nach dem Mückenspray, das wir vorsichtshalber eingepackt haben. Ich nehme eine Dusche und sprühe mich großflächig mit dem Zeug ein. Die Mücken stört meine Aktion nicht, sie schwirren unbeirrt um mich herum und stechen zu, als gäbe es kein Morgen. Das Spray stinkt derart, dass ich vor mir selbst Reißaus nehmen möchte. Die nächsten Tage ertrage ich lieber den Kampf mit den Tierchen als den Gestank des Sprays. Tina erinnert sich an den elterlichen Einsatz von Räucherspiralen während ihrer Kindheit. In einem Supermarkt finden wir welche, die den Mücken mächtig stinken, uns hingegen nicht. Das ist meine Rettung! Den Rest der Stech-Attacken überstehe ich locker.

Abseits der Räucherspirale halten die Biester mich immer noch für einen Leckerbissen. Besonders gemein finde ich, dass sie vor allem in Situationen zustechen, in denen ich ihnen hilflos ausgeliefert bin. Kaum stehe ich auf einem Bein im Schlafzimmer, den in der Luft schwebenden Fuß schon ins Hosenbein der kurzen Hose eingefädelt, die ich anzuziehen trachte und beide Hände am Hosenbund, fliegt schon die nächste Mücke zuerst direkt an meiner Nase vorbei und dann im Sturzflug in meine Kniekehle. Dort gönnt sie sich einen schnellen Schluck süßen Blutes. Frechheit! So schnell kann man gar nicht ganz in das Hosenbein hinein oder aus dem Hosenbein wieder heraus hüpfen oder um sich schlagen oder sich sonstwie retten! Und sobald ich wieder wehrhaft bin, ist das Tier wie vom Erdboden verschluckt.

Eine kleine Fliege findet mich scheinbar auch nett. Betrete ich die Terrasse, setzt sie sich sofort auf meine linke Schulter und putzt sich ausgiebig ihre Beine und Flügel. Komplimentiere ich sie von ihrem Platz, so dreht sie eine Minirunde durch die Luft und setzt sich genau dort wieder hin, wo ich sie eben verscheuchte. Sie hat mehr Geduld als ich. Das will schon etwas heißen. Am dritten Tag taufe ich sie auf den Namen Antonella.

Ich frage Gitti, ob etwas mit meinem Körpergeruch nicht stimmt, aber die ist ganz zufrieden mit mir und meinem Duft. Gitti zeigt mir ein paar Mückenstiche auf ihren Beinen und beruhigt mich.

Wir treffen Bekannte, die wir vor einigen Jahren vor Ort kennengelernt haben. Sie überraschen uns mit einer Einladung zum Essen und bekochen uns liebevoll. Beim Gedanken an die vielen Köstlichkeiten läuft mir jetzt wieder das Wasser im Munde zusammen. Natürlich gilt: Wenn Ihr mal zu uns kommt, werden wir unsere Kochlöffel für Euch sehr gerne schwingen!

Alle drei machen wir viele Bilder, mal mit und mal ohne Meer. Die meisten Motive bietet die beeindruckende Natur, aber auch in den Gassen kleiner Städte finden wir viele sehenswerte Details und versuchen, die erlebte Stimmung bildlich einzufangen. Die Grillen zirpen um die Wette. Das ist so laut, dass Tina sogar ein kleines Video aufnimmt, auf dem man keine einzige Grille sieht. Ihr Konzert jedoch begleitet die schönen Bilder vom Meer und von dem an den Strand angrenzenden Pinienwald, in dem die Grillen scheinbar besonders laut zirpen. Dieser Ort strahlt für mich ganz viel Ruhe und Kraft aus. Hier tanke ich schon seit Jahren immer wieder gerne richtig auf.

An einem der letzten Abende sitzen wir in der Strandbar und betrachten genüsslich den schönen Sonnenuntergang. Gitti fragt, ob wir eigentlich kein Bild haben, auf dem wir alle drei zu sehen sind. Tina antwortet schnell: „Doch. Von dem Abend, an dem wir Aperol gespritzt haben.“ Gitti und ich fassen uns jeweils in die eigene Armbeuge. Fassungslos starren wir Tina an. Und im Chor kommt unsere Frage: „Wir haben Aperol gespritzt?!?“

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Peter

    Hallo Miri, dein guter Freund und mein Lieblingsarbeitskollege Tom hat mich vor längerer Zeit auf deine herrlichen Kurzgeschichten gebracht, die ich inzwischen zum „Mittwoch-Ritual“ erklärt habe. In deiner aktuellen Reisebeschreibung räumst du den Mücken viel Raum ein, das kenne ich zu gut aus Mallorca bei den Salzseen (Salines d`es Trenc). Mir wurde dort nach einer großen Stichattacke ein Stift empfohlen, den ich dir/euch ans Herz legen kann : „ bite away, der Original Stichheiler“, einfach bei Amazon eingeben. Der Juckreiz wird tatsächlich sofort genommen, ist deshalb seit Jahren mein stetiger Reisebegleiter. Die Eiweißsynthese, die den Juckreiz verursacht, wird mit Hitze unterbrochen. Diesen Effekt nutzt der Stichheiler. Euch weiterhin einen schönen Urlaub, Gruß Peter

    1. Miriam

      Vielen Dank für den Tipp. Besonders freut mich, dass meine Geschichten Dich regelmäßig begleiten.
      Liebe Grüße, Miriam

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