Im Foyer des Theaters gibt es eine Bar. Eine gute halbe Stunde vor Beginn der Vorstellung füllt sich der Raum. Zum Auftakt des schönen Abends wollen wir einen Aperitif zu uns nehmen. Andere Theaterbesucher sind ebenfalls auf diese Idee gekommen, und so stehen wir geduldig ein Weilchen im Gedränge vor der Bar. Zum Glück geht es durchaus gesittet zu, und hinter der Bar arbeiten routinierte Kräfte. Das nährt meine Zuversicht, den Aperitif recht bald erstehen und dann noch in Ruhe genießen zu können.
„Wer hat ihm denn diesen Floh ins Ohr gesetzt?“, ertönt es genervt neben mir. Ich horche auf, auch wenn es mich nun wirklich nichts angeht.
Zwei mutmaßlich beste Freundinnen tauschen sich hier mitten im Gewühl gerade über ihre Männer aus. Die eine der Freundinnen sagt, sie sei es leider selbst gewesen. Aus Versehen! Eigentlich sei es nur eine ganz harmlose Überlegung gewesen, noch nicht einmal eine richtige Idee. Sie habe es doch nicht im Entferntesten ernst gemeint, als sie ihm den folgenschweren Vorschlag unterbreitet habe. Und jetzt, ja, jetzt verfolgt er geradezu hyperaktiv die Umsetzung dieser blöden Idee. Das gibt eine ausgewachsene Baustelle, und dazu noch ausgerechnet jetzt, also zu einer Zeit, zu der andere Sachen doch viel dringlicher wären!
Bedenke, was Du Dir wünschst, es könnte in Erfüllung gehen!
Ich werde der Situation an dieser Stelle leider entrissen, weil ich jetzt dran bin und meine Bestellung aufgeben darf. Zudem spült es die besten Freundinnen im Gedränge gerade in eine andere Richtung.
Am nächsten Tag fällt mir die kleine Szene wieder ein. Ich frage mich, wo die Redewendung mit dem Floh im Ohr eigentlich herkommt. Weil ich in diesem Moment zufällig am Rechner sitze, leite ich die Frage ans Internet weiter. Nach wenigen Klicks verliere ich dabei meinen eigentlichen Fokus. Das liegt daran, dass ich auf Fragen stoße, die andere Leute wohl schon gestellt haben. Und dazu gehört diese: „Wie lange dauert Floh im Ohr?“
Die Antwort verbirgt sich unter dem kleinen Haken, der rechts neben der Frage erscheint. Zunächst versuche ich vergeblich, durch pures Nachdenken selbst eine Antwort zu finden. Dann obsiegt meine Neugierde. Mit dem nächsten Klick klappe ich die angebotene Antwort auf und erfahre, dass es eine Produktion gibt, deren Dauer inklusive Pause etwa 140 Minuten beträgt. Die Art der Produktion wird nicht erläutert, dafür aber der Name der Produktionsfirma genannt. Mir sagt der Name nichts. Produktion hört sich nach Film oder Theater an. Wegen des Hinweises auf eine Pause vermute ich, dass es um eine Theaterproduktion geht. Und jetzt?
Ich stelle eine Mini-Recherche an. Sie führt mich zu einer turbulenten Verwechslungskomödie mit dem Titel „Der Floh im Ohr“, die von Georges Feydeau geschrieben wurde und deren Uraufführung 1907 in Paris stattfand. Der sprichwörtliche Floh sitzt dabei im Ohr einer Frau, die plötzlich einen Anlass hat, unbedingt die Treue ihres Partners überprüfen zu wollen.
Diese Mini-Recherche hat nur eine Minute gedauert. Beeindruckt sitze ich vor dem Bildschirm. Früher wäre ich einfach ahnungslos geblieben. Heute finde ich jede Menge Spaß daran, meine Assoziationen durchs Internet hüpfen zu lassen. Also hüpfe ich noch eine Weile weiter und amüsiere mich köstlich.
Den Sprung vom Floh zum Flohzirkus vollzieht mein Gehirn wie von alleine. Das habe ich nun davon! Fragen über Fragen drängen sich mir auf, hier meine Top drei: Gibt es diese alte Jahrmarktattraktion eigentlich noch? Setzen die da wirklich echte Flöhe ein? Wieso interessiert mich das plötzlich so sehr?
2023 war noch ein Flohzirkus auf dem Münchner Oktoberfest vertreten. Ob es ihn noch gibt, weiß ich nicht. Ich finde ein altes Video und schaue kurz rein. Manchen Menschen reicht ja schon die pure Vorstellung von hüpfenden und krabbelnden Tieren. Ich will hier niemanden verschrecken, und deshalb lasse ich mich nicht weiter über die kleinen, sehr vitalen Hauptdarsteller dieses Videos aus. Auf die dritte Frage weiß ich selbst keine gute Antwort. Manchmal reizt es mich halt, herauszufinden, ob ich etwas herausfinden kann. Und dann bewahrt mein Gedächtnis einen Teil davon auf – scheinbar unabhängig davon, ob das neu gewonnene vermeintliche Wissen zu irgendetwas gut ist.
Nun bleibt mir noch, Dir viel Freude zu wünschen, falls diese Geschichte Dir einen Floh ins Ohr gesetzt haben sollte und Du Dich deshalb nun selbst auf Spurensuche begibst – wonach auch immer Du suchen magst!