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Scheibchenweise

Ein neuer Küchenhelfer hält bei uns Einzug. Gitti präsentiert ihn mir mit zuversichtlichem Blick. Von seinem Einsatz verspricht sie sich gleichmäßig dünne Gemüse- oder Kartoffelscheibchen, wahlweise auch Julienne, alles ohne größeren Schnibbelaufwand. Rein mechanisch, kinderleicht von Hand und ohne Strom zu betreiben.

Neben dem mehrteiligen Ungetüm hat Gitti ein Skreifilet mit Haut erstanden. Für das gleich zuzubereitende Mahl verweist sie auf die heutigen Begleiter des Skrei. Es gibt wunderschönen Feldsalat, herrlich duftendes Brot und eine einsame Kartoffel mittlerer Größe. Skrei, so erinnert Gitti mich, ist der aktuell viel umjubelte norwegische Winterkabeljau, den wir uns schon ein paar Mal in verschiedenen Varianten gegönnt haben.

Als ich einen traurigen Blick auf die Kartoffel richte, beruhigt Gitti mich. Ich soll mir keine Sorgen machen, die Menge wird reichen, weil die Kartoffel in dünnen Scheibchen auf den Fisch geklebt und dann in der Pfanne zu einem Knuspermantel verarbeitet wird. Die eigentliche Beilage besteht heute aus Salat und Brot. Ich bin gespannt.

Wir setzen die Teile des neuen Küchenhelfers zusammen. In dieser Zeit hätte ich die Kartoffelscheibchen locker von Hand geschnitten, aber darum geht es jetzt nicht. Gitti hat das Ding irgendwo entdeckt, sich gefragt, wie es genau funktioniert und spontan beschlossen, es ausprobieren zu wollen.

Den Rahmen des Ungetüms kann man aufklappen. So lässt sich das Gerät schräg aufstellen. Vier kleine Saugnäpfe krallen sich sofort an der Arbeitsfläche fest. Oben ragt ein beweglicher Stempel aus dem Gerät heraus. Auf der Unterseite gibt es einen drehbaren Knopf, mit dem man den Schneidspalt und damit die Dicke der Scheiben einstellen kann. Wir finden zwei kleine Hebel. Gitti und ich rasseln fast mit den Köpfen zusammen, als wir gleichzeitig gucken wollen, welche Teile sich mit welchem der Hebel verstellen lassen und wozu das wohl im Ergebnis führen mag. Unter scharfem Hinsehen erkennen wir, dass man mit den Hebelchen kleine Messerleisten zuschalten kann, die aus den Scheiben dann Streifen machen. Das Gerät bietet uns mit den beiden Hebeln die Möglichkeit, neben Scheiben wahlweise breite oder schmale Streifen zu schneiden. Besonders schmale Gemüsestreifen benennt der versierte Küchenlateiner gerne mit dem französischen Wort Julienne. Damit ist das auch geklärt.

Es gibt einen Zuführstutzen, den wir aufsetzen und dann festklipsen. Zur Arretierung dient ein federbelasteter Schieber, den man später zurückziehen muss, wenn man den Zuführstutzen zu Reinigungszwecken wieder demontieren möchte. Die Kartoffel werden wir schälen und dann in den Stutzen stecken. Zum Andrücken liegt dem Gerät noch ein Teil bei, welches in den Stutzen passt und sich mit spitzen Spitzen etwas in das Schnittgut hineingraben wird. Zum Schluss stellen wir die winzige Schublade, die wir noch in der Packung finden unten ins Gerät.

Gitti und ich gucken uns etwas besorgt an. Die Schublade lässt sich nur so positionieren, dass hinten unten noch ein größerer Spalt zwischen Gerät und Schublade offen bleibt. Wir fürchten, dass die Scheiben genau da landen werden. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt! Also probieren wir das jetzt aus. Die Kartoffel kommt in den Stutzen, mit der einen Hand bleibt Gitti am Andrücker und drückt an. Die andere Hand stelle ich zur Verfügung. Mit ihr bewege ich schwungvoll den Schneidstempel nach unten. Gespannt gucken wir, was passiert. Ein dünnes Kartoffelscheibchen landet, einer perfekten Wurfparabel folgend, mitten in der Schublade.

Den Stempel kann man eigentlich nur dann leicht wieder nach oben bewegen, wenn man den Druck auf die Kartoffel aufgibt. Kurz vor der nächsten Abwärtsbewegung des Stempels stellen wir fest, dass die Kartoffel ihre kleine Chance genutzt und sich nun im Stutzen verkantet hat. Zwei Augenbrauen, bei jeder von uns eine davon, werden kritisch nach oben gezogen. Scheinbar müssen wir das noch üben und ein Gefühl für die geeignete Koordination aller Bewegungen und Kräfte entwickeln. Abwechselnd versuchen Gitti und ich es auch einmal alleine. Scheibchenweise füllt sich das Schublädchen. Mehr als die Scheiben dieser einen mittelgroßen Kartoffel würden gar nicht dort hineinpassen. Sehnsüchtig blicke ich gen Messerblock. Dort schmollt das große scharfe Messer, mit dem ich solche Aufgaben sonst flink erledige. Mir ist, als ob es mir beleidigt zuriefe, dass ich schon noch merken werde, wie mühsam die spätere Reinigung des Gerätes sein wird.

Endlich können wir uns dem Fisch widmen. Das Rezept gibt vor, dass wir ein Ei trennen und dessen Eiweiß mit zwei Esslöffeln Stärke verrühren sollen. Mit dem so entstehenden Kleister sollen wir jeweils eine Seite der Kartoffelscheiben bepinseln. Die angerührte Kleistermasse ist im Nu so fest, dass an ein Pinseln gar nicht zu denken ist. Kichernd matschen wir vor uns hin. Irgendwie gelingt es Gitti, die Kartoffelscheiben auf die Haut des Skreifilets zu kleben. „Sogar in hübschem Schuppenmuster!“, rufe ich – und breche mir dabei fast die Zunge.

Das Fischfilet liegt nun auf seinem Kartoffelmantel in der Pfanne. Gitti streut ein bisschen Currypulver auf die obere Seite. Sie beschließt, die restlichen Kartoffelscheiben separat in Erdnussöl zu braten. Ich versöhne mich schnell mit dem großen Küchenmesser und steuere noch gewürfelten Knoblauch bei, den Gitti später noch sanft in Öl rösten möchte, bis er eine goldgelbe Farbe annimmt. Sie schneidet das Brot und stellt es auf den Tisch. Damit werden wir das Knoblauchöl auftunken.

Es wird Zeit, den Feldsalat zu putzen, eine Frühlingszwiebel in dünne Ringe zu schneiden, schnell eine Marinade aus Cranberry-Essig und Olivenöl zusammenzurühren und sie dann mit etwas Salz und Pefffer zu würzen.

Als Gitti den Fisch in der Pfanne wendet steppe ich hurtig in den Keller, um uns einen kühlen Riesling kredenzen zu können. Sie deckt derweil flugs den Tisch. Kaum bin ich zurück, wendet Gitti den Fisch auch schon wieder auf die Kartoffelseite zurück und bereitet sich darauf vor, ihn gleich zu servieren. Jetzt müssen wir uns beeilen, der Fisch darf schließlich nicht zu lange in der heißen Pfanne verweilen. Alles geht Hand in Hand. Ich stelle Salz und Pfeffer für den Fisch und die separat gebratenen Kartoffelscheibchen bereit, dann verwirre ich noch schnell den Salat in seiner Schüssel und schenke uns von dem kühlen Nass ein.

Beim Essen halten wir eine Weile lang so etwas wie Manöverkritik. Wir überlegen, was wir beim nächsten Mal optimieren können. Über den weiteren Einsatz des neuen Küchenhelfers werden wir nach einem Julienne-Test entscheiden, für den wir uns bald Zeit nehmen wollen. Die Bastelstunde mit dem Kartoffelmantel war nett. Vielleicht verzichten wir beim nächsten Mal auf das Mäntelchen und braten einfach Fisch und Kartoffelscheiben sortenrein getrennt, mal sehen. Geschmacklich sind wir mit dem Ergebnis unserer Aktionen hoch zufrieden.

Die Kritik und die Suche nach Verbesserungspotenzial sollen uns nicht länger vom wunderbaren Geschmackserlebnis ablenken. Glücklich stoßen wir mit dem Wein an. Ab sofort gilt es, sich auf den reinen Genuss zu konzentrieren.

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