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Wasserbett

Es ist Samstag, ich träume wirres Zeug und versuche, die Wortfetzen „Frühstück“, „Ich kann nicht mehr liegen“, „Hunger“ und „Wir müssen dringend los“ in meinen Traum einzubauen. Ich komme langsam zu mir. Mein Magen signalisiert, dass er die vorgetragenen Ideen richtig gut findet. Irgendwie schaffe ich es an den reich gedeckten Frühstückstisch.

Gitti wiederholt, dass sie nicht mehr liegen konnte – Rücken, ganz schwer Rücken. Sie will ein Wasserbett. Wir fahren also in die Stadt. Ich bin müde, aber immerhin darf ich mich in dem Laden wieder hinlegen. Wieder und wieder.

An Schlaf ist jedoch nicht zu denken, ich muss mich mit dem Grad der Beruhigung auseinandersetzen. Der ist, so erfahre ich, dafür zuständig, wie sehr man in einem solchen Bett schaukelt. Die Beruhigung besteht aus kleinen Wehren, die unter der Matratze positioniert werden und dort die mächtigen Wellen brechen, die wir beim Umdrehen oder mit sonstigen Bewegungen erzeugen. Durch die kleinen Wellenbrecher ist der drohenden Seekrankheit Einhalt geboten. Wir schaukeln also. Ich denke an Loriot, wünsche mir ein wenig Tee und Gebäck und werde nicht erhört.

Ich lerne viel über die Technik, die uns künftig einen geruhsamen Schlaf ermöglichen wird. Was ist, wenn die Matratze platzt? Ich stelle mir eine große Fontäne vor, imposanter als in jedem Schlossgarten. Gut, eine Fontäne ist definitiv übertrieben. Es gibt viele Jahre Garantie gegen Matratzenplatzen. Eine Teichfolie im Bettengrund verspricht, die Folgen einer Leckage abzufedern. Die riesige Wassermenge muss natürlich beheizt werden, sonst droht Unterkühlung.

Wasser und Strom?!? Ich werde von der Betten-Fachkraft beruhigt, sie macht ihren Job überzeugend, also richtig gut. Die Kabel der Heizmatten sind, so erfahre ich, sicher vergossen und liegen später, so hoffe ich, unter der Teichfolie. Ich kenne Menschen, die viele Jahre in Wasserbetten verbracht haben, sie leben alle noch.

Ich beschließe, zu vertrauen. Ich werde ohne Schwimmflügel auskommen, nicht gegrillt werden und auch nicht versehentlich sterben und dann mit Bettdecke, Beruhigung, Teichfolie und Heizmatte posthum nach Erklärungen suchen.

Wenige Wochen später wird das Wunderwerk geliefert. Es ist später Herbst, draußen friert es. Das Bett steht schön und schwer im Obergeschoss. Die Schwägerin reist nebst Freund zur Begutachtung an. Nach einem lustigen Abend gehen wir zu Bett, ich habe spontan warme Füße. Nie wieder kalte Füße im Bett, wie herrlich! Ich träume von einem flauschigen Teppich, auf dem wir, einer unsichtbaren Bahn folgend, wehenden Haares durch Schäfchenwolken fliegen.

Am nächsten Morgen erwache ich ausgeruht, fühle mich frisch und tatendurstig. Von Gitti ist nichts zu hören, es muss also noch früh sein. Ich taste nach meiner Uhr. Ui, gar nicht mehr so früh! Gitti? Lebst Du noch? Sie schnorchelt.

Beim Frühstück erzählen alle von dem nächtlichen Erdstoß und zerstreuen ihre Bedenken bezüglich der Statik des Hauses. Interessant, das Gewicht des Bettes und eine mögliche Interaktion mit der Bausubstanz werden erst dann zum Thema, wenn es zu spät hätte sein können. Experimentell ist zunächst nur gezeigt, dass die Decke einem ersten Erdstoß zu trotzen wusste. Egal, dieses Bett geben wir nicht mehr her!

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Tom

    Wieder eine nette Story. Mich wundert, dass Du als Ingenieurin die Baustatik nicht in Deine Bedenken mit einbezogen hattest….n

    1. Miriam

      Klar haben wir vorher darüber nachgedacht, ob wir dem Haus die Belastung zutrauen. Aber erst das Erlebnis macht es dann so richtig zum Thema… auch für unsere Gäste.

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