Ich habe geschlafen, wie ein Stein. Das gleichmäßige Rauschen des Meeres dringt an mein Ohr. Gitti steht kurz auf, zieht die Vorhänge zurück und legt sich dann noch einmal ins Bett. Von hier aus gucken wir gemeinsam ein paar genüssliche Minuten lang einfach nur aus dem Fenster.
Der Himmel ist blau. Die Blätter der Kokospalmen wiegen sich sanft in einem lauen Lüftchen. Wir können das Meer sehen. Ich setze mich auf. Jetzt kann ich sogar die Brandung und ein kleines Stück des weißen Strandes erkennen. Was für ein Ausblick! Welch ein wunderbarer Start in einen neuen Tag!
Heute wagen wir uns über die Grenzen der schönen Hotelanlage und den traumhaften Strand hinaus. Seit fast einer Woche schon freue ich mich auf diesen Ausflug. Wir möchten die Insel Boa Vista besser kennenlernen, auf der wir gerade unseren Urlaub verbringen. Wie sieht es an anderen Stellen der Insel aus? Können wir etwas über die Leute erfahren, die hier leben?
Vor dem Hotel warten wir darauf, abgeholt zu werden. Es fahren mehrere Pickups vor. Auf deren Ladeflächen sind links und rechts dünn gepolsterte Bänke installiert. Gitti wirft mir einen kritischen Blick zu. Aus der Lobby kommen einige Gäste. Sie haben offensichtlich einen anderen Ausflug gebucht als wir. Zum Teil ziehen sie sich nun gegenseitig auf die Pickups hoch. Je vier Personen sitzen jeweils nebeneinander auf einer Bank, natürlich quer zur Fahrtrichtung. Ich versichere Gitti, dass unser Transportmittel ein anderes sein wird. Wir haben den Ausflug über eine App gebucht. Zur Sicherheit sehen wir uns die dort hinterlegten Bilder nochmal an. Das sind eindeutig Jeeps! Gitti atmet erleichtert auf, und auch mir fällt ein Stein vom Herzen.
Der freundliche Fremdenführer Stefano holt Gitti und mich wenige Minuten später tatsächlich mit einem bequemen Jeep ab. Am Steuer sitzt Agostino. Er wird uns hauptsächlich Offroad über die kleine Insel fahren. Im Wesentlichen gibt es auf Boa Vista zwei große Straßen, und unsere Route führt nur über einen kleineren Teil davon. An einem Hotel in der Nähe holen wir eine weitere Touristin ab. Wir treffen auf einen zweiten Jeep, in dem die restlichen sechs Gäste der Tour bereits Platz genommen haben. Unsere kleine Reisegruppe ist nun komplett. Stefano ist zufrieden, steigt ein, und Agostino startet den Motor. Beide erweisen sich als geduldig, sehr höflich und stets aufmerksam. Bemerkenswert ist zudem Agostinos äußert rücksichtsvoller Fahrstil.
Rabil wird unsere erste Station sein. Auf dem Weg kommen wir an der Ruine einer ehemaligen Ziegelfabrik vorbei, von der außer dem hohen Schornstein nur ein großer Haufen Ziegelsteine übrig geblieben ist. Diesen Schornstein hatten Gitti und ich bereits bei einem unserer Strandspaziergänge entdeckt. Rabil ist ein kleiner und heute sehr ruhiger Ort. Stefano erzählt stolz, dass es sein Heimatort ist. Immerhin war Rabil einmal der Hauptort der Insel. Er liegt etwas erhöht auf einem Hügel, und so bietet sich ein toller Blick auf das erstaunlich grüne Umland.
Der gemütliche Flughafen der Insel liegt in Sichtweite. Von einem größeren Platz aus kann ich auf das Rollfeld und das Flughafengebäude gucken. Dahinter liegt ein grün bewachsener Küstenstreifen. Zwischen den Bäumen blitzt der weiße Sand des Strandes hervor. Auf dem blauen Meer segelt gerade ein Zweimaster vorbei. Wir bewundern die vielen bunten Häuschen des Ortes. Ihre Bauweise ist schlicht, aber die bunten Fassaden verleihen dem Ort viel Charme. Wir sehen auch viele renovierungsbedürftige Häuser. Der Unterschied ist krass. Ich entdecke einen chinesischen Supermarkt und eine Töpferei, in deren Inneren gerade die große Büste einer Frau trocknet. Vor einem der Häuschen haben sich drei Frauen an einem Stehtisch versammelt. Zwei von ihnen tragen gelbe T-Shirts. Stefano erklärt uns, dass sich im Erdgeschoss ein Parteibüro befindet. Demnächst stehen Kommunalwahlen an. Wir sehen hier gerade den Straßenwahlkampf von Rabil.
Am Ende unseres Dorfspazierganges lädt Stefano uns in eine Kneipe ein. Dort wurden bereits kleine Häppchen vorbereitet, die wir probieren dürfen. Es gibt köstliche Thunfischkroketten und weitere Spezialitäten. Auf einem kleinen Tisch liegt eine große Baobab-Frucht. Wir erfahren, dass es auf der Insel noch ein paar Affenbrotbäume gibt, und daran wachsen Baobabs, also Affenbrotbaumfrüchte. Aus dem vitamin- und mineralstoffreichen Fruchtfleisch haben sie einen sehr leckeren erfrischenden Saft hergestellt, und auch von dem dürfen wir kosten. Gitti und ich sind begeistert.
Bald steigen wir wieder in die Jeeps. Es geht weiter in Richtung Sal Rei. Das ist der Hauptort der Insel. Auf unserer Tour fahren wir nur hindurch. Stefano zeigt uns, wo er zur Schule ging, bevor er auf einer der Nachbarinseln dann eine weiterführende Schule besuchte. Die Schulkinder haben gerade Pause. Am Stadtrand gibt es eine Favela. Agostino und Stefano möchten in dieser Gegend lieber keinen Stopp einlegen.
Wir fahren aus der Stadt heraus gen Norden. Drei Windräder stehen einsam am Wegesrand, ihre Rotoren drehen sich im Wind. Pläne, weitere Windräder aufzustellen, sind vor einiger Zeit den hohen Wartungskosten der Anlagen zum Opfer gefallen.
Wir durchqueren eine Geröllwüste. Behutsam steuert Agostino den Jeep über die kaum auszumachende Route. Spätestens an dieser Stelle hätten wir bei einem Ausflug auf eigene Faust sicher aufgegeben!
Wir erreichen die Nordküste. Jetzt geht es über sandige, nur wenig bewachsene und sehr hubbelige Pisten zum Cabo Santa Maria. Agostino weiß genau, wie er uns mit möglichst wenig Ruckeln zum Ziel bringen kann. Mitten im Nichts begegnen uns ein Mann auf einem Mountainbike und wenig später zwei einsame Wanderer.
An einer Stelle steht ein einsamer bunter Stuhl. Zu dieser Jahreszeit ist das der einzige Hinweis auf die Station, die sich um den Schutz der vielen Meeresschildkröten kümmert, die an diesem Strand jedes Jahr ihre Eier ablegen und dann den gefährlichen Rückweg ins Meer antreten.
Seit 1968 liegt das Wrack eines kleinen Dampfers nur wenige Meter vor dem Strand im Meer und rostet vor sich hin. Natürlich ist das ein tolles Motiv für schöne Urlaubsfotos. Es gibt einen kleinen improvisiert wirkenden Stand, an dem Holzschildkröten und andere Souvenirs feil geboten werden. Gitti entdeckt an diesem Stand fünf große bunte Plastikklammern, mit denen man Strandtücher an Strandliegen so festklammern kann, dass sie nicht vom Winde verweht werden. Der Händler hätte gerne 5 € für drei Stück. Gitti macht ihm klar, dass wir aber vier Stück brauchen. Er lässt sich kopfschüttelnd darauf ein, kann jetzt aber den vielleicht später noch eintreffenden Gästen nur noch eine einsame grüne Klammer anbieten.
Wir fahren nun südöstlich, wieder mehr ins Landesinnere. Vor uns zockelt ein Pärchen auf einem gemieteten Quad durch die zunächst noch sehr karge Gegend. Das ehemals weiße Oberteil der auf dem Sozius sitzenden Frau zeugt vom überall umherwehenden Sand. „Wir werden wohl doch keine Quadtour unternehmen“, lässt Gitti mich kichernd wissen.
In der Nähe von Bofareira besuchen wir die Farm zweier Brüder. Stolz zeigen sie uns ihre 800 Hühner und ihre Ziegen, darunter kleine Zicklein. Eines der Zicklein kuschelt sich in den Arm einer Mitreisenden. Wer möchte, darf versuchen, eine große Ziege zu melken. Zum Abschluss wird frischer Ziegenkäse verkostet.
Auf dem weiteren Weg kommen wir in eine sehr fruchtbare Region der Insel. Hier wird Gemüse angebaut. Vor uns taucht plötzlich die Reisegruppe mit den Pickups auf. Auch deren Kleidung ist inzwischen reich mit Sand verziert.
Im Osten der Insel liegt Fundo das Figueiras. Wir besuchen ein Museum. Wir erfahren mehr über die Tierwelt auf und rund um Boa Vista – darunter natürlich die berühmten Schildkröten – und die wertvolle Arbeit der Tierschutzorganisation. Anschließend serviert man uns im Garten eines Restaurants gegrillten Hummer und weitere köstliche Spezialitäten.
Frisch gestärkt bringen Agostino und Stefano uns jetzt noch nach João Galego. Eine örtliche Fraueninitiative produziert und verkauft Seife sowie andere Produkte. Dies ist unser letzter Stopp. Stefano schenkt uns jetzt schon zum Abschied Seifenstücke in Form niedlicher Schildkröten. Die Routen der beiden Jeeps trennen sich an diesem Ort. Agostino und Stefano bringen uns zurück zum Hotel.
Gitti und ich beschließen den schönen erlebnisreichen Tag bei Livemusik und erfrischenden Getränken auf der großen Terrasse, die zwischen Bar, Restaurant und Pool liegt. Die vielen Eindrücke des tollen Tages werden noch lange in uns nachwirken.
Am nächsten Morgen wabern die Erinnerungen an den schönen Ausflug wie bunte Farbkleckse durch unsere Gedanken. Gut gelaunt suchen wir uns ein schattiges Plätzchen im Außenbereich des Restaurants. Dann schwärmen Gitti und ich aus, um die Komponenten unseres Frühstücks zusammenzustellen. Gitti verschwindet im Inneren des Restaurants, wo sie zwei Tassen mit herrlich duftendem Cappuccino füllt. Sie braucht dafür etwas länger als üblich. Als Gitti zum Tisch zurückkehrt, sehe ich, wie eine der freundlichen Servicekräfte ihr dezent den Weg weist. Kichernd setzt Gitti sich hin und sagt: „Ich habe mich gerade doch glatt verirrt und Dich nicht wiedergefunden! Auf der anderen Terrasse um die Ecke hat mich dann die nette Bedienung aufgelesen und mich hergelotst. Die wissen genau, wer hier zusammengehört – und sie passen gut auf uns auf.“
Hallo Miri
habt ihr denn eine der Holzschildkröten gekauft? Ich erinnere mich an eine kleine sammlung solcher Tiere mit einem gewissen, dich betreffenden Hintergrund…..
Liebe Grüße von uns an Euch
Die 6 T’s (wobei Tyrone und Tasha im Moment fest im Kühlschrank schlafen)
Lieber Tom,
ich habe nur einen schönen Schal mitgebracht, natürlich mit Schildkröten-Muster.
Liebe Grüße von uns an alle 6 T!