You are currently viewing Der Traum vom Beruf

Der Traum vom Beruf

In Berufsbildern spiegelt sich die Zeit wider. Mit dem Wandel der Zeit wandeln sich Anforderungen und Tätigkeitsprofile. Mit etwas Zeitversatz verändern sich dann natürlich auch die Berufsbezeichnungen. Wenn es blöd läuft oder man sich einfach nicht damit beschäftigt, kennt man sich bald gar nicht mehr aus!

Neulich wandelte ich entlang dieses Pfades. Ganz harmlos fing es an. Komm mit, ich erzähle Dir von meiner unglaublichen Reise!

Ich wühle in alten Erinnerungen und mir fällt auf: Den ehrenwerten Beruf des Schlossschmieds gibt es nicht mehr! Wann ist das denn passiert? Ui, das muss schon länger her sein …

Der Schlossschmied konnte natürlich Schmieden. Zudem verfügte er über weitere Fähigkeiten, die er beim Bearbeiten von Metall einsetzte. Dabei ging es nicht nur um die Herstellung von Tür- und Torschlössern. Mit zunehmender Spezialisierung trennten sich die Berufswege von Schlosser und Schmied. Ein Teil davon traf sich wieder und verschmolz zum Metallbauer. Aus einem anderen Teil der Schlosser gingen die Industriemechaniker hervor. Ich finde immer mehr Verästelungen und Berufsbezeichnungen.

Mit aller Macht versuche ich also, mich wieder davon zu lösen. Ich erleide einen kleinen Rückfall, als mir auffällt, dass Dreher und Fräser auch ausgestorben sind, beziehungsweise inzwischen etwas sperrig Zerspanungsmechaniker heißen. Natürlich in allen Genderformen – ich hoffe und setze auf Deine Nachsicht.

Vom Schriftsetzer ist nur der Setzkasten übrig, oder? Das stimmt nicht so ganz. Der Setzkasten schaffte es aus den Tiefen der Druckereien heraus. Er zog als Accessoire in unsere Wohnungen ein, wo er allerlei Nippes aufnahm und zur Schau stellte. Ein echter Staubfänger! Und aus dem Schriftsetzer wurde mit der Zeit ein Mediengestalter / Digital und Print. Gerade umwehten mich noch die typischen Gerüche und Geräusche einer alten Druckerei, aber nun sitzen Mediengestalter gewiss in einem Büro. Dort herrschen andere Düfte vor, und es geht auch viel leiser zu.

Es geht noch eine ganze Weile so weiter mit mir und meiner verschlungenen Gedankenreise. So manche Kurve meistere ich elegant, aus anderen Kurven fliege ich einfach nur raus. Irgendwann schlafe ich erschöpft ein.

Gitti, so erfahre ich später, kommt vorbei und hüllt mich in eine warme, weiche Wolldecke.

In meinen Träumen fahre ich derweil eine Weile zur See, besuche Charly Chaplin in der großen Fabrik aus dem Film „Moderne Zeiten“, schaue sowohl im Einzelhandel als auch bei verschiedenen Kulturbetrieben hinter die Kulissen und bin zu Gast in unterschiedlichsten Branchen. Als ich an einer großen Betonwand vorbeikomme, halte ich eine Spraydose in meiner Hand. Ich spraye ein großes „Augen auf bei der Berufswahl“ an die bis eben noch kahle Fassade.

Dann muss ich Gitti abholen. Mein Dienst fängt an, ich darf nicht zu spät kommen!

Ich bin seriös gewandet. Mit einer großen Limousine fahre ich vor, läute an der Tür und gebe kund, nun da zu sein. In dem Moment, als Gitti mit wehendem Mantel zur Tür herauskommt, öffne ich die schwere hintere Tür der Limousine. Gitti überantwortet mir ihre lederne Tasche, nickt mir kurz zu und steigt in den Fond des Wagens. Mit einem sattem Plopp schließe ich die Tür. Hinter den getönten Scheiben macht Gitti es sich nun bequem. Ich lege die Tasche vorsichtig in den Kofferraum. Schweigend fahren wir eine Weile. Wir erreichen unser Ziel. Ich bringe den Wagen vor dem Portal des großen Gebäudes zum Stehen. Natürlich steige ich aus, hole Gittis lederne Tasche aus dem Kofferraum, öffne ihr die Tür und helfe Gitti galant aus dem Wagen. Sie wird bereits erwartet. Ein kleines Empfangskomitee steht Spalier. Gitti verschwindet im Inneren des Gebäudes.

Am Ort ihres Schaffens angekommen, legt Gitti nun zunächst ihren schönen Mantel ab. Dann entnimmt sie mit flinken und zugleich eleganten Bewegungen der ledernen Tasche ein Paar weiße Handschuhe. Gitti richtet sich auf, sammelt sich in tiefer Konzentration, und dann schreitet sie beherzt zur Tat.

Gitti stapelt Gabeln aufeinander. Ganz viele Gabeln. Gitti ist nämlich Gabelstaplerin, genauer gesagt: Managing Director Gabelstapler*in. Und ich bin Senior Gabelstapler*in-Fahrer*in.

Schweißgebadet wache ich auf und rufe laut aus: „Ich habe doch gar keinen Führerschein der Klasse L!“

Gitti erschreckt sich und fragt, was das denn wieder sein soll. Also lasse ich sie wissen: „Den Führerschein der Klasse L brauche ich doch, wenn ich Flurförderzeuge oder eben Gabelstapler*innen auf öffentlichen Straßen fahren möchte!!“

Oje, das muss ich ihr jetzt wohl doch genauer erklären.

Schreibe einen Kommentar