Monieren heißt bemängeln. Stellt ein Gericht eine Monierung zu, dann geht es meist um fehlerhafte oder ungenügende Angaben von Antragsstellern oder Antragsgegnern. Keine Angst, ich habe zum Glück nichts mit solchen Monierungen zu tun. Gitti moniert zwar manchmal auch etwas, stellt mir jedoch dazu kein förmliches Schreiben zu. Sie wählt einen anderen Weg und spricht einfach mit mir. Mündlich vorgetragene Sprache kann so viel …
Moniereisen haben eigentlich nichts mit Monieren zu tun. Oder doch? Moniereisen sind eine segensreiche Erfindung, die auf den französischen Gärtner Joseph Monier zurückgeht. Der Herr wurde vor 200 Jahren geboren. Höchste Zeit also, einmal an ihn zu denken!
Der begabte Gärtner ergatterte eine Stelle im berühmten Pariser Tuileriengarten. In der Orangerie kümmerte er sich wohl um Orangenbäumchen und weitere exotische Gewächse. Die empfindlichen Pflanzen überwinterten in Gewächshäusern und wurden im Frühjahr wieder nach draußen gebracht. Das muss eine ziemliche Rödelei gewesen sein, also eine durchaus eifrige und anstrengende Tätigkeit. Leider brachen die hölzernen Pflanzkästen häufig beim Transport. Die kostbaren Pflanzen nahmen Schaden. Und der Herr Monier überlegte sich, wie es besser gehen könnte.
Zunächst experimentierte der junge Mann mit Pflanztrögen aus Zement. Der Durchbruch gelang, als er auf die Idee kam, ein Geflecht aus Eisendraht in den Zement einzugießen. Diese und später auch eine Reihe weiterer Erfindungen meldete er zum Patent an. Bald schuf der pfiffige Herr Monier Gärten mit künstlichen Felsen, Grotten und kleinen Pavillons. Er durfte seine Ideen auf der Pariser Weltausstelllung vorstellen. Später baute Monier sogar die erste Eisenbetonbrücke der Welt. Die Idee, den Bau von Häusern mit vorgefertigten Betonplatten zu vereinfachen, ließ er sich 1886 schützen. Dieses Patent beschreibt ein „System zur Herstellung fester oder tragbarer, hygienischer und wirtschaftlicher Häuser aus Zement und Eisen“.
Beim Bauen mit Stahlbeton werden Stahlgeflechte in den Beton eingelegt, also Stahlmatten. Wie bereits bei Herrn Monier dienen sie als Bewehrung oder Armierung. Es gibt oft mehrere Lagen solcher Geflechte. Damit die Stahlmatten beim Eingießen des Betons in der richtigen Position bleiben, ist es wichtig, sie miteinander zu verflechten. Dazu verwendet man Drähte und Stahlbügel, die um die Stangen der Matten geschlungen und dann verdrillt werden. Am Ende sieht das eigentlich genauso so aus, wie bei den kleinen biegsamen Drähten, mit denen ich zu Hause immer den Kabelsalat in den Griff bekomme oder Tüten verschließe, nur halt viel größer. Auf dem Bau heißt das Rödeln.
2009 stürzte in Köln das Stadtarchiv ein. Wie ein Kartenhaus. Abgesehen von einem kurzen tiefen Grollen scheinbar ohne weitere Vorankündigung. Zwei benachbarte Wohnhäuser stürzten ebenfalls ein. Ich erinnere mich noch lebhaft an die erschreckenden Bilder der riesigen Grube, in der das große Gebäude damals regelrecht verschwunden war. Schnell wurde ein Zusammenhang zur großen U-Bahn-Baustelle hergestellt. Eine Schlitzwand war gebrochen. Fast ein Jahr danach wurde bekannt, dass ein paar Arbeiter in größerem Stil Stahlbügel verkauft haben, die eigentlich zum Rödeln gedacht waren. Die Empörung war entsprechend groß, schließlich waren auch Todesopfer zu beklagen.
Später stellte sich heraus, dass die fehlenden Bügel den Einsturz nicht verursacht haben. Es war zwar richtig, das ausgebliebene Rödeln zu monieren, aber die Ursache für den Einsturz des Stadtarchivs war eine andere: Bei den Aushubarbeiten für die Betonwände der künftigen Baugrube ist man auf einen harten Block aus Trachyt gestoßen. Es gelang damals nicht, diesen vulkanischen Gesteinsbrocken zu entfernen. Schlussendlich wurde das Problem nicht gelöst, sondern ignoriert. Unter dem Block blieb eine Spalte, die nicht betoniert wurde. Es fehlte also ein Teil der Betonwand. Genau diese Schwachstelle brach dann später, als die eigentliche Grube ausgehoben wurde. Es flossen unvorstellbare 5000 m³ Grundwasser, Kies und Sand hindurch. Dem Stadtarchiv war das Fundament entzogen.
Heute rödeln immer noch fleißige Restaurateure, um einen Teil der vielen Dokumente zu retten, die durch Wasser und Schlamm damals schwer beschädigt wurden. Also rödeln im Sinne von hart arbeiten. Und immer, wenn ich an einer Baustelle vorbeikomme, an der gerade Betonarbeiten vorbereitet werden, muss ich mich echt zusammenreißen, um nicht laut über den Zaun zu rufen: „Immer schön rödeln! Nicht, dass wir später etwas monieren müssen!“
Eine sehr interessante Story über rödeln und über monieren in Erinnerung an Herrn Monier, an den wohl heute kaum noch jemand denkt!