You are currently viewing Wenn die Chemie stimmt

Wenn die Chemie stimmt

Gitti hat sich mal wieder von einer Kochsendung inspirieren lassen. Mit leuchtenden Augen verkündet sie, dass sie etwas ausprobieren will. Weitere Details behält Gitti für sich – und ich gehe ihr neugierig zur Hand.

In Windeseile füllen sich unsere Arbeitsflächen mit Ingredienzien und Küchenwerkzeugen. Der Anblick des kleinen Zutaten-Haufens bewirkt, dass mir unverzüglich das Wasser im Munde zusammenläuft. Da liegen zwei Rotbarschfilets neben einer großen Schlangengurke und frischem Knoblauch. Ich ernte draußen einige Stängel Thymian. Als ich damit wieder in die Küche komme, bilden Senf, Öl, Balsamicoessig und Sahne bereits einen hübschen Halbkreis um kleine Behälter mit Chiliflocken, Gemüsebrühe, Cayennepfeffer und Curry. Salz und Pfeffer stehen sowieso immer in Griffweite.

Gitti stellt ein Päckchen Gelierzauber dazu. Was will sie bloß damit? Ich verkneife mir die Frage. Zu gegebener Zeit wird Gitti schon erzählen, was sie damit vorhat. Sie sieht meinen erstaunten Blick natürlich sofort, und sie bereitet geduldig ihren großen Auftritt vor. Und so zwinkern wir uns beide zu, als ob wir Stillschweigen über ein großes Geheimnis vereinbart hätten. Zwischen uns stimmt einfach die Chemie. Ich liebe diese kleinen kostbaren Momente!

Jetzt schnappt Gitti sich einen Spiralschneider und die große Gurke. Etwa ein Drittel der Gurke separiert sie, den Rest jagt Gitti flink durch den Spiralschneider in ein Sieb und gibt ein wenig Salz darüber. Die Gurkenstreifen erinnern mich an Spaghetti. Das Salz nutzt die nächsten fünf Minuten, um der Gurke einen Teil ihres Wassers zu entziehen. Ich denke ein bisschen darüber nach, ob dieser Effekt eher zur angewandten Chemie oder zur Physik gehört. Geht es um Osmose? Ja. Gitti bestätigt, dass hier die Chemie zuschlägt. Wassermoleküle fließen aus den Gurkenstreifen, um die Salzkonzentration an der Stelle, an der sich Gurke und Salz treffen, auszugleichen.

Mit der Grätenzange gehe ich jetzt auf die Fischfilets los. Mit sorgfältig prüfenden Fingern habe ich soeben noch tiefer liegende Gräten aufgespürt. Die Grätenzange hilft mir dabei, unseren späteren Akt des Essens mit einer gewissen Sorglosigkeit zu garnieren. Wenn ich weiß, dass da keine Gräten mehr sind, dann kann ich einfach genießen. Ansonsten würde ich nämlich akribisch vor jedem Bissen prüfen, ob sich noch eines dieser garstigen Dinger im Fisch versteckt hat.

Ich schneide Knoblauch klein und reble den Thymian von seinen Stängeln. Wälzen und Andrücken sorgen dafür, dass beides nun an den Fischfilets klebt – jedenfalls mehr als an meinen Händen. Hier wirkt die Kraft der Adhäsion, und das ist eindeutig Physik.

Gitti kümmert sich um ein Dressing für die Gurken-Spaghetti. Sie mischt 50 ml Balsamicoessig mit zwei Esslöffeln Senf, gibt reichlich Currypulver dazu, etwas Gemüsebrühe und einen Teelöffel Cayennepfeffer. Hinzu kommt noch eine Prise Zucker. Dann wirft Gitti den Pürierstab an. Zug um Zug gießt sie Öl an, bis ihr die Konsistenz des Dressings gefällt. Vermutlich ist zum Schluss etwa doppelt so viel Öl drin wie Essig. Mit Chiliflocken und Salz rundet Gitti den Geschmack ab, frisch gemahlener Pfeffer darf nicht fehlen. Dann drückt sie die entwässerten Gurkenspaghetti aus und mischt sie unter. Zufrieden stellt Gitti ihren Gurkenspaghetti-Salat auf den Tisch.

Das restliche Stück der Gurke wird nun in ganz kleine Stücke geschnitten. Die Stücke wandern zusammen mit 100 ml Sahne und ein oder zwei Esslöffeln Senf in einen Topf und alles zusammen zum Erhitzen auf den Herd. Etwas Salz, frisch gemahlener Pfeffer und Chililpulver kommen hinzu.

Gitti bemehlt und brät den Fisch, ich hole einen leckeren Weißwein aus dem Keller und decke den Tisch.

Während der Fisch noch in der Pfanne liegt, ist es endlich an der Zeit, das Geheimnis um den Gelierzauber zu lüften!

Mit großer Geste öffnet Gitti die Packung, entnimmt ihr zwei Teelöffel Gelierzauber und gibt sie in den Topf. Dann schwingt sie erneut den Pürierstab und zieht den Inhalt des Topfes zu einem wunderbaren Schaum auf.

Alles muss jetzt schnell gehen, denn der Fisch darf nicht zu lange in der Pfanne sein! Ich löffle den Schaum als Spiegel auf die noch leeren Teller. Gitti legt den Fisch darauf. Zu ihrer Großen Freude kredenze ich Gitti überraschend noch ein wenig frisch zerkleinerten Dill, den sie bereitwillig auf ihrem Fisch dekoriert. Mir schmeckt Dill nicht ganz so gut, also belasse ich meinen Teller so, wie er gerade ist.

Beim Essen lässt Gitti fallen, dass sie weder Zeit noch Lust hatte, im Reformhaus oder gar im Internet nach Lecithin zu suchen. Wie ist sie dann bloß auf die Nummer mit dem Gelierzauber gekommen? Die Antwort ist so einfach, wie verblüffend: Wenn die Chemie stimmt, brauchst Du kein Lecithin! Dann hält so ein Schäumchen eben auch mit Gelierzauber.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Mauro und Gianna

    Chemie und Physik in der Küche 👍🏻
    Und wenn die Chemie stimmt, dann schmeckt es ganz sicher! Das Rezept hört sich interessant an 🙏🏻

Schreibe einen Kommentar