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Kleiner Test

Früh am Morgen finden meine Füße aus dem Bett. Sie schlurfen in Richtung Küche. Dort bereite ich mit noch kleinen Augen zwei Cappuccino zu. Während der Wartezeiten, in denen die Kaffeemaschine ohne meine Hilfe auskommt, räume ich schon mal die halbe Emma aus, die wir gestern Abend vor dem Zubettgehen noch mit dem Spülen unseres Geschirrs beauftragt haben. Ich trage die duftenden Heißgetränke wieder ins Schlafzimmer, flöte ein schiefes, aber liebevolles „Der Kaffee ist fertig“ und lege mich wieder ins Bett. Puh, Etappe 1 ist geschafft!

Gitti und ich trinken Cappuccino und unterhalten uns ein bisschen. Langsam kommen Körper und Geist in Betrieb. Dann wird es für mich Zeit, endgültig aufzustehen. Ich recke und strecke mich, gähne vor mich hin, finde unfallfrei ins Bad, schaffe es, mich in einen halbwegs ansehnlichen Zustand zu bringen und rüste mich innerlich für den Tag.

Gitti wird jetzt noch ein bisschen schlummern. Ich wünsche ihr schöne Träume, lösche das Licht und verabschiede mich in Richtung Homeoffice. Auf dem Weg koche ich noch Tee für die erste Hälfte des Morgens und räume die andere Hälfte der Emma aus. Am Schreibtisch angekommen, fahre ich mein Büro hoch. Die Äuglein sind zwar immer noch klein, aber ich kann schon konzentriert arbeiten.

Gitti steht irgendwann auf, dann versorgt sie mich mit weiterem Tee. Das Hirn will ordentlich gewässert sein, wenn es gute Leistungen abliefern soll. Am Mittag treffen Gitti und ich uns wieder in der Küche. Jetzt gibt es Frühstück, hmmm, lecker!

Ich mümmle mein Brot, lausche Gitti und der Musik, die sie zur Begleitung ausgesucht hat, bin heute allerdings ein wenig einsilbiger als sonst. Innerlich komme ich noch nicht ganz von dem Problem los, das ich gerade bearbeite und mit dem ich mich am Nachmittag weiter beschäftigen werde.

Gitti und ich beraten, wie unser Feierabend gestaltet werden soll. Sie möchte noch zur Bank. Mein Portemonnaie verlangt ebenfalls nach einer neuen Ladung Bargeld. Ich melde also an, dass auch ich zur Bank möchte. Aber nicht zu der Filiale, die in der Nähe von Gittis Bank liegt, sondern zu der hier im Ort. Gitti fragt, was an der Filiale jetzt besser sein könnte als an der anderen. „Ich möchte nicht wieder mit Hundert-Euro-Scheinen rumlaufen müssen, die dann keiner wechseln möchte!“, bringe ich vor. Gitti guckt mich verständnislos an, zuckt mit den Schultern und beißt herzhaft in ihr Brot.

Sie überlässt mich eine Weile lang meinen Gedanken, die im Hintergrund immer noch um das Problem kreisen, das im Arbeitszimmer auf mich wartet. Das nächste Musikstück endet mit einem beachtlichen Schlussakkord. Wow, was für ein Sound! Gitti nimmt unsere Unterhaltung wieder auf: „Also bei meiner Bank kann ich mir die Stückelung aussuchen. Dafür gibt es einen extra Knopf am Automaten.“ Gitti guckt listig, dann sagt sie: „Also ich hebe damit immer 200 € in acht Fünfzigern ab.“

Ausgerechnet bei der Bank, als ob ich das nicht merken würde! Aber Gitti liebt diese kleinen Tests, mit deren Hilfe sie herausfinden kann, ob man ihr auch wirklich zuhört. Ich lächle sie an und frage: „Na, und wie geht es Deiner Bank in letzter Zeit so?“ Gitti ist zufrieden, ich habe ihren heutigen Test bestanden.

Sie erinnert sich daran, dass ihre Bank in den letzten Jahren häufiger den Besitzer gewechselt hat und zählt alle Namen auf, die diese Bank während der letzten zehn Jahre trug. Und dann legt Gitti noch einen drauf: „Meinst Du, meine Bank stellt demnächst auf andere Geldautomaten um? Ohne Stückelungsknopf?“

Ich mache ein besorgtes Gesicht. Ob ich ihr wohl vorschlagen soll, dass wir mein Geld heute auch bei ihrer Bank abheben, natürlich vorteilhaft gestückelt? Den gebuchten Betrag könnte ich dann ja von meinem auf ihr Konto überweisen. Wir müssten keinen Umweg machen, und ein lukratives Geschäft wäre das auch. Win win?

Durch den kleinen Ausflug mit seinen absurden Überlegungen habe ich mich übrigens perfekt erholt. So muss eine Pause sein! Am Nachmittag zerfällt das Problem des Vormittags fast wie von alleine in die passenden Lösungsbausteine. Win win!

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