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Auf dem Holzweg

Mitten auf dem gemeinsamen Spaziergang mit Gitti fällt mir ein: Ich habe vergessen, woher die Redewendung mit dem Holzweg kommt! Zuerst frage ich also Gitti, ob sie das weiß. Bereitwillig gräbt sie in ihrem reichhaltigen Erinnerungsschatz, kommt aber gerade auch nicht auf die Lösung. Eine Weile rätseln wir gemeinsam. Mich beschleicht dabei mehr und mehr das Gefühl, auf dem Holzweg zu sein. Und das bedeutet, so viel ist sicher, dass wir uns der richtigen Antwort nicht wirklich nähern. Mit viel Fantasie bemühen wir unterschiedliche Ansätze. Zum Schluss bleiben wir stehen und fragen das Internet.

Dort finden wir zuerst, was wir schon wissen, nämlich: Wer auf dem Holzweg ist, dessen Vorgehen ist angeblich nicht zielführend. Den Holzweg sollte man unbedingt verlassen, denn er führt nur weiter in die Irre.

Gitti und ich verspüren Unbehagen. Wir haben zusätzlich noch ganz andere Assoziationen zu Holzwegen, und die sind nicht alle von Irrungen und Wirrungen geprägt! Dennoch wollen wir zuerst eine Antwort auf die Frage nach der Herkunft dieser Redewendung finden.

Es geht um den Wald, aha! Schon wieder mischt sich eine kleine Assoziation ein, im Chor rufen Gitti und ich: „Ich glaub‘, ich steh‘ im Walde!“ Dann lesen wir weiter. Der Holzweg ist ein Weg im Wald, und er dient dem Abtransport gefällter Baumstämme. So einfach ist das! Deshalb geht der Holzweg nur vom Ort des Baumfällens aus zurück zu dem Ort, an dem der Holzfäller seine Reise in das Waldstück hinein gestartet hat. Eine richtige Sackgasse also. So gesehen, könnte man nun sagen: Nur der Holzfäller erreicht auf dem Holzweg sein Ziel.

Andere Wege verbinden Start und Ziel, die sich an verschiedenen Orten befinden. Manchmal liegt dazwischen auch noch ein weiterer Ort. Und dann ermöglicht solch ein Weg sogar die Durchreise. Gitti wirft ein, dass es auch Rundwege gibt. Bei denen sind Start und Zielort identisch. Ja, das stimmt. Auf solchen Wegen kann man wandeln, wenn der Weg das Ziel ist, oder? Und am Ende kommt man wieder zu Hause an. Zwischendurch tankt man auf, erörtert vielleicht dummes Zeug und tut etwas für die körperliche und die geistige Gesundheit … Oder so …

So betrachtet, ist unser Urlaub voll von Rundwegen. Der Urlaub repräsentiert sogar selbst einen Rundweg. Zuerst geht es zum Urlaubsziel, dort wandeln wir auf weiteren Wegen und am Ende kommen wir wieder nach Hause.

Im aktuellen Urlaub sind die weiteren Wege vielfach auch Rundwege. Sie führen Gitti und mich zuerst vom Hotel zum Meeresstrand, dann ganz lange genüsslich am Wasser entlang, danach zur Promenade, dort natürlich ohne Verzug in die Eisdiele und dann weiter, immer entlang der langen Promenade, zurück zum Hotel. Vielleicht sogar mit Zwischenstopps. Oder einfach mal andersherum. Wir begeben uns in diesem Urlaub auch auf andere Ausflüge, ebenfalls mit Zwischenstopps. Und die sind wieder als Rundwege gestaltet.

Gitti und ich bemerken in letzter Zeit immer wieder, dass man Menschen ungeduldig vorwirft, sich auf dem Holzweg zu befinden. Und das nur, weil sie sich Zeit nehmen, ein Problem zu durchdringen, anstatt gleich in die Richtung zu laufen, die man selbst spontan für die richtige hält. Eine schnelle Lösung repräsentiert eben nicht unbedingt eine gute Lösung! Auf dem Holzweg kann man übrigens ganz tolle Ideen entwickeln, die einen später weiterbringen. Solch ein Ausflug auf einen Holzweg ist sehr inspirierend. Es steht uns wirklich gut zu Gesicht, den Leuten mit Zuversicht und auch mit ein wenig Geduld zu begegnen! Nicht jeder, der nicht gleich bei Drei auf einem Baum sitzt, ist ein Vollidiot. Vielleicht findet er sogar auf seinem Weg eine bessere Lösung, als ich sie je gefunden hätte.

Auf unserem Spaziergang umweht uns die Meeresbrise. Die Sonne wärmt den Wanst und die Seele. Wir atmen tief durch und tanken Kraft.

Plötzlich zeigt Gitti mit dem ausgestreckten Arm nach unten. Ich folge der Richtung ihres Blickes und erkenne: Ja, wir sind gerade beide auf dem Holzweg! Buchstäblich! Und dieser Holzweg führt uns geradewegs zum Strand, zum türkisfarbenen Wasser, zum nächsten tiefen Atemzug … Wir folgen unserem Holzweg, und dann genießen wir fröhlich die Weite des offenen Meeres, sehen dem Spiel der Wellen zu, lauschen dem Meeresrauschen und geben uns zufrieden dem wunderbaren Gefühl tiefer Entspannung hin.

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